Sehr geehrtes Phoenix-Team,
ich schaue gerade Ihre Sendung “Griechische Tragödie – Die Folgen für Deutschland” und muss wieder einmal enttäuscht feststellen, dass als Sachverständige erneut nur die üblichen Verdächtigen eingeladen wurden, die für die griechischen Refinanzierungsprobleme die Ursache allein in Griechenland ansiendeln und als einziges Mittel das ewige Mantra des “Konsolidierens” vulgo “Sparens” herunterbeten. Leider haben Sie als Sender bei der Auswahl Ihrer Experten nicht verstanden, dass Sie hier stets auf Personen einer bestimmten ökonomischen Schule zurückgreifen, nämlich die Vertreter der neoklassischen Theorie. Hier wird als Allheilmittel für einen gesunden Wirtschaftskreislauf die Stärkung der Angebotsseite (Unternehmenssteuern senken, Arbeits”kosten” senken) gesehen, hingegen nicht die Nachfrageseite (kaufkräftige Bevölkerung) in den Blick genommen. Zudem werden die innereuropäischen Leistungsbilanzungleichgewichte rein im Sinne von Leistungsbilanzdefiziten der Sudeuropäer interpretiert. Zu jedem Defizit gehört jedoch ein Überschuss. Diesen Überschuss hat innerhalb der EU Deutschland erwirtschaftet, indem es durch Lohnstagnation die Lohnstückkosten hat soweit fallen lassen, dass die anderen europäischen Staaten größtenteils nicht mehr konkurrenzfähig gegenüber Deutschland waren und sich übermäßig verschuldet haben. Sparen hilft hier jedoch herzlich wenig, wenn Griechenland damit sein Wirtschaftswachstum (wie momentan der Fall) abwürgt und somit in dem Problem einer hohen Schuldenstandsquote verhaften bleibt. Es ist ein quatschiger Glaube, dass alle Staaten Europas zugleich wettbewerbsfähiger werden könnten. Zudem will Deutschland auf seine dauerhaften Exportüberschüsse nicht verzichten, da diese die Hauptkomponente seines Wirtschaftswachstums sind. Es wäre an Deutschland, den eigenen Binnenmarkt durch eine Förderung der Lohnseite (z. B. allgemeiner Mindestlohn) zu stärken, so vermehrt Auslandsnachfrage durch Inlandsnachfrage zu ersetzen und zur Einhaltung einer stabilen Außenhandelspolitik beizutragen, so dass die südeuropäischen Länder langfristig auch eine Chance hätten, sich nicht weiter gegenüber Staaten wie Deutschland verschulden zu müssen. Zudem würde es der Qualität Ihrer Recherchen sicherlich nicht schaden, wenn Sie etwas kritischer auf die Finanzmärkte schauen würden. Wozu sind diese da? Woher kommt das Geld? Welche gesetzlichen Änderungen (z. B. Deregulierung) hat es genau gegeben, die zu welchen negativen Konsequenzen geführt haben (Stichwort etwa: Credit Default Swaps ohne Kreditengagement => schädliche Spekulation gegen Staaten)? Ich ermuntere Sie dazu, doch auch einmal Vertreter des Keynesianismus einzulanden, um das Publikum auch andere Lösungsvorschläge zur aktuellen Problematik rezipieren zu lassen. Die aktuellen europaweiten Sparorgien führen ohnehin nur in noch größere Probleme. Außerdem: Fragen Sie sich nicht auch manchmal, warum die Wirtschaft Europas wächst und wächst und die Bevölkerungen und öffentlichen Haushalte dennoch immer weniger Einnahmen zu haben scheinen?
Was die Leistungsbilanzthematik und das europäische Finanzmarktproblem anbelangt, so empfehle ich Ihnen aktuell einen Artikel von Heiner Flassbeck und Friedericke Spiecker: http://www.nachdenkseiten.de/?p=10153
Mit freundlichem Gruß und Hoffnung auf Steigerung im kritischen Denken,
Jascha Jaworski