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Denkanstoß zur Sendung Maybrit Illner “Wer rettet den Steuerzahler?”

Zwar waren mit Sarah Wagenknecht und Dirk Müller auch deutliche Abweichler von der aktuell herschenden Wirtschaftsideologie in der Sendung anzutreffen, doch erhielt die abenteuerliche Geschichte von der staatlichen Hauptschuld am Finanzmarktchaos, vertreten durch andere Gäste, nachwievor genügend Raum, um dem Publikum die Interpretationsschablone des neoliberalen Irrglaubens aufzuprägen.

“Sehr geehrte Redaktion Maybrit Illner,

ich habe Ihre Sendung vom 13.10. verfolgt und möchte Sie dazu ermuntern, einmal etwas Distanz zum Finanzmarktgeschehen einzunehmen, um hierdurch vielleicht eine neue Analyseebene zu gewinnen. In aller Kürze:
– Staaten retten Banken
– Staaten refinanzieren sich wieder bei Banken (und dem übrigen Finanzmarkt)
– Banken (und übriger Finanzmarkt) verlangt nicht zu leistende Risikoaufschläge für Staaten
– “stärkere” Staaten retten “schwächere”
– “stäkere” Staaten sollen wiederum Banken retten

Merken Sie, welch ein Verschuldungs-Ping-Pong hier stattfindet? Gibt es eigentlich nur noch Schulden auf der Welt?

1. Wir haben durchschnittlich ein europa- und weltweites reales Wirtschaftswachstum (= die Gesamtheit der Waren und Dienstleistungen wurde immer mehr)
2. Auch das Geldvermögen wurde immer mehr.
3. Irgendwie wird aber auch die Verschuldung immer mehr: Banken, Staaten, Bevölkerungsmehrheiten (Stichwort: Sparen, Gürtel enger schnallen)

Wo steckt eigentlich dieses zusätzliche Geld, wenn weder Staaten, noch Banken, noch die Mehrheit der Bevölkerung es haben?

Wissen Sie nicht, dass jeder Verbindlichkeit zugleich eine Forderung gegenübersteht, bzw. dass exakt so viele Schulden wie Geldvermögen existieren? (Es handelt sich nämlich per Konstrution um zwei Seiten derselben Medaille). Innerhalb einer Bankbilanz wird es offensichtlich, doch mit der weltweiten Bilanz verhält es sich nicht anders.

Fragen Sie sich nun noch, welche Funktion die Subprime Kredite für das amerikanische Wirtschaftswachstum hatten. Fragen Sie sich, wie eigentlich dauerhafte deutsche Exportüberschüsse finanziert werden und welche Auswirkungen sie auf das Ausland haben. Fragen sie sich, woher Wachstumsimpulse für Deutschland kommen sollen, wenn alle Welt spart und woher die Wachstumsimpulse für das Ausland kommen sollen, mit denen es selbigem dann erst gelingen könnte, aus der Verschuldung herauszukommen. (Verschuldung gegenüber wem eigentlich? Eines kann man zumindest hierzulande feststellen, die Mehrheit der Bevölkerung verfügt über fast kein Vermögen. Wohlgemerkt: die Mehrheit).

Sollten Sie (als Leser oder Leserin) ein Muster in diesen Mosaikaussagen erkennen, möchte ich Sie ermuntern, sich auch einer jener Occupy-Bewegungen am 15. Oktober anzuschließen. Ich schätze, dass Sie nicht zu den wirklichen Profiteuren eines Systems gehören, das sich auch hierzulande nicht einmal mehr an die Grundsätze eines Ludwig Erhards hält, Zitat:

>>… So wollte ich jeden Zweifel beseitigt wissen, daß ich die Verwirklichung einer Wirtschaftsverfassung anstrebe, die immer weitere und breitere Schichten unseres Volkes zu Wohlstand zu führen vermag. Am Ausgangspunkt stand da der Wunsch, über eine breitgeschichtete Massenkaufkraft die alte konservative soziale Struktur endgültig zu überwinden. Diese überkommene Hierarchie war auf der einen Seite durch eine dünne Oberschicht, welche sich jeden Konsum leisten konnte, wie andererseits durch eine quantitativ sehr breite Unterschicht mit unzureichender Kaufkraft gekennzeichnet. Die Neugestaltung unserer Wirtschaftsordnung mußte also die Voraussetzung dafür schaffen, daß dieser einer fortschrittlichen Entwicklung entgegenstehende Zustand und damit zugleich auch endlich das Ressentiment zwischen »arm« und »reich« überwunden werden konnten. Ich habe keinerlei Anlaß, weder die materielle noch die sittliche Grundlage meiner Bemühungen mittlerweile zu verleugnen. Sie bestimmt heute wie damals mein Denken und Handeln.<< (Wohlstand für Alle)

(Stichwort hierzu: Umverteilung von unten nach oben, Privatisierung der Gewinne (und Rente und Infrastruktur), Sozialisierung der Schulden, Lohndumping, Verlängerung von wöchentlicher Arbeitszeit und Lebensarbeitszeit trotz hoher Arbeitslosigkeit, signifikante Zunahme von Millionären und Milliardären, zugleich Abnahme des durchschnittlichen Reallohns (2000-2009 um 4,5%) trotz Wirtschaftswachstum.)

Mit freundlichen Grüßen,
Jascha Jaworski”