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Nicht mal ein Gerichtsverfahren – Geschworene im Fall Michael Brown offenbar massiv beeinflusst

Polizist Darren Wilson, der den unbewaffneten – offenbar eines geringfügigen Verbrechens verdächtigten – afroamerikanischen Jugendlichen Michael Brown mit 6 Schüssen1 tötete, wird nicht in einem Gerichtsverfahren angeklagt. Diese Entscheidung traf ein 12-köpfiges Team von Geschworenen2 – eine sogenannte Grand Jury. Nachdem die Jury-Dokumente (Beweise, Gutachten, Zeugenaussagen, Kommentare und eingereichte Informationen der Staatsanwaltschaft) vorliegen, kommen Zweifel auf, dass die Geschworenen ihre Entscheidung gänzlich ohne manipulative Eingriffe seitens der Staatsanwaltschaft treffen konnten. Die Verweigerung eines Gerichtsverfahrens durch eine Grand Jury ist ein äußerst seltener Vorgang: Nur in 11 von 162.500 Fällen kam dies 2009/20103 vor.

Offenbar wurden die Geschworenen – gerade vor der Zeugenaussage von Darren Wilson – mit einem Gesetzestext des Staates Missouri versorgt, der Polizist_innen erlaubt auf beliebige Verdächtige allein aufgrund ihrer Flucht zu schießen. Pikanterweise wurde dieses extreme Gesetz aber 1985 durch das Bundesverfassungsgericht für ungültig erklärt. Das eigene Verhalten, das Wilson in der Zeugenaussage4 schilderte, wurde von den Geschworenen in dem Glauben der Rechtmäßigkeit exzessiver polizeilicher Gewaltausübung gegenüber Verdächtigen eingeordnet. Diese “unglückliche” Kombination von Ereignissen hat sicherlich die emotionale Haltung der Geschworenen gegenüber Wilson und auch ihr Gesamturteil beeinflusst. Die Staatsanwaltschaft versuchte Wochen später dieses Vorgehen rückgängig zu machen, indem es halbherzig und mit verwirrenden Bemerkungen zu Nachfragen von Geschworenen darum bat, den Gesetzestext nachträglich zu ignorieren. Da aber der menschliche Geist kein Computerprogramm ist, das seine Startbedingungen bei der “Neuberechnung” einfach verändern kann, sondern über “störende” Limitation in Form von Gedächtnis und Gefühlsleben verfügt, bleibt die individuelle Meinungsbildung im Sinne der Gerechtigkeit hier moralisch bedenklich. Die – laut Experten – unüblich große Menge an Beweismitteln, die den Geschworenen vorgelegt wurde, diente der Staatsanwaltschaft als Beweis für ihre sorgfältige Arbeit. Allerdings gibt dies einer Staatsanwaltschaft leichter die Möglichkeit einige Beweise oder Details in der Flut besonders hervorzuheben, was der eventuell bereits überforderte Geschworene unter Umständen dankbar zur Kenntnis nehmen und sich somit von einer gewissen ausgeglichenen Bewertung entfernen könnte.

Die Details zu den Vorgängen liefert der eindrucksvoll vorgetragene, allerdings englischsprachige MSNBC-Beitrag von Lawrence O’Donnell.

Infos zu polizeilichen Tötung in den USA: Laut der Webseite “Killed By Police”, die Nachrichtenartikel zu diesem Thema auswertet, wurden seit Beginn des Jahres 1.002 Menschen in den USA von Polizisten getötet.

  1. Wilson feuerte 12 Schüsse auf Brown ab []
  2. 9 weisse, 3 schwarze Geschworene []
  3. Bureau of Justice Statistics, die Anzahl bezieht sich auf bundesgerichtliche Verfahren []
  4. die er im übrigen von Beginn an hätte modifizieren können, weil die Polizei wohl mit der schriftlichen Dokumentation seiner Aussagen zurückhaltend war []

Johannes Stremme

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