Jüngst erdreistete sich Frankreichs Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg doch tatsächlich, die maßgeblich von der deutschen Regierung bestimmte Politik des europaweiten Aderlasses unter dem Motto: „Sparen, sparen, sparen!“ (richtigerweise muss es heißen: „Kürzen, kürzen, kürzen!“) deutlich zu kritisieren. Nun vermelden die Medien eine „Regierungskrise in Frankreich“. Präsident Hollande verlangt eine neue Regierung und Premierminister Valls springt herbei, sie ihm zu bilden.
Liegt Montebourg falsch mit seiner Kritik an der „destruktiven Ideologie“, wie er den (vornehmlich von deutscher Seite verordneten) Kürzungskurs bezeichnet?
Nö.
Fünf Bilder genügen, um Zusammenhänge zu veranschaulichen, die dies verdeutlichen. Mind. 90% auch (und besonders) der deutschen Bevölkerung werden derartige Zusammenhänge wohl aber niemals zu sehen bekommen.
Abbildung 1: Der Zeitraum nach Beginn der Finanzkrise unterteilt in zwei Phasen:
Phase 1: Griechenland macht den Vorreiter im Kürzen der Staatsausgaben (hier nur Soziales und Gehälter für den öffentlichen Dienst)
Phase 2: v. a. die südeuropäischen Länder werden dazu gebracht, Griechenland nachzuahmen (in reduzierter Dosierung)
Abbildung 2: Wer die Staatsausgaben kürzt, dem bricht die Wirtschaft ein…
(Anmerkung: Reihenfolge der Länder wie in Abb.1 beibehalten, so dass der Zusammenhang zur Kürzungspolitik erkennbar wird)
Abbildung 3: Wer kürzt und wem die Wirtschaft dadurch einbricht, dem explodiert die Arbeitslosigkeit…
Abbildung 4: Bei Wirtschaftsrückgang und erhöhter Arbeitslosigkeit lässt es sich nicht gut sparen…
(Anmerkung: Griechenlands leichter Schuldenrückgang ist keine Folge der Wirtschaftspolitik, sondern des Schuldenschnitts 2012)
Abbildung 5: Die sog. nominalen Lohnstückkosten, sie sind Ausdruck dafür, wie stark die Löhne am Erwirtschafteten beteiligt werden. Da ihre Steigerung maßgeblich bestimmt, ob das Inflationsziel eingehalten werden kann oder nicht, muss man sich nicht wundern, wenn die Eurozone jetzt in die Deflationsfalle gerät…
(Anmerkung: Sie hätten in dem 3-Jahres-Zeitraum um rund 6% steigen sollen, um die jährliche Inflationszielmarke von 1,9% einzuhalten)
Na gut, eine Grafik soll’s noch geben. Was ist jetzt nämlich das tolle Ergebnis der EU-weiten Kürzungspolitik, die nicht nur zu Wirtschaftsflaute, explodierter Massenarbeitslosigkeit und sozialem Kahlschlag geführt hat, sondern für deren Kritik auch Minister entlassen werden?…
Die Eurozone hat jetzt einen enormen sog. Leistungsbilanzüberschuss, d.h. dass sie gegenüber dem Rest der Welt wesentlich mehr Geld einnimmt als sie ausgibt. Das funktioniert eine zeitlang prima, wenn alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Lohn- und Lohnsteigerung verzichten (siehe Abb. 5). Das heißt aber auch, dass sich der Rest der Welt in der Eurozone verschuldet. Oder es heißt, dass nun in der Eurozone mehr Waren und Dienstleistungen produziert werden, als dort im Gegenwert verbraucht werden. Dafür können aber die finanziellen Forderungen ins Büchlein der Unternehmer eingetragen werden, sozusagen: Ware gegen Finanzforderung, die wohl niemals eingelöst werden wird (denn dafür müsste die Eurozone über lange Zeit in ein entsprechend großes Leistungsbilanzdefizit gelangen).
Gürtel enger schnallen und kürzen bei RentnerInnen, SozialgeldempfängerInnen und ArbeitnehmerInnen, um den Rest der Welt in die Verschuldung zu drängen und sich selbst in Wirtschaftsflaute und Massenarbeitslosigkeit, so sieht sie aus, die destruktive Ideologie des deutschen Neoliberalismus, für dessen Benennung Monsieur Montebourg nun entlassen wird. Aber besser ehrlich und arbeitslos als andere arbeitslos machen. Mögen andere PolitikerInnen sich ein Beispiel nehmen!
P.S.: Wer die ausführlicheren Erläuterungen zu den Abbildungen wünscht und wissen will, wie die Kürzungspolitik natürlich auch noch das Ziel der “silent revolution” innerhalb der EU verfolgt, möge hier schauen: “>>Die Mitte<< in der EU – ein gefährliches Ideologiekartell in der Krise (Teil 2)”
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