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Machen Sie linke Politik, Herr Giegold!

Sven Giegold hat in der “Zeit” unter dem Titel “Machen Sie linke Politik, Frau Wagenknecht!” Sahra Wagenknechts Haltung zum Euro kritisiert und mit der Haltung von Rechtspopulisten verglichen. Hat sich einer der wenigen Hoffnungsträger der Grünen in die Kampagne der “Zeit” einspannen lassen? Steht der Gegner der Grünen im Europawahlkampf links?

Offener Brief

Lieber Herr Giegold,

ich glaube es wäre hilfreich gewesen, die Ebene Kritik an der Analyse der Eurokrise und Kritik an der politischen Strategie von Frau Wagenknecht strikter auseinander zu halten. Was die Analyse der Eurokrise betrifft, muss man feststellen, dass Frau Wagenknecht die neoliberale Politik für die Krise verantwortlich macht und nicht den Euro. Die Prämisse unter der Frau Wagenknecht eine Debatte um den Euro verlangt, ist doch, dass sie an den Zusammenbruch des Euros (mit sicherlich dramatischen folgen) glaubt. Sollte so etwas eintreten, dann müsste man auch klar feststellen, dass dies durch die Weigerung der Regierung, das deutsche Lohndumping zu beenden, bzw. durch die Agenda-Politik von Rot-Grün-Schwarz-Gelb verursacht wurde. Eine Sorge um den Euro scheint ja nicht ganz unberechtigt zu sein, da nun selbst Frankreich (die Eurozone besteht nicht nur aus Südeuropa) durch die deutsche Wettbewerbsverzerrung soweit in Schwierigkeiten geraten ist, dass eine Marktradikalisierung (insb. „Arbeitsmarkt“) Frankreichs offenbar im Gange ist. Dies könnte die Eurozone selbstverständlich in eine Deflationskrise stürzen und den Euro destabilisieren.

In Bezug auf die politische Strategie werfen Sie Wagenknecht vor, in Sachen Euro der AfD hinterher zu laufen. Dieser Vorwurf ist etwas merkwürdig, da die Eurodebatte in DIE LINKE schon vor der AfD begonnen hatte und Frau Wagenknecht in der Regel nur über den Euro redet, wenn sie danach gefragt wird. Ist es nicht die AfD, die versucht links zu klingen, indem sie „das Leid der Griechen“1  thematisiert macht oder Attac-Mottos wie „Gelder in Investitionen statt Banken“ plakatiert (S-H), eine Forderung die der marktradikalen, neoliberalen Haltung der AfD schließlich völlig widerspricht?

Die Befragungstechniken von Spiegel (Zeit) bis Lanz zeigen doch, dass es gerade die Medien sind, die mit ihrer Euro-Ja/Nein-Simplifizierung, ohne den geringsten Zweifel an der deutschen Politik, das Tor nach rechts öffnen.

Da sich auch der Großteil der Grünen weigert, die hohe Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands öffentlich als Problem zu benennen und ihre Reduzierung (z.B. massive Lohnerhöhungen) zu fordern, behindert sie den Aufbau einer Gegenöffentlichkeit. Offenbar will sie es sich nicht mit Konservativen (Menschen und Parteien) verscherzen, die ein Fleißgefälle zwischen Deutschland und dem Rest als Ursache herbei phantasieren! Auch deshalb konnte den Rechtspopulisten bisher die nationalchauvinistische Nahrung nicht entzogen werden. Auch die langjährige neoliberale Öffentlichkeitsarbeit der Grünen (als Agenda-Partei) hat dazu beigetragen, die Gesellschaft und die Medien mit ihr (und sich selbst mit den Medien) so zu verändern, dass die breite Öffentlichkeit die deutsche Politik als alternativlos oder Kritiker dieser als linke Nörgler begreift und gegenüber komplexeren Analysegedanken immunisiert wurde. Als viele deutsche Politiker (auch Grüne) in den Medien versuchten, die Wahlen in Griechenland in Richtung Regierungsparteien zu beeinflussen, wurde die internationale Dimension von einseitiger Berichterstattung deutlich. Selbiges gilt für die außenpolitischen Entgleisungen in Frankreich. Für die Grünen ergab sich ein Propagandahöhepunkt als man die Anwesenheit des linken Euro-Befürworters Alexis Tsipras beim Umfairteilen-Aktionstag in HH, aufgrund seiner angeblichen antieuropäischen Bestrebungen, boykottierte. Ist die „Kritik“ an der Euro-Kritik also nur eine gewählte Methode zur Diffamierung von Linken als antieuropäisch, um echte Alternativen zu bekämpfen?

Diese Zeilen sollen nicht das Motto „kehre zuerst vor deiner eigenen Tür“ repräsentieren, sondern aufzeigen, dass politische Forderungen/Meinungen stark von vergangenen politischen Entscheidungen und Meinungsäußerungen anderer öffentlicher Personen, Politiker und Parteien gebahnt werden können.

Bleiben besagte Personen unbelehrbar, so könnte es tatsächlich zu einer wirtschaftlichen Depression mit Währungscrash kommen, nach der im Nachhinein eine geordnetere EU-Transformation nicht mehr so falsch klingt.

Machen Sie linke Politik, Herr Giegold! Überzeugen sie Ihre Parteikollegen von der Krisenverantwortung und Schädlichkeit der deutschen Politik (langjährige Lohnzurückhaltung und Austeritätszwang), kämpfen sie mit diesen für eine andere Politik und machen sie damit die Euro-Debatte überflüssig.

  1. Plakat-Text in S-H: “Die Griechen leiden. Die Deutschen zahlen. Die Banken kassieren.” []

Johannes Stremme

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