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Die Krim: je schlimmer, desto besser

Es ist verständlich, dass sich unter den öffentlichen Meinungsbildnern, die die Erzählung vom bösen, aggressiven, annektierenden, expansiven usw. Russland aufrecht erhalten wollen, starke Bemühungen ereignen, die Krim in den Fokus der Öffentlichkeit zu ziehen. So sollen die politischen Ereignisse rund um den Maidan-Putsch, pardon, die “pro-europäische Revolution” möglichst ganz den westlichen Erinnerungsrekonstrukteuren überlassen werden. Zugleich kann so die Rollenzuschreibung der NATO als ein “friedliebendes Verteidigungsbündnis” konstruiert werden, dessen beobachtbare deutliche Expansion nach Osten eben nicht mehr ist, als ein “notgedrungenes Reagieren” auf die Sicherheitswünsche osteuropäischer Staaten (für klar gegenteilige Befunde siehe erneut hier, Abschnitt “>Demokratieförderung< durch die NATO”).

Die westliche Mainstreampresse vermochte ihr Deutungsmuster der Abspaltung der Krim als lupenreine “Annexion” ja mittlerweile in den Köpfen zu verankern (für eine abweichende Argumentation sei erneut an den ausführlichen Artikel des Völkerrechtlers Reinhard Merkel erinnert). Das scheint jedoch nicht genug zu sein, um das Feindbild Russland/Putin hinreichend aufzubauen, damit sich damit die weitere Militarisierung der EU, sowie eine Steigerung der “Verteidigungs”ausgaben durchsetzen lassen. So bemüht man sich nun, die “Annexion” möglichst besonders verwerflich darzustellen, indem man das Ergebnis des damaligen Referendums auf der Krim möglichst als fingiert und die damalige Abstimmung im Regionalparlament als “herbeigeprügelt” darstellt.

Zwei Befunde seien angeführt, die der Version jedoch widersprechen:

1. Die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in der Ukraine hat im Januar 2015 eine heimliche Telefonumfrage auf der Krim durchgeführt. Auftraggeber war der ukrainische Politikwissenschaftler Taras Berezovets, der sich ein Meinungsbild einholen wollte, um seinem Projekt einer “sanften” Einflussausübung von der Ukraine aus auf die Krim einen Startpunkt zu geben (siehe hierzu BloombergView). Gemäß dieser Umfrage gaben 82% der Befragten an, dass sie die Integration der Krim in die russische Föderation “voll unterstützen”, wie Bloomberg berichtet. Nur 4% sprächen sich dagegen aus. Mutmaßungen darüber, dass hier die Angst davor, das Falsche zu sagen, für eine Mehrheit sorge, scheinen wenig zutreffend, da zugleich 90% der Befragten die Aussage, ob sie dem russischen Fernsehen vertrauen (das ja als reine Putinveranstaltung gilt), ablehnen.

2. Dagegen, dass die Abstimmung im Parlament der Krim über die Abspaltung nicht dem tatsächlichen Willen der Abgeordneten entsprochen haben soll, spricht wiederum der Umstand, dass bereits im Januar 2014, noch bevor die neue ukrainische Regierung per Putsch an die Macht kam, das Parlament der Krim eine Erklärung verabschiedet hatte, in der es verkündete, dass die Krim keiner “Bandera Ukraine”1 angehören werde:

“Citizens of Crimea will never participate in the illegitimate elections, do not accept its results and will not live in “Bandera” Ukraine!

We are determined to defend the historical choice made 23 years ago on the Crimean referendum on the recreation of the Autonomous Republic of Crimea!”

(The State Council of the Republic of Crimea, 22.1.20142)

Wie bekannt ist, wurden die rechtsextremen Bandera-Anhänger dann tatsächlich Teil der neuen Regierung und zögerten nicht, aus ihrer Russenfeindlichkeit keinen Hehl zu machen. Diese Ereignisse in Verbindung mit der verfassungswidrigen Absetzung des damaligen Präsidenten Janukowytsch dürften also dem Krim-Parlament Grund genug gewesen sein, die Abspaltung in die Tat umzusetzen und dabei dem Eigeninteresse Russlands in die Hände zu spielen.

Doch wissen wir ja, bei der öffentlichen Meinungsbildung geht es weniger um Befunde und mehr um Publikationsressourcen.

 

  1. Bandera war Nazi-Kollaborateur und Nationalheld der Rechtsextremen und Faschisten in der Ukraine []
  2. abgerufen am 11.3.2015 []

Jascha Jaworski

3 Kommentare

  1. Ja, aber:

    Was ist mit der Ostukraine und dem Vormarsch auf Mariupol? Warum nur glotzt jede Seite nur auf das, was in ihr Bild passt?

  2. Naja, ich habe hier über die Krim und Falschdarstellungen geschrieben. Ich habe hier nicht den gesamten Konflikt behandelt. Um es auch noch einmal klar zu stellen: es gibt auf allen Seiten massive Propaganda und Aufwiegelung, ich denke jedoch, dass man seine Kräfte darauf konzentrieren sollte, das zu präsentieren, was verzerrt, bzw. falsch ist und zugleich wenig bis keine Chance hat, in “unseren” Massenmedien präsentiert zu werden.

  3. Es können jedoch gern die Schandttaten sämtlicher Seiten in den Kommentaren präsentiert werden, wenn sie durch entsprechende Befunde unterlegt sind.

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