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Fabian Scheidler zu den “Grenzen der Megamaschine”

Es gibt eine Reihe von Entwicklungen, die eine klare Systematik aufweisen und über die wenig Uneinigkeit besteht. So etwa, was die Zahl der Konflikte weltweit betrifft, sie hat über die Jahrzehnte deutlich zugenommen. Im Jahr 2014 registrierte das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung 424 Konflikte. Seit den 1990er Jahren hat dabei besonders die Anzahl der gewalthaften Krisen, die noch nicht als Krieg oder “begrenzter Krieg” kategorisiert werden1, zugenommen. Zudem sind wir konfrontiert, mit einer Erderwärmung, die nicht nur schwerwiegende Folgen nach sich zieht, sondern über deren Herkunft als weitestgehend vom Menschen verursacht, Konsens besteht. Und wir sehen mit an, wie Reichtum und Armut im globalen Maßstab weiter explodieren, zwischen Ländern und innerhalb vieler Länder. Eine Analyse von Oxfam hat herausgestellt, dass mittlerweile die reichsten 85 Personen so viel besitzen, wie die untere Hälfte der Weltbevölkerung (also über 3500 Millionen Menschen) zusammen.2

Die Eliten versuchen diese Entwicklungen wahlweise zu verdrängen oder sie treten ihnen bestimmt mit zunehmender Militarisierung und Überwachung entgegen. Die totalitären Programme von NSA, GCHQ und Partnern sind ein Ausdruck dessen. Die geistige Landkarte der Eliten weist dabei offenbar überall dort blinde Flecken auf, wo man auf die eigene und grundlegende Verantwortlichkeit und die Rolle von Herrschaftsideologien zu sprechen kommen müsste. So wird im Strategiepapier “Neue Macht. Neue Verantwortung”, mit dem eine neue Außenpolitik der weltweiten Kriegsbereitschaft hierzulande etabliert werden soll, geradezu im Sinne eines naturhaften “Zustoßens” formuliert:

“Die Globalisierung hat jedoch die Privatisierung und Individualisierung der Gewalt – etwa in Form von Terrorismus und organisierter Kriminalität – beschleunigt. Sie hat zudem ein breites Spektrum grenzüberschreitender Risikofaktoren hinzugefügt, die oft gehäuft auftreten, sich gegenseitig verstärken, und gegen die staatliche Hoheitsgewalt nur wenig auszurichten vermag: Klimawandel, demografische Entwicklung, unkontrollierte Migration, Ressourcen- und Nahrungsmittelknappheit, Pandemien, schwache und versagende Staaten. Damit ist neben der Gefahrenabwehr das Risikomanagement zum neuen Paradigma der Sicherheitspolitik geworden.”

(Neue Macht Neue Verantwortung – Elemente einer deutschen Außen- und Sicher­heitspolitik für eine Welt im Umbruch, 2013)

Zu hoffen und darauf hinzuarbeiten bleibt nur, dass die neuen Kommunikationsmöglichkeiten dahingehend genutzt werden, dass sich die globalen Widerstandskräfte koordinieren und gegenhegemoniale Ideen Verbreitung finden, dass eine Art globale Zivilgesellschaft entsteht, die die Herrschaftsansprüche und strukturellen Gewaltbeziehungen zunehmend erfolgreich benennt und ihnen entgegenwirkt. Hierbei wird es wohl sehr um Repolitisierung, geteilte Ideen, Bewusstseinsbildung und Solidarisierung gehen müssen. Eine Gelegenheit für die Bewusstseinsbildung stellt dabei jüngst Fabian Scheidler mit seinen Recherchen zu den ökonomischen, historischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der heutigen Entwicklungen zur Verfügung. Auf ein Interview von Kontext TV mit ihm sei daher an dieser Stelle verwiesen:


(Quelle: www.kontext-tv.de, Die Grenzen der Megamaschine: Globale Krisen und der Kampf um echte Demokratie, 19.3.2015)

 

  1. “A violent crisis will be upgraded to limited war level if there were more than 360 casualties or more than 18,000 refugees in the whole year in the conflict area. A limited war will be upgraded to war level if there were more than 1,080 fatalities or more than 360,000 refugees.”, siehe Conflict Barometer 2014, Heidelberger Institute for International Conflict Research, S. 10 []
  2. siehe Oxfam, Working for the Few, 2014 []

Jascha Jaworski

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