Kommt im medialen Grundrauschen zur Finanz- oder Eurokrise ein Wirtschaftswissenschaftler eines renommierten Instituts oder Wirtschaftspolitiker zu Wort, so fehlt meist eines in seinen Äußerungen: empirische Daten. Man hat stattdessen tatsächlich den Eindruck, ein Soziologe komme zu Wort, denn es wird über Vertrauen der Marktteilnehmer (das wiederhergestellt werden soll) oder die Motivation von Regierungen (die mit hohen Zinsen zu geringerer, schädlicher Schuldenneuaufnahme diszipliniert werden) oder Arbeitnehmern (die aufgrund ihres ineffektiven Lebensstils sich angeblich zu viel Urlaub und Freizeit gönnen) geredet. Und Eines wird letztendlich immer wieder in alle Köpfe getragen: die durch in Saus und Braus leben entstandenen Schulden müssen reduziert werden, aber das Geldvermögen der Vermögenden darf aufgrund der verheerenden Folgen für die Ökonomie nicht angetastet werden. Dass sich viele dieser Aussagen mit dem Grundwissen der Volkswirtschaftslehre als falsche Aussagen oder hohle Phrasen identifizieren lassen, ist zwar beruhigend, aber leider viel zu wenigen Bürger_inne_n bekannt. Wir wollen helfen dies zu ändern.
Die Vermögensrechnung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist zur Bestimmung der ökonomischen Lage eines Landes ein mächtiges Instrument. Sie ermöglicht es jedem gesamtwirtschaftlichen Sektor einer Volkswirtschaft einen Kontostand1 zuzuordnen, der aussagt wie vermögend die Wirtschaftssubjekte eines Sektors zusammengenommen sind (+) oder ob sie insgesamt verschuldet sind (-). In einer Volkswirtschaft gibt es folgende „Konten“:
Konto 1: Private Haushalte
Konto 2: Unternehmen (nichtfinanzielle)
Konto 3: Finanzsektor (Banken u. Versicherungen)
Konto 4: Staat (Bund, Länder u. Kommunen)
Konto 5: Ausland
Zur graphischen Darstellung aller 5 Konten wird hier der Kontostand jedes Kontos in einem Balkendiagramm durch die Balkenhöhe dargestellt. Reicht dieser Balken in den negativen Wertebereich so weist das jeweilige Konto einen negativen Kontostand auf und der betreffende volkswirtschaftliche Sektor ist im Gesamten verschuldet. Das Ergebnis für die deutsche Volkswirtschaft ist für die Jahre 1995 (1.Quartal), 2007 (1.Quartal) und 2012 (3.Quartal) in folgender Grafik2) dargestellt:
Dabei springt eine für das Geldsystem charakteristische Eigenschaft sofort ins Auge: die Kontostände addieren sich insgesamt zu null, bzw. das gesamte in einer Volkswirtschaft vorhandene Geldvermögen (netto) entspricht der Summe aller Schulden (netto) der volkswirtschaftlichen Sektoren. Diese Eigenschaft resultiert aus der Tatsache, dass jeder Euro Geldvermögen durch einen Euro Schulden gedeckt ist, ohne Schuldner kann es keinen Gläubiger geben. Schulden, bzw. Schuldner sind eine für das Vorhandensein von Geld notwendige Voraussetzung. Möchte eine Gruppe von Wirtschaftsteilnehmern ihren insgesamt positiven Kontostand dauerhaft erhöhen, so müssen andererseits die Schulden steigen, bzw. es müssen sich Wirtschaftsteilnehmer finden, die als Schuldner fungieren. Üblicherweise sammelt sich in unserem Wirtschaftssystem das Geldvermögen konstruktionsbedingt bei Konto 1 und ist dabei hochkonzentriert auf die reichsten der privaten Haushalte3. Im Jahre 1995 wurde dieses Geldvermögen in erster Linie durch die Verschuldung der Unternehmen (56%) und des Staates (34%) ermöglicht. Der Ausgangspunkt bei der Finanzierung des Wirtschaftssystems bei aufgebauter Infrastruktur ist offensichtlich vor allem der Kredit, den das produzierende Gewerbe aufnimmt und investiert. Fehlen im Wirtschaftskreislauf Kreditnehmer, so fehlt auch Geld im System und die Wirtschaftskraft reduziert sich, wenn der Staatssektor nicht als Ersatzschuldner (Investor) herhält. Behandelt man nicht die Investitionsschwäche der Unternehmen, so bedingt dies die Schuldenaufnahme des Staatssektors, dessen Infrastruktur ja bereits intensiven Kapitaleinsatz erfordert. In diesem Zusammenhang zeigt sich, wie verheerend die Idee der heute fast als Idealvorstellung geltenden staatsschuldenfreien Volkswirtschaft ist. Sie kann weder die öffentliche Infrastruktur nachhaltig vor ihrem Zerfall schützen noch adäquat auf ökonomische Krisen reagieren.
Bei der Vermögensvermehrung werden, vereinfacht dargestellt, folgende Schritte nachvollzogen: Zunächst wird Konto 2 durch Kreditaufnahme über Banken belastet, um z.B. Investitionen in die Warenproduktion vorzunehmen. Im Prospekt ermöglicht die erfolgreiche Investition eines Unternehmens dann den Kauf hergestellter Produkte, indem es Gehaltszahlung an die Arbeitnehmer leistet und so Kaufkraft generiert wird (Konto 1). Der erzielte Gewinn der Unternehmen wird zur Bedienung der Kredite (Konto 3), aber vor allem zur Ausschüttung an Anteilseigner (Konto 1) verwendet werden. Im komplexerem Zusammenspiel aller Sektoren, können die Wirtschaftssubjekte des Staatssektors je nach Bedarf die Rolle des Konsumenten der produzierten Waren einnehmen, bzw. die des Investors oder des Gehaltszahlers im öffentlichen Dienst. Der Staat kann durch Steuern an jedem Teilbereich der Wertschöpfungskette teilnehmen oder durch den Verkauf von Staatsanleihen das Geldvermögen ausweiten. Außerdem ist noch das Ausland als weiterer Wechselwirkungspartner für das Verständnis einer Volkswirtschaft essentiell.
Im Verlauf der Zeit (von den 90ern bis 2012) hat sich das gesamte in der deutschen Volkswirtschaft vorhandene Geldvermögen mehr als verdoppelt. Dabei hat sich allerdings die sektorale Verteilung bei der Gegenfinanzierung stark verändert: Der Unternehmenssektor hält nun nur noch einen Anteil von 41%, der Staatssektor bereits einen Anteil von 39% an der volkswirtschaftlichen Gesamtverschuldung, zusätzlich hat sich auch die Schuldenlast des Auslands stark erhöht und hält nun einen Anteil von 19%. Im Überblick verhielt sich insgesamt die Änderung der 5 Kontostände von 1995 bis 2012 wie folgt:
Auch hier werden für den zurückliegenden Zeitraum die markanten Veränderungen in der wirtschaftspolitischen Ausrichtung erkennbar. Der Zuwachs von Konto 1 seit 1995 beträgt ca. 2 Billionen Euro und wurde offenbar in erster Linie durch Abnahme von Konto 4 um rund 900 Milliarden Euro erreicht, gefolgt von einer Änderung von Konto 2 um -750 Milliarden Euro sowie dem Auslandskonto (5) um -600 Milliarden. Konto 3 hat sich im gleichen Zeitraum um 250 Milliarden erhöht4. Die steigenden Staatsschulden sind nicht, wie häufig vom neoliberalen Mainstream behauptet, Ursache unsolider Haushaltspolitik und zu hoher Sozialkosten, sondern sind Ausdruck und Folge gezielter privatwirtschaftlicher Einflussnahme von Banken-, Arbeitgeberverbänden oder Kapitalbesitzern und der von ihnen kontrollierten/finanzierten oder mit ihnen sympathisierenden Wirtschaftsinstitute auf die politischen Parteien. Die Abnahme des Staatskontos (4) lässt sich in diesem Zusammenhang leicht erklären, 400 Mrd. Euro5 sind dem Staatsaushalt seit 1998 durch Steuersenkung, im Besonderen durch die Agenda 2010, entgangen. Der restliche Teil der Verschuldung ergab sich durch die Rettung „notleidender Banken“ und aufgrund von „Konjunkturpaketen“ während der Finanzkrise6. Die Ursachen der hinzugekommenen Staatsverschuldung sind also nicht steigende reguläre Ausgaben, sondern sind in erster Linie auf der Einnahmeseiten oder durch außerplanmäßige Ausgaben entstanden.
Trotz dieser Tatsachen wurden im Verlauf der Zeit die Stimmen nach restriktiver Haushaltspolitik lauter und mündeten 2009 in der Verankerung der sogenannten Schuldenbremse7 durch die Große Koalition und die FDP in das Grundgesetz. Damit gelang zum ersten Mal ein bedeutsamer Schritt zur Beseitigung der “wirtschaftspolitischen Neutralität” des Grundgesetzes, also der grundgesetzlichen Freiheit, dass die jeweilige Bevölkerung, die von ihr gewünschte jeweilige Wirtschaftsordnung durch einen politischen Prozess verfolgen kann, ohne dass die Wirtschaftspolitik bereits im Grundgesetz vorgeschrieben wäre. Diese Entwicklungen verdanken wir der jahrelangen Behauptung explodierender Sozialkosten in der Kombination mit der Vermittlung der falschen Vorstellung, Staatsschulden müssten von nachfolgenden Generationen getragen werden und wären nicht vielmehr eine Frage gerechter Steuer- und Verteilungspolitik. Durch die von kapitalkräftigen Interessengruppen begleitete mediale Umwandlung des Begriffs „Finanz-, Banken- und Eurokrise“ in die europaweite „Schuldenkrise“ gelang es nun sogar – jetzt mit der Unterstützung der Grünen – trotz massiver rezessiver Bedingungen einen europaweiten, unkündbaren Schuldenabbauzwang (Fiskalvertrag) im Grundgesetz zu verankern. Dies ist als Besiegelung der autoritären Krisenpolitik und als ungebremste Freisetzung neoliberaler Ideologie des europaweiten Standortwettbewerbs zu deuten.
Das Konzept von Schuldenbremse entpuppt sich als die von Neoliberalen in aller Welt erprobte und perfektionierte Strategie zur Durchsetzung ihrer eigenen politischen Agenda durch die Knappheit öffentlichen Mittel, die Herbert Giersch 1991 in Deutschland ganz offen mit dem Ausdruck „Diktat der leeren Kassen“8 prägte. Beispielhaft lässt sich die Anwendung dieser Strategie an der durch die Refinanzierungsprobleme des griechischen Staates losgetretenen Reformwelle durch das neoliberale Exekutivkommando Troika9 beobachten. Wirtschaftspolitische Konzepte können nicht unabhängig davon bewertet werden, welche Interessengruppen die politische Willensbildung dominieren und somit die endgültige Ausgestaltung von Gesetzen, sowie ihre Wirkung beeinflussen. Unter Erhaltung der aktuellen neoliberalen politischen Machtverhältnisse in Deutschland bedeutet eine Schuldenbremse bei der abzusehenden gleichzeitigen Verweigerung von Steuererhöhungen für Konzerne und Vermögende in erster Linie Sozialkürzungen. Zusätzlich wird die Schuldenbremse den Privatisierungsdruck, bzw. Drang zur Bildung sogenannter ÖP-Partnerschaften auch in Deutschland selbst in Bereichen der Daseinsvorsorge oder natürlicher Monopole stark erhöhen mit den bekannten Folgen, wie etwa starkem Qualitätsverlust und drastischer Preiserhöhung der angebotenen, häufig lebensnotwendigen Leistungen. Außerdem wird sich der Verzicht auf gesellschaftlich und volkswirtschaftlich nützliche Investition staatlicherseits fortsetzen, da die vorherrschende marktextreme Stoßrichtung darin eine Einschränkung des ansonsten effektiven Marktgefüges durch den Staat sieht. Die jährliche Zuwachsraten der privatwirtschaftlichen Bruttoinvestitionen haben sich im 10-Jahresdurchschnitt von 5,9% (im Zeitraum von 1992 bis 2001) auf 4,6% (im Zeitraum von 2002 bis 2011)10 verringert, ihre politische Macht würden diese Interessengruppen selbstverständlich auch im öffentlichen Bereich nicht dazu nutzen das Investitionsvolumen deutlich auszuweiten.
Aufschluss über die jüngsten Änderungen der volkswirtschaftlichen Ausrichtung in Deutschland geben die Kontobewegungen der Sektoren seit 2007:
Seit 2007 haben Konto 1 um 550 Milliarden Euro und Konto 3 um 450 Milliarden Euro deutlich zugelegt, Ermöglicht wurde dies durch den drastischen Abfall des Auslandskonto um fast 700 Milliarden Euro, das Staatskonto hat sich um weitere 250 Milliarden Euro verringert. Dass gerade in der Zeit der Bankenkrise das Konto des Finanzsektor insgesamt betrachtet seinen deutlichsten Zuwachs erfahren hat, ist eine bemerkenswerte Entwicklung und zeigt an, dass gerade deutsche Banken von dem Staatsanleihenhandel mit Hochzinsstaaten der Eurozone und Bankenrettung insgesamt profitiert haben. Der Finanz- und Versicherungssektor kommt mit seinem Zuwachs fast an jenen der privaten Haushalte heran. In diesem Zeitabschnitt zeigt sich eine Entwicklung etwas weg von Staatsverschuldung hin zu starker Verschuldung des Auslands gegenüber der deutschen Volkswirtschaft. Das Ausland ist nun die dominanteste Gegenposition für den Zuwachs der Geldvermögen in Deutschland. Dies ist, wie schon häufiger von uns bemerkt, Resultat deutscher Niederkonkurrierung durch politisch herbeigeführte Außenhandelsüberschüsse, die unter dem Schutzmantel der gemeinsamen europäischen Währung und der Ausnutzung und Belastung anderer Staaten erfolgten. Nachhaltig kann ein solches Wirtschaftsmodell nicht sein, was bereits die heutige Auslandsverschuldung Spaniens11 von ca. 1 Billion Euro und Frankreichs von ca. 500 Milliarden Euro klar verdeutlicht. Aber auch der aktuelle Rückgang von Absatzzahlen unter dem Kürzungsregime in Europa widerlegt die Zukunftstauglichkeit eines solchen Modells. Der eigentliche Finanzierungsmotor einer Volkswirtschaft, die (finanzindustriefremden) Unternehmen, die auf die Arbeit der abhängig Beschäftigten zürückgreifen, haben seit 2007 keine weiteren Schulden aufgenommen. Dies bedeutet, dass die privaten Unternehmen nach Investitionen, Abschreibungen, Zinszahlungen, Kredittilgungen, Lohnauszahlungen und Ausschüttungen seit 2007 ihren Kontostand annähernd erhalten haben. Angela Merkel sieht das zukünftige Wirtschaftsmodell mit Schuldenbremse offenbar allein über Exportüberschüsse also Verschuldung des Auslands finanziert, von der Investitionsschwäche deutscher Unternehmen hat man sie noch nicht sprechen hören. Und dass sie zukünftig den Banken und Versicherungen keine Geschenke mehr machen wird, wäre eine Überraschung. Die Bundeskanzlerin ist sich selbst für dreiste Lügen nicht zu schade, um über die wirklichen Schwächen der deutschen Volkswirtschaft hinweg zu täuschen. So behauptete sie vor kurzem, die Inlandsnachfrage wäre der Motor der deutschen Wirtschaft, obwohl sich seit 1990 die Bundesrepublik in einer historisch einmaligen Phase einer ernsthaften Konsumschwäche12 befindet, die durch eine dramatische Lohnkrise13bedingt ist. Die vermeintliche rot-grüne Opposition, bzw. der angebliche Politikwechselkandidat hat bekanntlich mehrheitlich auch kein Problem mit extremen Exportüberschüssen, sind sie doch große Fans der Schuldenbremse und haben bisher keinen sichtbaren Willen gezeigt, eine lautstarke Initiative für Lohnsteigerungen einzuleiten. Stattdessen wird an der rückständigen Mindestlohnforderung von 8,50 Euro, bzw. 7,50 Euro festgehalten.
- Aus der Zusammenstellung geldähnlicher Wertgegenstände (Bargeld, Bankguthaben, Aktien, etc.), die entweder als Forderungen oder Verbindlichkeiten daherkommen, wird durch Differenz aller Forderungen mit allen Verbindlichkeiten der Wirtschaftssubjekte des zugehörigen Kontos der Kontostand bestimmt. Dies bezeichnet man auch als Nettogeldvermögen eines Sektors. [↩]
- Quelle: Bundesbank (VGR, Vermögensrechnung, nominal, konsolidiert), eigene Berechnungen [↩]
- Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung besitzen die reichsten 10% der deutschen Bevölkerung 66% des Nettovermögens (Immobilien+Geldvermögen). [↩]
- Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit und Merkfähigkeit wurden die Zahlen gerundet [↩]
- Quelle: Eicker-Wolf/Truger 2010 [↩]
- Für einen genaueren Überblick zum Thema „Deutsche Staatsverschuldung“ ist die Zusammenstellung „Hintergrund: Staatsverschuldung in Deutschland“ von Axel Troost empfehlenswert. [↩]
- Die Schuldenbremse begrenzt die strukturbedingte, jährliche Nettokreditaufnahme des Bundes ab 2016 auf 0,35% des Bruttoinlandsproduktes und verbietet (!) sie für Länder, Kommunen, Gemeinden und Sozialkassen ab 2020. [↩]
- “Dies heißt Privatisierung und Deregulierung und ein Kürzen der Staatsausgaben. Widerstand gegen das Abspecken des Staates auf der Ausgabenseite kommt von der Bürokratie und den Subventionsempfängern. Wahrscheinlich muß daher das Abmagern auf der Steuerseite ansetzen: Steuersenkungen zum Mobilisieren des Diktats der leeren Kassen.” [Herbert Giersch, damaliger Direktor des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Europas Wirtschaft 1991. Ordnungspolitische Aufgaben in Ost und West, S. 18] [↩]
- Jenes Dreigestirn aus Abgesandten von EZB, EU und IWF, das dort Privatisierungen, Sozialkürzungen, lohnsenkende Arbeitsmarktreformen unter Mithilfe der deutschen Parlamente durchsetzt und dabei eine ganze Bevölkerung gegen die Wand fährt. [↩]
- Ein weiterer Abfall der Bruttoinvestitionsrate konnte durch die Investitionsfreude der exportorientierten Industrie vermieden werden. Aufgrund der angespannten Weltwirtschaftslage besteht allerdings Zweifel an der Nachhaltigkeit dieser Investitionen. Die jährlich Zuwachsrate fiel im 5-Jahresdurchschnitt von 5,7% (1997-2001) auf -1,6% (2002-2006) und stieg wieder an auf 10,8% (2007-2011). [↩]
- 1/3 der Leistungsbilanzdefizite, die Spaniens im Zeitraum von 2000 bis 2011 angehäuft hat, lassen sich auf Handelsbeziehungen mit Deutschland zurückführen [↩]
- Die Entwicklung der Umsätze im Einzelhandel (ohne Kfz, preisbereinigt) zeigen dies sehr klar, die grafische Darstellung gibt den bisher unübertroffenen Abfall der Umsätze wieder. [↩]
- Reallohn und Arbeitsproduktivität entwickeln sich gegenläufig. Das hat zu einer drastischen Umverteilung von Lohneinkommen hin zu Unternehmensgewinnen und Vermögenseinkommen geführt. Das Gesamtvolumen der Lohnzuwächse, das zur Erhaltung der Lohnquote von 2000-2012 und damit zur Ausnutzung des sogenannten verteilungsneutralen Spielraums benötigt wurde, wurde um 900 Mrd. Euro verfehlt. Die grafische Darstellung ist hier zu finden. Quelle: statistisches Bundesamt, VGR Fachserie 18 Reihe 1.1 [↩]
Chapeau! Eine ausgezeichnete Analyse zum Verständnis wirtschaftlicher Zusammenhänge sowie fundierter argumentativer Gegenpart zur neoliberalen Ideologie.
Ein sehr faktenreicher,übersichtlicher und einleuchtender Artikel.Er macht das extrem unsoziale Gechäftsmodell der deutschen Wirtschafts- und Sozialpolitik deutlich,das im Verlauf der europäischenh Krise zwangsexportiert wird (Fiskalpakt in Kombination mit neoliberalen Strukturreformen).
Gestern (2.3.’13) haben sich in Portugal eine Million Portugiesen in Massendemos dagegen gewehrt. Wie immer man das italienische Wahlergebnis einschätzt, die Italiener haben den europäischen Sparkommissar Monti krachend in die Wüste geschickt.
Mindestens breite Teile der südeuropäischen Bevölkerungt wenden sich gegen das von Deutschland initiierte Exportprodukt “Fiskalpakt”.
Der Widerstand im europäischen Süden macht ein wenig Mut auf der vermeintlichen “Insel der Glückseligen” oder in “the heart of the beast”
Eine wirklich sehr gute Darstellung volkswirtschaftlicher Zusammenhänge. Der Beitrag sollte mal in der Mainstreampresse abgedruckt werden und unseren Politikern als Pflichtlektüre verpasst werden. Solange die Presse aber die Interessen der Kapitalseite vertritt bleibt dies aber ein Wunschtraum.
Frage: Prof. Bontrup spricht von einem “perversen” Konto 2 seit 2002, weil es seit dem seinen Worten zufolge einen positiven Saldo hat, vgl.: https://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=QwhZnSQNLDU#t=6124
Woran liegt es, dass hier ein positiver Wert ausgewiesen wird?
Herr Bontrup nimmt in seinem Vortrag – soweit ich mich erinnere – nur Bezug auf die Änderung der Konten in dem von ihm betrachteten Zeitraum. Das empfand ich damals auch verwirrend, aber der Begriff perverses Konto ist einfach zu gut, um ihn an der Stelle nicht zu verwenden. Bei dieser Betitelung geht es ja darum, dass die (nichtfinanziellen) Unternehmen in der Summe aufgehört haben weitere Schulden/Kredite aufzunehmen, also sparen. Genauer hätte er also vom perversen Finanzierungssaldo seit 2003 sprechen können.
Ach so, verstehe. Fand es übrigens zusätzlich etwas verwirrend, dass er vom wohlbekannten 5-Konten-Schema sprach, weil ich die VGR eher als die Rede von der Entstehungs-, Verwendungs- und Verteilungsrechnung des Volkseinkommens kenne.
Vielen Dank für diesen Artikel.
Er stellt auch für Laien wie mich eine knappe aber sehr gut nachvollziebare Einführung in die Volkswirtschaft und die perversen Neoliberalismus und Austeritätspolitik dar.
Pflichtlektüre für Wirtschaftspolitiker ist genau meine Meinung!
Hi!
Ein sehr informativer Artikel, einen Vortrag von Herrn Bontrup kenne ich auch. Nun ist es so: ich habe kein VWL oder BWL studiert und bin interessierter Laie. Diese Woche habe ich nun ein schlagendes Argument gelesen: nicht alles Geld ist mit Schuld behaftet. Denn was passiert, wenn die Zentralbank einen Kredit abschreibt (z.B. weil das Kreditinstutut bankrott geht)? Richtig, die Schuld verschwindet aus den Büchern, aber das Geld existiert immernoch. D.h. es gibt auch Vermögen, das einfach keinen Schuldner mehr besitzt. Das paradoxe ist nur: dieser “echte” Reichtum entsteht offensichtlich dadurch, dass Schuld erlassen wird bzw. erlassen werden muss, ohne dass das Geld dabei wieder vernichtet wird. Was sagt die VWL dazu? Denn ich vermute stark, dass man sich das auch einfach zurecht rechnen kann, dass es aufgeht – weil eine Übersicht über alles Geld selbst nur eines kleinen Inselstaates (geschweige denn der ganzen EU) hat doch niemand.
Informationen, Meinungen, Literaturhinweise dazu? Ich würde mich sehr freuen.
Liebe Grüße,
Philipp
Ein paar Gedanken dazu, ohne den Anspruch zu erheben, dass ich die Weisheit gepachtet hätte: “Vermögen, das einfach keinen Schuldner besitzt”, gibt es ja ohnehin (Immobilien, Maschinen, Schmuck etc.). Wenn es um “Finanzvermögen” geht, so wäre wohl anzumerken, dass Bargeld nur die materialisierte Form dessen ist, was in der Zentralbankbilanz zugleich auf der Verbindlichkeitenseite (Passiva) notiert wird unter “Banknotenumlauf”. Hier müssen gemäß Buchführungsregeln Aktivseite und Passivseite immer in der Summe gleich sein. Würde eine Forderung an eine Geschäftsbank auf der Aktivseite somit abgeschrieben, müsste auf der Passivseite nachgebessert werden, indem z.B. Rücklagenposten reduziert werden. Andererseits existieren jedoch auch Sicherheiten in Form von Wertpapieren (z.B. Staatsanleihen), die die Geschäftsbanken bei der Zentralbank hinterlegen mussten, und die in diesem Falle wohl in das Eigentum der Zentralbank übergehen würden.
Das eigentliche Bargeldvermögen wird, so will ich behaupten, ohnehin nicht an irgendwelchen Geldscheinen festgemacht, die tatsächlich zirkulieren (diese können schließlich vernichtet werden oder könnten Falschgeld sein), sondern an dem, was in den Büchern der Zentralbank steht. Diese Angaben lassen sich auch einzig erheben, da man nicht einfach alle tatsächlich umlaufenden Geldscheine und Münzen zählen kann.
Gruß,
Jascha
Hallo,
das ist eine tolle Seite! Vielen Dank für die Infos und die Erklärung der Zusammenhänge. Ich wünschte mir, diese Grundlagen von Wirtschaft würden mehr Menschen kennen, doch leider – wie bei ähnlichen Artikeln, Büchern und Blogs – ist der Text doch etwas komplex und es braucht schon – für Laien in dem Gebiet – viel Konzentration um den Text verstehen zu können.
Zum Beispiel wäre konkret dieser Text einfacher zu verstehen, wenn an stelle von dem Begriff “Konto 1” gleich : “Konto private Haushalte” stehen würde. So muss – zumindest ich – immer mal wieder auf die Grafik schauen, welches Konto jetzt gemeint ist.
Auch bei den anderen Artikeln wünschte ich mir eine einfachere Sprache um die Inhalte auch für ein breiteres Publikum verfügbar zu machen.
Volker Pispers hat sich ja schon verdient gemacht, als Beispiel soll der 50 Euro-Schein gelten, den man keine Schippe in die Hand drücken kann, damit er zu arbeiten beginnt als Erklärung für die tolle PR-Phrase der Banken: “lassen sie ihr Geld für sich arbeiten”
Das für mich in Sachen “einfache Sprache” beste Buch im Bereich Wirtschaft ist: “Das Ende der Megamaschine” von Fabian Scheidler
Natürlich kann man sagen, die Leute müssen sich eben einarbeiten und sich mit den Dingen beschäftigen, aber spätestens nach dem ersten Kind oder den zweiten Job oder den hilfsbedürftigen Eltern etc. hat man eben weder Zeit noch Energie um solch wichtigen Dinge für sich selbst zu erarbeiten, daher zum Schluss nochmals meine Bitte: einfache Sprache.
Viel Erfolg