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Steinmeier vs. Milliardär Hanauer – der Geisterfahrer und sein ungehörter Mahner auf dem Highway des Kapitalismus

Anfang der 2000er Jahre gehörte es ja noch weitgehend zum “fabrizierten Konsens” (Chomsky) besonders hierzulande, dass Reiche sich ihren Reichtum größtenteils durch Leistung verdient hätten, dass der Sozialstaat ein ineffektives Unterfangen sei (Stichwort: “soziale Hängematte”) und dass Steuererhöhungen auf Kapital und Vermögen Arbeitsplätze kosteten. Mittlerweile lässt sich allerdings nicht mehr verschweigen, dass auch innerhalb der industrialisierten Länder der Welt erneut eine Ungleichheit zwischen Arm und Reich besteht, wie man sie zuletzt vor der 1929er Krise beobachten konnte, dass diese Ungleichheit von Jahr zu Jahr wächst und dass keine Trendwende in Sicht ist, wenn nicht entschieden eingegriffen wird, um über die Primärverteilung (Lohn vs. Gewinn) oder zumindest die Sekundärverteilung (Steuern) etwas zu ändern. Selbst etablierte Institutionen des neoliberalen Kapitalismus, wie etwa der IWF oder die OECD, haben dies teilweise erkannt und in ihren Analysen dargelegt. Die Geschichte vom Trickle-Down-Effekt (man stopfe die Reichen, und die Armen würden kräftig von den Resten profitieren) kann mittlerweile an jeder Ecke durch entsprechende Darstellungen als Märchen entlarvt werden. Der ganze Graben zwischen Arm und Reich und das System zu seiner Vertiefung hat sogar solche besorgniserregenden Maße angenommen, dass seit längerem auch manch Großkapitalist regelmäßige Warnungen an die politisch Verantwortlichen aussendet, wie dies etwa Multimilliardär Warren Buffett mit seiner berühmten Feststellung vom Klassenkampf der Reichen gegen die Armen, den die Klasse der Reichen eindeutig gewinne, es jedoch nicht sollte, bereits 2006 getan hat.

Kürzlich hatte sich auch noch Multimilliardär Nick Hanauer zu Wort gemeldet, um seinen reichen Kumpels mit ihren systemzerstörerischen Falscherzählungen die Leviten zu lesen (“Ich sehe Mistgabeln” [1]). Nun ist auch ein Kurzvideo von einem Vortrag an der TED University zu sehen, in dem er in wenigen Minuten noch einmal darauf verweist, wie Wirtschaften eigentlich funktioniert, dass es nämlich nicht die Unternehmer sind, die Arbeitsplätze schaffen, sondern die Beschäftigten selbst, da sie als Kunden jene Nachfrage erzeugen, die den Unternehmen erst die Möglichkeit eröffnet, Beschäftigung anzubieten:

(Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=bBx2Y5HhplI [2])

Wer nun meint, bei diesem Zusammenhang handelte es sich doch um eine Trivialität, der  oder die unterschätzt die ideologische Verblendung der Eliten nach mehreren Jahrzehnten Neoliberalismus. Natürlich, es ließe sich leicht aufzeigen, dass Steuersenkung und Lohndrückerei nicht etwa Arbeitsplätze schafft, wie man es den Leuten weiß machen will. Ein Vergleich zwischen Frankreich und Deutschland macht dies sehr schnell recht deutlich. Deutschland hat sich besonders im letzten Jahrzehnt ja durch umfassende gesamtwirtschaftliche Lohndrückerei [3] ausgezeichnet, so sehr wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Und es hat auch seine Steuern für Unternehmen und Reiche so stark gesenkt, wie nie zuvor. Doch was ist das Ergebnis? Die Unternehmen investieren so wenig wie nie zuvor:

Nettoanlageinvestitionen Privatsektor [4]

Man überlässt den Reichen also zusätzliches Geld, nimmt es primär (Lohn) und sekundär (Steuern, Stichwort: Mehrwertsteuererhöhung) den Beschäftigten, RentnerInnen und SozialgeldempfängerInnen und was passiert? Die Unternehmen investieren weniger in Anlagen und Maschinen als je zuvor. Warum sollten sie auch anderes tun? Es gibt ja keine zusätzliche Nachfrage [5], wenn sich die Beschäftigten durch finanzielle Verknappung die Güter, die sie selbst produziert haben, hinterher gar nicht mehr in dem Umfang leisten können, da man ihnen den Lohn gekürzt und auch dem Staat durch Steuersenkung eine zusätzliche Nachfrage untersagt hat.1 [6]

Diese Zusammenhänge sind eigentlich einfach, wo jedoch die Interessen groß und die finanzielle, somit also die politische Macht noch größer ist, da kann man sie getrost unter den Tisch fallen lassen und weitermachen wie bisher, ja sogar noch Wahlen gewinnen, trotz Plünderung der Mehrheit und sich das Label “Sozialdemokrat” anhängen, um dann stolz mit den Steuersenkungserfolgen und Sozialstaatszertrümmerungsprogrammen [7] zu prahlen, wie dies erst Steinmeier 2013 auf dem Deutschen Arbeitgebertag tat:

(Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=ZiH20g2vWF4 [8])

Die Sozialdemokraten haben sie verpasst, die Ausfahrt zur Realität und die wahlbefähigte Bevölkerung hierzulande leider mit ihnen. Vielleicht sollte Milliardär Hanauer auf Deutschland Tournee gehen. Die hunderttausenden Jubilierenden wie die deutsche Fußballnationalmannschaft wird er mit seinen Botschaften freilich nicht zusammenkriegen, doch bei seiner Thematik geht es ja auch um Wesentlichkeiten, und Wesentlichkeiten scheinen so gar nicht mehr im Trend zu liegen. Sehr Schade.

  1. Deutschland hat hierbei sogar noch die Möglichkeit durch Exportüberschüsse gehabt, die Nachfrage aus dem Ausland abzugreifen, doch auch dies konnte die mangelnde Nachfrage der Beschäftigten und staatliche Nachfrage nicht komplett ausgleichen, so dass es durch gut ausgelastete Kapazitäten zu umfassenden Nettoinvestitionen gekommen wäre. [ [9]]