Mit der sog. Operation “Protective Edge” hatte vom Juli bis August das israelische Militär einen Kriegseinsatz gegen den Gaza-Streifen vorgenommen, der im Ausmaß der Verwüstung und der Anzahl an Opfern der bisher schwerwiegendste in der Geschichte des kleinen Landstrichs war. Gemäß Angaben des UN Büros für Nothilfekoordination für Gaza beläuft sich die Anzahl der getöteten palästinensischen Menschen auf 2205, unter denen mindestens 1483 Zivilisten waren (= 67%). Eine halbe Million Palästinenserinnen und Palästinenser mussten flüchten und immer noch sind aufgrund der Kriegsschäden mehr als 100 000 Menschen wohnungslos. Opfer hat es auch auf israelischer Seite gegeben, so kamen 66 Soldaten, sowie 5 Zivilisten ums Leben.
Ein Faktor, der dazu beiträgt, dass der Konflikt zwischen Israel und Palästina kein Ende findet, besteht darin, dass es in der Auseinandersetzung zu enormen Propagandaanstrengungen kommt, die ein klareres Bild der Bevölkerungen besonders im Westen verhindern. Einerseits beklagt Israel zwar zu Recht den Angriff durch Raketen von palästinensischer Seite, der weniger in seiner physischen und mehr in seiner psychologischen Wirkung verstörend auf die israelische Bevölkerung einwirkt. Andererseits kann dies allerdings in keiner Weise eine Rechtfertigung dafür sein, dass eine Besatzungsmacht (was Israel gegenüber den Palästinenser*innen im Gaza-Streifen und der Westbank seit Jahrzehnten ist), mit Krieg gegen eine ganze Bevölkerung vorgeht. Es wird in massivem Umfang Völker- und Menschenrecht gebrochen, wenn etwa Krankenhäuser absichtlich zerstört und Unbeteiligte – durch einen in der Außendarstellung als demokratischer Rechtsstaat auftretenden Akteur – absichtlich getötet werden. Von zentraler Bedeutung ist die jahrzehntelange völkerrechtswidrige Besatzungspolitik, sowie die völkerrechtswidrige Siedlungspolitik, die sich als Fundament von Gewalt und Unterdrückung darstellen und dazu führen, dass die Palälstinenser*innen, obwohl bereits 1947 von der UN zugesprochen, bis heute keinen eigenen Staat gründen konnten, um einer selbstbestimmten Zukunft entgegensehen zu können.
Im Impressionmanagement der Mainstreammedien werden diese Aspekte in den Hintergrund verlagert, um eine Standarderzählung zu etablieren, in der beiden Seiten ungefähr ein gleiches Maß an Schuldhaftigkeit zugesprochen wird, da schließlich Israel auf einsetzende Raketenbeschüsse mit berechtigter, wenn auch zu Weilen überzogener Gewaltausübung reagiere. Wer den Kontext des Konfliktes auf diese Ereignisfolge verengt, hat zwar eine plausible Erklärung, eben aber nur eine, die diese eingeschränkten Befunde zu erklären vermag. Wer hingegen einen größeren Zeithorizont betrachtet, weitere Dokumente und Aussagen, sowie Handlungen einbezieht, kann leicht feststellen, dass die Erzählung von der Gewalt aufgrund des Selbstverteidigungsrechts und der beidseitigen Verfahrenheit des Konfliktes mit der beobachtbaren Welt nicht vereinbar ist. Hier kann man dann weitere Befunde, Aussagen und Dokumente heranziehen, um eine Zusatzerklärung dafür zu gewinnen, weshalb sie sich dennoch aufrecht erhalten lässt.
Noam Chomsky, der als Aktivist seit vielen Jahrzehnten auch zum Israel-Palästina-Konflikt intensive Aufklärungsarbeit geleistet hat, erhielt am 14. Oktober die Gelegenheit, seine Analysen auf Einladung des UN Committee on the Exercise of the Inalienable Rights of the Palestinian People im Saal der UN Hauptversammlung vor zahlreichen diplomatischen Vertreter*innen und interessierten Menschen darzulegen. Er liefert einen bereichernden Interpretationsrahmen und nennt zahlreiche wichtige Befunde zum Verständnis der Entwicklungen in der Region (leider nur englische Untertitel, aktivierbar durch Betätigung der Schaltfläche “CC”, wenn das Video gestartet hat):
(Quelle: Democracy Now!, In U.N. Speech, Noam Chomsky Blasts United States for Supporting Israel, Blocking Palestinian State, 22.10.2014)
Das Video zu den Fragen, die Amy Goodman (Democracy Now!) Chomsky nach seiner Rede stellte, ist ebenso empfehlenswert:
(Quelle: Democracy Now!, Noam Chomsky at United Nations: It Would Be Nice if the United States Lived up to International Law, 22.10.2014)
Ergänzung:
Die Liste der Vetos der Vereinigten Staaten zur Verhinderung rechtlicher Maßnahmen gegenüber Israel seit 1972:
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