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Maskenfall beglückwunscht László Andor zur Einsicht in Irrglaubenssystem!

Wir beglückwünschen den EU-Kommissar für Beschäftigung, Soziales und Integration, László Andor, dass er offenbar verstanden hat, dass die EU-Politik in Bezug auf Eurokrise und Kürzungsmaßnahmen in ihren Fundamenten auf einem desaströsen Irrglauben beruht. Nicht nur, dass er dies verstanden hat, er äußert seine Erkenntnisse auch noch öffentlich, wie Christoph Stein berichtet:

“>>Elend für Millionen von Menschen<<“ (Telepolisartikel vom 30.6.)

Lesenswert ist der Artikel von Herrn Stein auch deshalb, weil er aus Dokumenten rund um die Planung zur Gründung einer Währungsunion zitiert. Ersichtlich ist nicht nur, wie damals das gesamtwirtschaftliche Denken noch ein anderes – nämlich ein empirisch orientiertes war (und dies selbst bei der Bundesbank!) – sondern auch, mit welcher Inkompetenz man die Voraussetzungen für eine Währungsunion aus dem Blick verloren hat.

Dass Herr Andor offenbar erkannt hat, dass es derart ideologisch borniert nicht weitergehen kann, ohne dass die Eurozone zerfällt, wird höchste Zeit. Er sollte seine Kollegen und Kolleginnen auch daran erinnern, was der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des EU-Parlaments erst im Februar 2014 festgestellt hat, dass nämlich die Krisentroika gegen bestehendes Recht verstößt:

„[…] Außerdem hat die Troika Artikel 151 AEUV [Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, JJ] vollständig außer Acht gelassen, in dem festgelegt wird, dass die Handlungen der Union und der Mitgliedstaaten im Einklang stehen müssen mit den sozialen Grundrechten, die in der Europäischen Sozialcharta von 1961 (der die vier Länder mit makroökonomischem Anpassungsprogramm beigetreten sind) und der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer von 1989 sowie einigen der Kernübereinkommen der IAO, die von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet wurden, festgelegt sind.“

(Bericht über beschäftigungs- und sozialpolitische Aspekte der Rolle und der Tätigkeiten der Troika (EZB, Kommission und IWF) in Bezug auf Programmländer des Euro-Währungsgebiets, 21.2.2014)

Wer noch einmal einen kleinen Überblick dazu wünscht, wie die Krisenpolitik gewirkt hat und was ihr Kollateral”nutzen” (Stichwort: “silent revolution”) bei all dem ökonomischen, sozialen und gesundheitlichen Schaden ist, sei erneut auf folgenden Artikel verwiesen: “>>Die Mitte<< in der EU – ein gefährliches Ideologiekartell in der Krise (Teil 2)”

Jascha Jaworski

2 Kommentare

  1. Andor war mir schon in der Vergangenheit immer mal wieder durch richtige Äußerungen aufgefallen. Leider hat er in der Kommission nichts zu sagen, jedenfalls nicht zu den relevanten Themenbereichen.

  2. Kleiner Zusatz: Ich will Herrn Andor nicht in allen Punkten zustimmen. Dass er erkennt, dass Wettbewerbsfähigkeit ein relatives Konzept ist und Austeritätspolitik schädlich ist, halte ich für positiv. Ob man jedoch als beste Lösung hauptsächlich eine eurozonenweite Fiskalpolitik einführen sollte, daran würde ich zweifeln. Hier besteht das Problem, dass bestimmte Kräfte Bevölkerungen gegeneinander aufstacheln könnten (so wie es ja nachwievor sogar noch beim Länderfinanzausgleich möglich scheint). Es ist problematisch zu vermitteln, wenn besonders ArbeitnehmerInnen der unteren und mittleren Einkommen dazu gebracht werden, auf produktivitätsgekoppelte Löhne zu verzichten (während die Unternehmen explodierende Gewinne aufweisen), so dass ihre Volkswirtschaft schädliche Überschüsse erzielt, um dann diese Überschüsse über die Steuerebene an andere Länder zu verteilen. Auch für die Bevölkerungen in den Empfängerländern ist dies kein schönes Bild, hätten sie die Nachfrage, die über die Überschüsse entzogen wurde, ja auch selbst bedienen können, wenn das Überschussland sich nur an sein gesamtwirtschaftliches Inflationsziel gehalten hätte. Solch eine Situation über Steuern auszugleichen, lässt sich leider von rechts ausnutzen, um Stimmung zu machen. Was nicht heißen soll, dass man nicht zusätzlich einen fiskalischen Ausgleichsmechanismus vorhalten sollte (besonders für Problemsituationen), oder eben, um anderen Ländern ein schnelleres Angleichen ihrer Pro-Kopf-Einkommen zu ermöglichen. Stattdessen aber wurde beides versäumt. Kein fiskalisches Ausgleichssystem und ein Wettbewerb über den Lohn zwischen den Staaten, so dass insgesamt ein nicht funktionsfähiges Wirtschaftsgebilde entstand, in dem die Hauptverlierer auch noch mit zynischen Austeritätsdiktaten überzogen werden.

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