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Fortsetzung zum ZAPP-Beitrag vom 14. Mai – Daniel Bröckerhoff bezieht Stellung

Am 19. Mai hatte ich Kritik an einem Beitrag der Sendung ZAPP vom 14.5. [1] geübt, in der Daniel Bröckerhoff einen Beitrag aus der Sendung “Die Anstalt” aufgriff, in dem diese auf die Mitgliedschaft u.a. führender Redakteure deutscher Leitmedien (FAZ, SZ, Die Zeit, Die Welt) einging. Meinem Eindruck nach war der ZAPP-Beitrag auf relativ plumpe Weise darauf ausgelegt, eine kritische Auseinandersetzung mit dem bedeutsamen Thema in eine bestimmte Richtung zu lenken. Wer sich noch einmal informieren möchte, sei auf meinen Artikel verwiesen:

“ZAPP-Video bemüht sich im jugendlichen Style um Deutungshoheit in Sachen Alpha-Journalismus” [2]

Da Herr Bröckerhoff meinen Artikel kommentierte (leider zunächst von mir unbemerkt, da der Spam-Filter ansprang, wofür ich mich entschuldige!) und da er uns außerdem auf seine Stellungnahme zur Kritik an seinem Beitrag hinwies, wollen wir seiner Position natürlich Raum verschaffen.

Hier erst einmal der Kommentar, den er bei uns bereits am 19.5. hinterließ, der jedoch leider zunächst im Spam-Filter gelandet war:

“Hallo Herr Jaworski,

ich hatte schon eine längere Antwort formuliert, aber dann ist mein Browser samt Text leider abgestürzt. Hier nochmal eine Kurzfassung: Danke, für die Auseinandersetzung mit meine Beitrag, die Form war tatsächlich “bemüht”, denn ich habe mir Mühe gegeben, etwas anderes auszuprobieren. Da der Film als subjektiver Kommentar angelegt ist, ist es ganz klar, dass er Interpretationsmuster liefert, an objektiven Journalismus glaube ich sowieso nicht. Zapp-Filme sind außerdem oft sehr haltungs- und meinungsstark, das ist Ihnen vielleicht schon einmal aufgefallen, wenn Sie die Sendung regelmäßig schauen.

Wir haben außerdem mit Herrn Krüger schon vor einiger Zeit ein längeres Interview geführt, er kommt in diesem Beitrag zu Wort: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/zapp7203.html

Ich hab gerade mit ihm nochmals über meinen Beitrag telefoniert und werde darüber und über all die anderen Fragen, die an mich erfreulichweise gerichtet wurden nochmals einen längere Artikel im Zapp-Blog schreiben. Ich lasse Ihnen gerne hier den Link zukommen.

Beste Grüße, Daniel Bröckerhoff”

Und hier der von ihm angekündigte längere Beitrag im ZAPP-Blog (vom 22.5.), den ich zu lesen natürlich ausdrücklich empfehle, da meine nachfolgende Darstellung auch daran anknüpfen wird:

“Warum ich Ken Jebsen eine Vollhupe nenne und andere Antworten” [3]

Zunächst möchte ich auf die Erläuterung von Herrn Bröckerhoff eingehen, dass der Film als “subjektiver Kommentar” angelegt war und es ganz klar sei, dass er Interpretationsmuster liefere. Ich will gar nicht bestreiten, dass Interpretationsmuster in diesem Beitragsformat nichts zu suchen hätten. Mir geht es jedoch u.a. um die Art und Weise, wie die Interpretationsmuster erzeugt werden und welchen Einfluss sie somit auf das Denken ausüben, ob sie z.B. kritisches Denken eher befördern, indem sie eine Interpretation basierend auf den Befunden zum Thema anbieten oder ob sie hingegen wichtige Befunde ausblenden, verkürzen und durch die Präsentationsform vom eigentlichen Thema ablenken. Und für letzteren Eindruck gibt es im genannten ZAPP-Beitrag meiner Ansicht nach sehr krasse Beispiele. Eines möchte ich hier noch einmal herausgreifen:

In Minute 2:19 des ZAPP-Beitrags von Herrn Bröckerhoff [3] äußert sich der interviewte Stefan Kornelius, der als Außenressortleiter der SZ in einer ganzen Reihe von US- oder NATO-affinen Think Tanks [4] unterwegs ist, in Bezug auf die Studie von Uwe Krüger dahingehend, dass er die These von Herrn Krüger für “wahnsinnig gewagt” halte, durch die “Nähe” zu besagten Institutionen entstehe eine inhaltliche Affinität. Herr Kornelius platziert dann eine geradezu propagandistische Behauptung über Herrn Krüger:

“[…] Er beansprucht quasi in unsere Hirne reinzukriechen und zu sagen: ja, nur weil wir da Mitlgied sind, beten wir das wieder, was die sagen.”

Wie greift nun Herr Bröckerhoff diese reißerische und absolut schiefe Behauptung auf? Er führt aus:

“Ok, das ist vielleicht ‘ne steile These, die hier drin steht, aber das Ding ist, sie ist da draußen, und sie scheint manchen Leuten plausibel.”

Anschließend pointiert Herr Bröckerhoff dieses Stück manipulativer Arbeitsteilung dann noch dadurch, dass er mit Kapuze über den Kopf seine Stimme auf eine Weise verstellt, die in den Zuschauer*innen wahrscheinlich eine Art Assoziation mit der Figur eines verrückten Zwergs auslösen soll. Diese kreierte Figur läßt er, während sie sich die Forschungsarbeit von Herrn Krüger vor Augen hält, sodann sagen:

“Ha, wusst ich doch, ha, wie korrupt und verschworen, hahaha.”

Auf welche Weise wird hier also ein Kritik umlenkendes Interpretationsmuster gesetzt? Zunächst stellt Herr Kornelius eine falsche Behauptung über den Urheber der Studie, Uwe Krüger, in den Raum. Dann baut Herr Bröckerhoff auf der hanebüchenen Unterstellung auf, indem er sie dank Widerspruchslosigkeit quasi als angemessen darstellt, um auf dieser Grundlage dann darauf hinzuweisen, wie problematisch so etwas doch ist, da es “da draußen” manchen Menschen “plausibel” scheine. Anschließend wird der Gefahr noch Nachdruck verliehen, indem der o.g. klandestine Verschwörungskasper gemimt wird.

Lieber Herr Bröckerhoff, meinen Sie wirklich, dass die Thesen in der Studie den Menschen “da draußen” etwa nicht zunächst “plausibel” erscheinen können sollten? Das würde mich doch arg irritieren. Da fertigt Herr Krüger über einen langen Zeitraum eine wissenschaftliche Arbeit an, die zudem eine erfolgreiche Dissertation ist und Sie wischen diesen Umstand mit dem ZAPP-Beitrag durch Propaganda von Kornelius und anschließende Verlächerlichung, die auf Falschdarstellungen operiert (“in unsere Hirne reinzukriechen”), in seinen Wesentlichkeiten beiseite. Das ist – höflich gesagt – unredlich. “Subjektive Kommentare” sind sicherlich das eine, kritikbetäubende Zerrdarstellungen jedoch etwas ganz anderes, besonders wenn es sich um ein Thema handelt, das bislang in den Medien selbst kaum aufgegriffen wurde, jedoch offenkundig von hoher Relevanz und hohem Interesse ist.

Um noch einmal darzustellen, worum es in der Studie von Herrn Krüger geht, verweise ich auf die Kurzbeschreibung seines Buchs:

Die Interaktionen zwischen Journalisten und Eliten wurden bislang meist vor systemtheoretischem Hintergrund und durch Befragung von Akteuren erforscht, wobei die Ergebnisse anonymisiert wurden. Diese Arbeit wählt theoretisch und methodisch einen anderen Ansatz, um Eliten-Einflüsse auf journalistische Inhalte zu lokalisieren.

Es wird ein theoretisches Modell entwickelt, das Medienverhalten mit Hilfe von Pressure Groups und sozialen Netzwerken erklärt und das vorhersagt, dass Leitmedien mehr oder weniger den laufenden Diskurs der Eliten reflektieren, aber dessen Grenzen nicht überschreiten und dessen Prämissen nicht kritisch hinterfragen.

Im empirischen Teil fokussiert eine Netzwerkanalyse zunächst die soziale Umgebung von 219 leitenden Redakteuren deutscher Leitmedien. Jeder Dritte unterhielt informelle Kontakte mit Politik- und Wirtschaftseliten; bei vier Außenpolitik-Journalisten von FAZ, Süddeutsche Zeitung, Die Welt und Die Zeit finden sich dichte Netzwerke im US- und NATO-affinen Elitenmilieu.

Eine anschließende Frame-Analyse fragt, inwieweit der Output dieser vier Journalisten in den umstrittenen Fragen der Definition von Sicherheit (>>erweiterter Sicherheitsbegriff<<) und Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr auf der Linie der ermittelten Bezugsgruppen liegt. Abschließend werden die Berichte über die Münchner Sicherheitskonferenz und deren Gegner in fünf Tageszeitungen inhaltsanalytisch untersucht. Sie kommt zu dem Schluss, dass die Eliten-nahen Leitmedien FAZ, Welt und Süddeutsche den auf der Sicherheitskonferenz laufenden Elitendiskurs ausführlich abbilden, dabei aber die Proteste und die Gegenveranstaltung >>Münchner Friedenskonferenz<< marginalisieren und delegitimieren.”

(Quelle: Institut für Praktische Journalismus- und Kommunikationsforschung [5], 25.4.2013)

 

Nun kann man darauf verweisen, dass ZAPP Herrn Krüger bereits in einer März-Sendung über die Berichterstattung in Sachen Ukraine zu Wort kommen ließ, wie Herr Bröckerhoff es in seinem Blog-Beitrag [3] tut. Das ändert jedoch nichts an der systematisch verzerrenden (und zwar Befunde, nicht Interpretationen!) Darstellung im ZAPP-Video von Herrn Bröckerhoff. Wer nur dieses gesehen hat, wurde eben auf das Gleis gesetzt, dass die Schlussfolgerungen und Hypothesen der Forschungsarbeit von Herrn Krüger “da draußen” am Ende womöglich noch “plausibel” erscheinen. Genau das wäre doch aber eigentlich wünschenswert oder nicht? Zumindest sollten sie nicht unplausibel sein, denn woher soll ansonsten die Motivation für eine weitere Auseinandersetzung mit dem Thema kommen? Dies war ja auch ein Hauptpunkt meiner Kritik vom 19.5. [2], die Darstellungsweise lenkt aufkommendes kritisches Potential um, indem Herr Jebsen kurz hervorgezogen wird, um mit verulkendem Verweis auf seine Wortradikalität deutlich zu machen, was die eigentliche Gefahr ist. Nicht etwa Spitzenjournalisten in elitären, transatlantischen Netzwerken, sondern die, wie Herr Bröckerhoff im Beitrag flappste “Spakken”, die dann jedoch nicht genauer definiert werden. Auf diese Weise suggeriert der Beitrag, dass Kritik und Hinterfragen grundsätzlicher Art des Mediensystems von vornherein in die Ecke von “Verschwörungstheorien”1 [6]  gehört, denen man keinerlei Beachtung schenken sollte.

Ich bestreite nicht, dass es viele Menschen gibt, die sich bei genauerer Betrachtung die Dinge zu einfach machen, leichtfertig Gerüchte verbreiten, mit reinen Behauptungen arbeiten, diese im Brustton der Wahrheit verkünden und dabei auch noch auf hetzerische Formulierungen und reaktionäre Inhalte zurückgreifen, die eine sinnvolle Debatte erschweren bis stellenweise verunmöglichen. Ich prangere jedoch an, wenn der Umstand, dass so etwas existiert (und womöglich einen bedauerlichen Aufschwung erlebt), hergenommen wird, um grundlegendere Zweifel auszuschalten und sich mit Argumenten und Analysen nicht mehr genauer auseinandersetzen zu müssen. Herr Krüger weckt mit seiner Studie grundlegende Zweifel an der Ausgeglichenheit zentraler Teile der Medien und belegt dies mit empirischen Befunden, die er im Rahmen von Theorien betrachtet. Wer diesen Umstand durch den Einwurf von radikalen Statements Dritter (Jebsen), sowie durch eigene diskreditierende Darstellungen überdecken will, leistet eine zweifelhafte journalistische Arbeit.

Herr Bröckerhoff verhält sich meinem Eindruck nach auch selbst inkonsistent, wenn er im ZAPP-Blog einige Tage nach Ausstrahlung der Sendung schreibt:

“Was Jebsen hier verschweigt: Krüger kommt in der Studie zu dem Schluss, dass bei den untersuchten Journalisten zwischen der Mitgliedschaft in transatlantischen Vereinigungen und den vertretenen Meinungen kein einfacher Zusammenhang nachgewiesen werden kann.”

Herr Krüger argumentiert also offenbar tatsächlich nicht so schlicht, wie es im ZAPP-Beitrag durch Herrn Kornelius behauptet und von Herrn Bröckerhoff selbst (u.a. durch Widerspruchslosigkeit) transportiert wird.2 [7] Dass der Zusammenhang jedoch nicht einfach und nicht einfach zu ergründen ist, sollte nicht mit der Schlussfolgerung verwechselt werden, dass der Zusammenhang hierdurch quasi von vornherein nicht weiter Ernst zu nehmen ist, weil es sich eben “irgendwie so anfühlt” und dem bisherigen Weltbild widersprechen würde.

Herr Bröckerhoff beschreibt im Blog auch selbst, welche Schwierigkeiten im Journalismus bestehen:

Es ist für mich als Journalist aber völlig unmöglich, ein objektiver Beobachter zu sein. Die Masse an verfügbaren Fakten, Perspektiven, Meinungen und Deutung ist schlichtweg zu groß. Um ein angenehm zu konsumierendes Stück Journalismus zu schaffen, muss ich filtern. Wie ich die Informationen filtere ist schon sehr subjektiv und wird von meiner Sozialisation, meinen Einstellungen und meinen Erfahrungen mitbestimmt.”

Gerade in diesem Umstand besteht jedoch eine meiner Ansicht nach erneute Inkonsistenz zum ZAPP-Beitrag, welcher die nahe liegende Beeinflussung von Journalisten durch deren Mitgliedschaft in transatlantischen Think Tanks u.a. dank der Worte von Herrn Kornelius ja gerade stark in Zweifel zieht und von Herrn Bröckerhoff ja mit den Worten “ok, das ist vielleicht ‘ne steile These, die hier drin steht, aber das Ding ist […] sie erscheint manchen Leuten plausibel”, quittiert wird. (Das Problem ist natürlich, wie oben ausgeführt, dass diese These dort gar nicht drin steht, sondern manipulatives Element von Herrn Kornelius ist).

Insgesamt kommt hier ein großer Widerspruch zwischen der Rolle von Herrn Bröckerhoff im ZAPP-Beitrag und seinen Ausführungen im Blog auf, dort heißt es:

“Soweit ich die Studie in Auszügen gelesen habe, hat Herr Krüger allgemein gültige wissenschaftliche Methoden verwendet und kommt zu Schlussfolgerungen, die ich aus meiner Erfahrung so teilen würde.”

Herr Bröckerhoff beschreibt dann noch die Diskussion in der Redaktion als einen Mechanismus, der Einseitigkeit entgegenwirken soll. So etwas sollte man mitbedenken, doch rechtfertigt es nicht, dass die Hypothesen der Studie von Herrn Krüger den Leuten nicht plausibel erscheinen sollten, besonders da der Sprecher sie ja an anderer Stelle aus eigener “Erfahrung so teilen würde”.

Die im Kommentar von Herrn Bröckerhoff an uns genannte Position, dass er nicht an “objektiven Journalismus” glaubt, mag ich wiederum gern teilen. Die Frage ist jedoch, was mit dem Begriff “objektiv” genau gemeint ist, und welche Schlussfolgerungen sich daraus ziehen lassen. Natürlich kann ein Journalist nicht die Außenperspektive einnehmen, sondern ist stets an seine Subjektivität mit einem teils explizit, teils impliziten Weltbild, sowie zahlreichen Wertvorstellungen und Überzeugungen gebunden. Gerade diese Feststellung lässt doch aber dafür argumentieren, dass die Mitgliedschaft in zahlreichen einschlägigen Think Tanks eine höchst problematische Angelegenheit ist (gerade wenn sie in so konzertierter Form [4] gegeben ist), da sich das Umfeld eben auf die zwangsläufige Subjektivität auswirkt. Experimentelle Studien und somit Kausalschlüsse, die keine Zweifel mehr über den genauen Wirkzusammenhang und sein Ausmaß der Beeinflussungsgefahr lassen, sind hierbei dem Gegenstandsbereich gemäß nicht möglich. Wir haben es jedoch beim Thema Medienpluralität, Meinungsmacht und Mechanismen der Homogenisierung mit keinem Umstand zu tun, der sich quasi von vornherein vom Tisch fegen lässt, da einfach nicht sein könne, was nicht sein darf. Und gerade die letzten Monate, mit den zahlreichen Merkwürdigkeiten im Verhalten der Mainstreammedien sollten die betroffenen Medienschaffenden hier doch zu wesentlich intensiverer – und zugleich grundlegender – Selbstreflexion veranlassen. Ein bloßes Herumkritteln an “mangelnder Transparenz” genügt da nicht.

Wer noch einmal ein paar Befunde zu dem zu Erklärenden im Allgemeinen (gemeint ist Medienverhalten, das systematisch verzerrt, z.B. im Umgang mit Befunden ist) einsehen möchte, sei etwa auf folgende Quellen verwiesen:

“Die nützliche Erfindung der >>Pro-Russen<<“ [8] (Stefan Korinth auf Telepolis, der die einseitige Berichterstattung in Sachen Ukraine streckenweise akribisch dokumentiert hat, 16.5.2014)

“Darf man von Gleichschaltung der Medien sprechen? Und davon, dass die Demokratie höchst gefährdet ist?” [9] (Albrecht Müller führt auf den NachDenkSeiten zahlreiche gut dokumentierte Beispiele von extrem unausgewogener Medienberichterstattung und Interessensverflechtungen auf, die sich auf sehr grundlegende gesellschaftliche Bereiche beziehen)

Auf Maskenfall haben wir uns bisher schwerpunktmäßig mit ökonomischen Themen beschäftigt und mussten immer wieder erstaunt feststellen, wie unheilvoll einseitig und häufig enggeführt die Medienberichterstattung hier ist. Da die meisten Menschen jedoch mit Makroökonomie nicht viel anzufangen wissen, da ihnen auch die Zeit zur Auseinandersetzung fehlt, ist es auf diesem Feld wohl schwieriger die Unausgeglichenheit zur Kenntnis zu nehmen. Die Ukraine-Krise dürfte jedoch ein Themenfeld sein, mit dem viele Menschen wesentlich mehr anfangen können, weshalb ja nun auch ein Riss zwischen Mainstreammedien und weiten Bevölkerungsteilen zu Tage tritt. All diese Befunde sollte man zur Kenntnis nehmen und darüber nachdenken, um offen der Fragestellung nachzugehen, inwiefern ein Mediensystem sehr verengte Weltbilder (z.B. im historischen Vergleich oder im Vergleich zu anderen Ländern) transportieren kann, obwohl es sich doch um kein diktatorisches System mit zentraler Zensur handelt.

Hier gibt es schöne und plausible Mechanismen, über die nachzudenken, sich alle Male lohnt. Eine kritische Haltung läuft nicht nur darauf hinaus, dass man Kritik an etwas übt, sondern, dass man zugleich seinen Bewertungsrahmen und seine bisherigen stillschweigenden Annahmen hervorzuarbeiten und zu hinterfragen sucht, egal wie vertraut sie sich auch anfühlen mögen.

Einige schöne Quellen zu Erklärungsansätzen, was die Möglichkeit von einseitiger bis tiefgreifend verzerrter Nachrichtenerzeugung anbelangt, siehe z.B.:

“A Propaganda Model” [10] (Herman & Chomsky (1988), ab S.257; Die Autoren gehen auf ein Modell von fünf “Filtern” ein, die im Nachrichtenentstehungsprozess der USA zur Anwendung kommen und für eine Varianzeinschränkung in wesentlichen Fragen der öffentlichen Meinungsbildung sorgen dürften. Die Methode, die Herman und Chomsky zur empirischen Rechtfertigung verwendet haben, liefert überdies einen reichen Fundus für einseitige Berichterstattung. Wenngleich durch die öffentlich-rechtlichern Medien in Deutschland gewisse der genannten Filter ausfallen oder abgeschwächt sind, liefert das Modell doch starke Anregungen dafür, wie Einseitigkeit in einem formal pluralen System zustande kommen kann.)

Des Weiteren:

“Plebejer müssen draußen bleiben” [11] (Telepolis vom 21.3.2012 über eine Forschungsarbeit zur Journalistenauslese)

Am konkresten zum Thema sei jedoch erneut auf die Studie von Uwe Krüger verwiesen:

“Meinungsmacht – Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse” [12]

Wir ermuntern Herrn Bröckerhoff weiterhin dazu, am Themenfeld dran zu bleiben und doch einmal ein ausgiebigeres Format zum Themenfeld rund um Medienpluralität, Meinungsmacht und Think Tank Mitgliedschaft von Journalist*innen anzufertigen, in dem sich z.B. Uwe Krüger mit Fragen des Publikums auseinandersetzen könnte (so er hierzu denn Interesse hätte). Als weiteren Fachkundigen zum Thema Medienkritik können wir zudem auf Albrecht Müller verweisen, dessen NDS-Artikel wir oben verlinkt haben und der mehrere Bücher zum Thema verfasst hat und selbst als Politiker jahrzehntelang das Feld der öffentlichen Meinungsbildung miterlebt hat. Kritische Berichterstattung macht sich nicht an Gefühlen, sondern an Argumenten fest, wenngleich Gefühle Argumenten im Weg stehen können.

 

  1. Zur problematischen Anwendung des Begriffs “Verschwörungstheorie” siehe Husting & Orr (2007), “Dangerous Machinery: >>Conspiracy Theorist<< as a Transpersonal Strategy of Exclusion” [13] [ [14]]
  2. Der nicht einfache Zusammenhang bezieht sich hier übrigens auf die Kausalrichtung des Einflusses zwischen Journalismus und Elitennetzwerk. So kann man natürlich nicht einfach davon ausgehen, dass die transatlantischen Netzwerke ursächlich dafür sind, dass etwa Herr Kornelius und andere in den Leitmedien einschlägige Positionen vertreten (z.B. >>erweiterter Sicherheitsbegriff<<), die der Denkweise innerhalb dieser Think Tanks entsprechen. Es handelt sich nämlich um kein Experiment, das Kausalschlüsse zulässt, sondern um einen beobachteten Zusammenhang. Der Zusammenhang jedoch lässt sich beobachten, und müsste erklärt werden. Wobei zwei plausible Mechanismen natürlich sind, dass Journalisten, die eine entsprechende NATO-Affinität aufweisen, einerseits zwar eher diese Netzwerke aufsuchen, andererseits jedoch auch ihre bereits bestehenden Weltbilder hierbei noch einmal verstärkt werden. So zeigen Studien, dass Gefühle der Zugehörigkeit zu einer Informationsquelle unkritischer gegenüber ihren Informationen werden lassen (siehe z.B. Berinsky (2012), Rumors, truths, and reality: A study of political misinformation [15], für weitere Literatur zur gegenseitigen Verstärkung von Weltbild und Asymmetrie im Umgang mit Informationen siehe auch Lewandowsky et al. (2012), Misinformation and Its Correction: Continued Influence and Successful Debiasing [16](ab S. 118) ). Zwar handelt es sich bei den Versuchspersonen in derartigen Studien nicht um Journalisten, jedoch werden grundlegende kognitive Mechanismen beschrieben, von deren Konsequenzen diese Personengruppe trotz Expertise nicht frei sein dürfte. [ [17]]