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Brigitte Unger über Makroökonomie und Postdemokratie

Brigitte Unger vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung erläutert in einem kompakten Vortrag (26min) jene wirtschaftlichen und wirtschaftspolitischen Entwicklungen, die enorme Auswirkungen auf die demokratischen Bedingungen im Großen, sowie die persönlichen Lebensverhältnisse im Kleinen haben:

Hat Wirtschaftspolitik noch eine Chance gegen Krisenursachen und Krisenfolgen? [1]

Zu den von Frau Unger dargestellten Zusammenhängen gibt es mittlerweile eine unsagbare Anzahl von Untersuchungen und Analysen, nicht nur aus dem linken Spektrum heraus, sondern ebenso aus den Reihen internationaler Organisationen wie der UN oder gar vom IWF, der nun wirklich nicht unter Verdacht steht, linke Ideen zu verfolgen. An den Entwicklungen und ihren (teilweise) offenkundigen Ursachen, lässt sich einfach nicht mehr vorbeischauen. Wer nun allerdings in den medialen Mainstream hineinhorcht, in der bürgerlichen Mittelschicht unterwegs ist oder das tagesaktuelle politische Geschehen verfolgt, stellt schnell fest, dass der von Frau Unger angesprochene Rahmen offenbar nicht zur reflektierten Lebensrealität der meisten Menschen hierzulande gehört. Viele merken natürlich, dass in der Finanzkrise etwas Ungeheuerliches geschehen ist, alle wissen um Altersarmut, prekäre Beschäftigung, Finanzmarktverbrechen, Arbeitsverdichtung, staatliche Unterfinanzierung und ebenso um den überbordenden Reichtum der relativ Wenigen, doch fehlt es ihnen für diese Inhalte an einem analytischen Gesamtrahmen, der zahlreiche Oberflächenerscheinungen auf einige wesentliche Ursachen zurückzuführen vermochte. Die große Kunst des Neoliberalismus besteht darin, eine entpolitisierte Welt zu konstruieren, in der hegemoniale Interessen, Machteliten, Klassenkämpfe, demokratische Spielräume etc. entweder ausgeblendet werden (siehe etwa hier [2]) oder eben als “altmodisches Denken” auf explizite oder implizite Weise diffamiert werden. Die Mainstreammedien tragen nachwievor recht erheblich dazu bei, mit ihren fragmentierten Analysen (siehe z.B. hier [3]) eine derartig politisch-historisch rahmenlose, ins Kleinanalytische verwiesene Wahrnehmungswelt der Menschen aufrecht zu erhalten.

(Anmerkung: Über das deutsche Wirtschaftsmodell galoppiert Frau Unger recht schnell hinweg und lässt somit nicht ganz deutlich werden, warum das Land so scheinbar gut über die Krise kam. Ich vermute, hier kommt zum Ausdruck, dass das WSI eben “gewerkschaftsnahe” ist und der DGB als besonders einflussreiches Mitglied die IG-Metall in ihren Reihen hat, in dessen oberen Etagen man mit einer Kritik an den perversen deutschen Exportüberschüssen ungern anecken möchte.)