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Griechenland: “Tagebuch der Arbeitslosen”

In zahlreichen Artikeln haben wir über gesamtwirtschaftliche Daten und Zusammenhänge berichtet. Sie sind unerlässlich, wenn man sich ein Bild davon machen möchte, wohin sich eine Gesellschaft aufgrund ökonomischer Gegebenheiten entwickelt. Sie erlauben es, Ideologien zu enttarnen und ihre verheerende Wirkung nachzuweisen. Dem Neoliberalismus haben sie ein vernichtendes Zeugnis von Ungleichheit, Massenarbeitslosigkeit und enormer Armut in Anbetracht einer vor Reichtum berstenden Welt ausgestellt. In die konkreten Lebensverhältnisse der einzelnen Menschen, die zu den vielen Millionen Betroffenen gehören, lassen sie jedoch nicht blicken, sie abstrahieren notwendigerweise komplett von diesen. Hierfür braucht es andere Quellen, die einen sinnlich erfahrbaren Zugang zur Realität der Betroffenen ermöglichen und somit auf unmittelbare Weise den Raum für Empathiefähigkeit eröffnen.

Wie erschütternd sich die Lage für die Menschen in Griechenland innerhalb weniger Jahre aufgrund einer rücksichtslosen und von außen verordneten Politik entwickelt hat, machen mittlerweile zahlreiche (jedoch offenbar zu wenig verbreitete) Berichte und Dokumentationen deutlich. Auf eine weitere sei hier hingewiesen. Der Journalist Christoforos Kasdaglis hat Gedanken und Empfindungen der von der Massenarbeitslosigkeit betroffenen Menschen in Griechenland zusammengetragen, einem Land, in dem es nach dem Auslaufen des Arbeitslosengeldes keine Sozialhilfe gibt. Deutschlandradio Kultur hat darüber berichtet:

“Arbeitslose Griechen veröffentlichen Tagebücher” (Deutschland Radio Kultur, 10.1.2015)

Aus den Schilderungen entstanden ist auch ein Buch, das bislang jedoch nur in griechischer Sprache vorliegt. Ein weiterer Bericht auf englisch, der zudem einige Zitate aus dem Buch aufführt, ist hier zu finden:

“Diary of the Unemployed: 155+1 True Stories” (The Press Project, Juni 2014)

“>>In Kürze, in drei Monaten werden wir auf der Straße stehen, wenn kein Wunder geschieht, da das Arbeitslosengeld meiner 24jährigen Schwester ausläuft und wir keine Arbeit gefunden haben. Die einzige Sache, die übrig geblieben ist, ist der Sammelteller der Kirche. Es ist etwas, von dem ich nie erwartet hätte, dass es mir passiert, doch plötzlich werden wir auf der Straße sein, mit einer Decke.<<1

                                         – Mpouroumpourou, 31″

 

  1. Übers. Maskenfall, Original: “In short in three months we will be out on the street if there is no miracle, because the unemployment benefits of my 24 year old sister will run out, we haven’t found jobs, the only thing that is left is a collection plate at church. It is something that I never expected to have happen to me, but all of a sudden we will be out in the street with a blanket.” []

Jascha Jaworski

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