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Über Klassenkampf und Organisierung im Europa der Verträge

Die Politikwissenschaftlerin, Aktivistin und attac Ehrenpräsidentin [1] Susan George hat viele kluge Dinge gesagt, von denen zwei nachfolgend zitiert werden sollen, da sie gut in den Kontext der gegenwärtigen Vorgänge in der EU passen. Erstens:

„There is no degree of human suffering which in and of itself is going to bring about change. Only organisation can change things.“1 [2]

Wer kann dem schon widersprechen? Und tatsächlich konnte man das Aufkommen von Massenprotesten [3] und Generalstreiks in Portugal, Italien, Spanien und Griechenland, aus denen u.a. SYRIZA und Podemos ihre Kraft bezogen, als Anzeichen dafür werten, dass Organisierung endlich zu sozialem Wandel führen würde. Angedacht war ein Wandel weg von Kürzungs-, Verarmungs- und Perspektivverdunkelungsprogrammen, hin zu einem sozialeren und gerechteren Europa. Die staatliche Repression jedoch fiel deutlich aus. Erst jüngst wurde das neue Versammlungsgesetz der konservativen Regierung in Spanien in Kraft gesetzt, das neben vielen weiteren Organisationen und Personen auch von Amnesty International kritisiert wurde, da es in offensichtlicher Weise die Grundrechte angreift und einen großen Schritt in Richtung Polizeistaat geht [4].2 Und auch am Umgang nicht nur mit der griechischen Regierung, sondern gleich der gesamten griechischen Bevölkerung, sowie der diesbezüglich offensichtlichen Suspendierung der Demokratie – Stefan Lessenich nennt es  treffend die “innere Kolonialisierung Europas” [5] – wird deutlich, wie eine Idee bekämpft wird, die eigentlich nahe liegend ist, niemals jedoch relevante Mehrheiten gewinnen darf, um nicht das EU-Europa der marktfanatischen und – man sollte Dinge beim Namen nennen – ideologisch und moralisch verkorksten Eliten zu gefährden. Da jedoch liegt das Problem. Besonders beherzigt haben die obige Aussage von Susan George nämlich gerade letztere Gruppen. Sie wissen, dass menschliches Leid nur dann zu sozialem Wandel führt, wenn man sich organisiert. Dabei haben sie die Aussage offenbar jedoch so interpretiert, dass sie selbst es sind, die sich stärker organisieren müssen, um einen sozialen Wandel, und zwar in ihrem Sinne, herbeizuführen. Und hierzu galt es das menschliche Leid – als Gunst der Stunde – nicht nur zu nutzen, sondern es sogar zu verschärfen.

Das ist eine harte Anklage? Nun ja, wer will ernsthaft davon ausgehen, dass diese Gruppen nach mehreren Jahren verheerender Austeritätsprogramme, die Griechenland in die humanitäre Krise zwangen und andere Länder in eine weitere Postfinanzkrisenrezession [6], nicht gelernt haben, dass man mit dieser Art von Politik weder Massenarbeitslosigkeit, noch Staatsschulden abbauen kann. Das glatte Gegenteil [7] ist der Fall, und die freigebigeren unter ihnen gaben es auch bereits vor Jahren zu3 [8]. Natürlich mag es diejenigen geben, die den Fantasiegeschichten von der “expansiven Fiskalkontraktion”4 [9] und den gering ausgeprägten “Fiskalmultiplikatoren”5 [10] weiterhin Glauben schenken (zu einer vernichtenden Kritik siehe hier [11]), indem sich manche dieser “Führungs- und Verantwortungseliten” aus der Welt der beobachtbaren ökonomischen Entwicklungen einfach komplett ausklinken und sich nur noch von ausgewählten Personen die gewünschte Meinung erzählen lassen, ohne sich zugleich der “Verunsicherung” durch empirische Daten aussetzen zu müssen. Die volkswirtschaftlichen Abteilungen von EZB, EU-Kommission, Staatsministerien etc. jedoch werden schwerlich so blind sein, nicht einfache Zusammenhänge zur Kenntnis zu nehmen und die zerstörerische Wirkung der eigenen Rezepte zu erkennen, handelt es sich doch um einen über mehrere Jahre gescheiterten Feldversuch. Man kann also allenfalls innerhalb der neoliberalen Elite unterscheiden in eine Fraktion der willentlich leichtgläubigen Mitläufer und Konformisten einerseits und eine Fraktion der strategisch agierenden Spezialisten andererseits. Gemeinsam jedoch organisieren sie geradezu die Verantwortungslosigkeit, die sich in einer verlorenen Generation besonders im Süden Europas, dem Ausverkauf gemeinschaftlichen Eigentums [12] und zunehmendem Ausgrenzungsdenken, Rassismus und Nationalismus in ganz Europa äußert.

Wie sieht die Richtung des sozialen Wandels aus, zu dessen Umsetzung sich die neoliberalen EU-Eliten stärker denn je organisiert haben? Hier haben sie sich offenbar die zweite Erkenntnis von Susan George geradewegs als Empfehlung für ein “jetzt erst Recht” genommen:

„We’re trying to run a 21st century society and economy with 19th century Darwinian, competitive, crude ideas.“6 [13]

Klassenkampf und Wettbewerbsrhetorik

Der Vorteil dieser kruden und darwinistischen Ideen ist natürlich, dass sie dank jahrzehntelanger struktureller Ideologiearbeit [14] und geschichtlicher Filterungsprozesse im unbedarften Ohr geradezu zeitgemäß und naturalistisch, eben einfach alternativlos klingen. “Wettbewerb” und “Innovation” für den Wohlstand von morgen, so steht es auf der Verpackung drauf und so verkündet es eine Frau Merkel in Davos. Wer um die systematische Produktion von Ungleichheit durch freigeschaltete Märkte bei gleichzeitiger Sozialisierung von Finanzkrisenverlusten und die insgesamt zu beobachtende Refeudalisierung der Verteilungsverhältnisse weiß – Zitat aus dem Wealth Report 2015 [15] der Immobilienberatungsfirma Knight Frank: “Europa hält an der Spitzenposition mit den meisten neuen Zugängen zur Ultra-Reichen-Klasse [>30 Mio. US$, Anm. JJ] im Jahr 2014 fest.”7 [16] -, sollte hinter der Oberflächenerzählung vom wohlständigen und innovativen Europa, mit der viele betroffene Menschen leider offenbar nach wie vor erfolgreich eingeseift werden, als eigentliches Kernmotiv der machtbewussten Profiteure im Hintergrund und ihrer pflichtbewussten Sozialingenieure an den Schreibtischen der weitreichenden Gesetzesinitiativen und Vertragswerke freilich das erkennen, was sich nur ein Milliardär wie Warren Buffett zu benennen leisten kann, ohne des linken Populismus bezichtigt zu werden: “Es herrscht Klassenkampf, meine Klasse gewinnt, aber das sollte sie nicht.”

Läuft der Klassenkampf von oben dabei im Herkunftsland Buffetts bekanntermaßen in jüngerer Zeit besonders über die milliardärsfinanzierte marktradikale Tea Party, einen Kongress, bei dem die Mehrheit der Abgeordneten als Millionäre [17] das richtige Bewusstsein mitbringt, und darüber, dass hunderte Millionen US-Dollar an Wahlspenden von der Wall Street nach Washington fließen, um für die “richtigen” Gesetze zu sorgen (neben zahlreichen weiteren Transmissionsriemen zur konzentrierten Interessensdurchsetzung), so zeigen sich die besonders herausragenden Machthebel im EU-Staatenverbund einerseits im hochgradig neoliberalen Vertragswerk (Marktfreiheiten als Wesenskern, “unabhängige” Zentralbank nach dem Vorbild der Bundesbankorthodoxie, strenges Haushaltskorsett etc.), sowie in der Verlagerung demokratischer Teilhabe möglichst weit weg von den jeweils betroffenen Bevölkerungen. Die Troika-Konstruktion, die mit ihren Memoranden geltendes Recht bricht [18], und die Vertragsschusterei jenseits des bisherigen EU-Rechts (z.B. Fiskalpakt), zählen hierbei – neben der oben bereits genannten Eurogroup-EZB-Kolonialpolitik gegenüber Griechenland – zu den traurigen Höhepunkten einer Demokratie, die auf immer unverhohlener verkündete Weise zum reinen Störfaktor geworden ist, indem sie den großen Geschäfts- und Finanzinteressen und dem freien und geheiligten Unternehmertum im Wege steht.

In einer weniger geistig fragmentierbaren Welt würden freilich jene Bevölkerungen, die sich erfreulicherweise millionenfach gegen TTIP und CETA [19] aussprechen, letztere Befunde als einschlägigen Beweis dafür nehmen, dass Vertragswerke und “Reformen”, wenn sie von oben gewünscht und unter dem Applaus von Unternehmensverbänden und Finanzbranche zustande gebracht werden, eben nichts anderes als marktradikale Schurkenstücke zur Entrechtung der nicht zum Großkapital zählenden Bevölkerungsteile und Plünderung des Gemeinwesens sind. Spätestens seit den 74%-Zustimmungswerten [20] für den Hardliner Schäuble in Sachen Griechenland darf man sich jedoch darüber gewahr sein, dass der “Hauptfeind” nicht einfach nur “im eigenen Land” steht, wie es Karl Liebknecht einst sagte, sondern, dass dieser auch noch die öffentliche Meinung komplett gekapert hat (der veröffentlichten Meinung und Autoritätsgläubigkeit (oder Schlimmerem) sei Dank).

Die Staffelläufer der Postdemokratie

In dieser Konstellation kommt nun der nächste organisierte Angriff auf Demokratie und lohnabhängige Bevölkerung, den Norbert Häring jüngst sehr gescheit analysiert hat: der “Fünfpräsidentenbericht” [21] von Juncker & Co. (siehe “Junckers Fünfpräsidentenbericht: Der Weg zum postdemokratischen Europa” [22]), der in aller Stille als zentrales Koordinationspapier zur langfristigen Gestaltung der EU ganz im Sinne ihrer Regenten und Machthaber fungiert. Dass hierbei, wie Häring berichtet, in unverblümt propagandistischer Weise Ursache und Wirkung der Krisenerscheinungen verdreht werden, ist nur ein Begleitumstand, um zum Angriff auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sowie Gewerkschaften zu blasen:

“Neu an dem Bericht, und von den Medien trotzdem praktisch ignoriert,  ist vor allem das Drängen, dass Europa mit einem Netz von >>Wettbewerbsfähigkeitsräten<< überzogen werden soll, die dazu beitragen sollen, dass die angebotsorientierte Politik der EU überall durchgesetzt wird. Das sollen nicht gewählte Technokraten sein, die Kraft ihres Expertentums Lohnleitlinien festlegen sollen. […] Dass es dabei vor allem darum geht, die Löhne zu drücken, stellt der Bericht in dankenswerter Offenheit an klar. Löhne werden ohne Einschränkung als reiner Kostenfaktor und Problem für die Wettbewerbsfähigkeit behandelt, ohne jede Berücksichtigung der Tatsache, dass sie die Grundlage für den im Vorwort betonten Wohlstand >>aller Bürger<< sind.”

(Norbert Häring, Junckers Fünfpräsidentenbericht: Der Weg zum postdemokratischen Europa [22], 27.7.2015)

Wie Häring berichtet, sollen alle Länder nun dem “Erfolgsmodell” der Überschussländer (siehe zu diesem z.B. hier [23]) angeglichen werden, wobei diese Strategie längerfristig natürlich nicht aufgehen kann, was, wie Häring anhand von Elitenpapieren verdeutlicht, den Verantwortlichen klar sein dürfte, womit das eigentliche Ziel also ein anderes ist:

“EZB-Präsident Draghi weiß das natürlich auch, und würde es seinen vier Mit-Präsidenten sicherlich bei Bedarf erklären. Aber es geht hier ja nicht um verstehen. Es geht hier um den Umbau Europas nach angelsächsischer Art, in eine neoliberale Hire-and-fire-Ökonomie, in der die Arbeitnehmer spuren und die Gewinne sprudeln – und entsprechend die „Gehälter“ der Spitzenleute in der Finanzbranche. […] Die Geldpolitik wurde bereits technokratisiert, der Entscheidungsgewalt der Parlamente und damit des Volkes entzogen. Die Finanzpolitik wurde in ein Korsett aus Regeln gesteckt und wird von Fiskalräten überwacht. Nun soll also nach den Vorstellungen der EU-Eliten die übrigen Wirtschafts- und Sozialpolitik auch noch den Technokraten überantwortet und den Volksvertretern entzogen werden. Wenn das gelungen ist, so ist die Entdemokratisierung von allem was Arbeitgebern und Finanzkapital wichtig ist, komplett.”

(Norbert Häring, Junckers Fünfpräsidentenbericht: Der Weg zum postdemokratischen Europa [22], 27.7.2015)

Und dieses Ziel wird auf die gewohnt unscheinbare und zugleich effektive Weise umgesetzt, wie Häring es treffend formuliert:

“Leute wie die fünf Präsidenten hätten anderes zu tun, als solche Berichte zu schreiben, wenn diese nichts brächten. Aber sie bringen etwas. Sie setzen die Agenda. Sie kommen unauffällig und dröge daher. Keiner macht Aufhebens darum und Juncker kann sich ins Fäustchen lachen. Denn der Bericht ist da und bleibt da. Jeder bezieht sich darauf. Niemand hat ihn kritisiert. Er tut seine Wirkung als stetiger Bezugspunkt.”

(Norbert Häring, Junckers Fünfpräsidentenbericht: Der Weg zum postdemokratischen Europa [22], 27.7.2015)

Positiv aufgegriffen wird im Bericht auch die Schäuble’sche Idee vom europäischen Finanzminister, die Wolfgang Münchau erst in seiner Kolumne unter dem Titel “Zukunft der Eurozone: Schäubles Europa ist brandgefährlich” [24] ausführte. Als Zusatzpaket wird im Bericht noch ein Mechanismus vorgeschlagen, um die zwangskorsettierten nationalen Staatshaushalte durch einen “fiskalischen Stabilisator” in der Eurozone durch entsprechende Konditionalität als Gegenleistung für die “fiskalische Stabilisierung” auf Linie zu bringen. Dazu ein kurzes Zitat aus dem Bericht selbst:

“Optionen und Leitprinzipien für eine Eurozonen-Stabilisatorfunktion […] Entsprechend, und um Moral Hazards zu verhüten, sollte er eng an die Befolgung des EU Governance Rahmenswerks gebunden werden […]”8 [25]

(Jean-Claude Juncker, Completing Europe’s Economic and Monetary Union [21], 2015)

Ja, das Rahmenwerk zur “EU Governance”: Juncker und Co. wollen mit ihrem Strategiepapier das fortführen, was der Vorgänger Barroso mit seiner “silent revolution” am Bewusstsein und Verständnis weiter Teile der betroffenen Bevölkerungen vorbei im Dienste des Europäischen Rats implementieren konnte (siehe erneut hier [26], ab Folie 34). So wird mit dem Netz von “Wettbewerbsfähigkeitsräten” der erneute Anlauf genommen, um das, was Frau Merkel 2013 in Davos unter dem Stichwort “Wettbewerbspakt” als Vertiefung des dort bereits in der Light-Version eingeführten Euro-Plus-Paktes [27] einforderte:

“Ich stelle mir das so vor – und darüber sprechen wir jetzt in der Europäischen Union –, dass wir analog zum Fiskalpakt einen Pakt für Wettbewerbsfähigkeit beschließen, in dem die Nationalstaaten Abkommen und Verträge mit der EU-Kommission schließen, in denen sie sich jeweils verpflichten, Elemente der Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, die in diesen Ländern noch nicht dem notwendigen Stand der Wettbewerbsfähigkeit entsprechen. Dabei wird es oft um Dinge wie Lohnzusatzkosten, Lohnstückkosten, Forschungsausgaben, Infrastrukturen und Effizienz der Verwaltungen gehen – also um Dinge, die in nationaler Hoheit der Mitgliedstaaten der Europäischen Union liegen. Das heißt also, die nationalen Parlamente müssten solche Verträge legitimieren. Diese Verträge müssen dann verbindlich sein, sodass wir feststellen können, inwieweit sich im Euroraum die Wettbewerbsfähigkeit verbessert”

(Angela Merkel, Rede auf dem World Economic Forum in Davos [28], 24.1.2013)

Die einzig Unentbehrlichen

Der soziale Wandel findet also statt, beschleunigt, und leider in der falschen Richtung, verankert durch Vertragswerke, die in ihrer negativen Wirkung erst dann registriert werden, wenn sie schon lang implementiert wurden. Anfängliche Widerstände und Zögerlichkeiten einiger Regierungen werden entweder durch wiederholte Anläufe oder eben brachialen Machtgebrauch (Griechenland) durchgesetzt. Für potentiell widerständige Bevölkerungsteile gibt es wahlweise Wohlstandsrhetorik, Ängstschürerei zur angeblich mangelnden Konkurrenzfähigkeit9 [29] oder es wird Wirtschaftskrise per Austerität herbeigeführt, um durch die Schockstrategie (und Polizeigewalt, s.o.) auf dem besonders raschen Weg Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu entrechten10 [30]. Effektiv organisiert sich hierbei bislang leider lediglich die Kapitalseite durch ihre EU-Eliten. In Anbetracht ihrer Möglichkeiten und Ressourcen hat sie jedoch auch die deutlich bessere Position, um gewünschte Realitäten zu erzeugen, schließlich sind die alten und massenwirksamen Instanzen zur Organisierung von Gegenmacht seitens der Lohnabhängigen (Sozialdemokratie und Gewerkschaften) doch dem jahrzehntelangen Verschleißprozess im Neoliberalismus ausgesetzt, der wichtige ihrer Teile entweder marginalisierte, ideologisierte oder auch korrumpierte.

Wunderschön auf den Punkt gebracht hat es ja erst Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsident Albig, als er jüngst im Spiegel [31] den Sinn eines eigenen Kanzlerkandidaten für seine Partei 2017 hinterfragte und auf Merkels “exzellente Arbeit” verwies:

“Sie ist eine Kanzlerin, wie sie die Deutschen offensichtlich mögen. Ich glaube, es ist schwer, gegen diese Kanzlerin eine Wahl zu gewinnen.”

Man kann also feststellen, dass die Kapitalinteressen dank Neoliberalismus und EU mittlerweile so gut organisiert sind, dass sie sich selbst dann an ihre Grundsätze halten können, wenn es um die höchste Etage der eigenen Interessenvertretung geht. Einsparungen auch dort in der Personaldecke. Eigentlich könnte man da auch gleich die Parteien fusionieren, um Effizienzgewinne zu erzielen. Und wenn erst das EU-weite Vertragskorsett zur “economic governance” ganz fertig ist, kann man ja vielleicht auch noch die komplette Funktionselite  abschaffen, da dann ohnehin alles quasi automatisch durch Gesetzeswerk entschieden wird (ein paar neoliberale Vertragsdeuter wird es weiterhin geben müssen). Nur die Kapitaleigner selbst, die werden niemals arbeitslos werden, denn sie lassen ja für sich arbeiten, in einem Europa der marktfanatisch-propagandistischen Wettbewerbsfähigkeit, der demokratiesuspendierenden Verträge und der machtnotwendigen Massenarbeitslosigkeit.

 

  1. Übers. Maskenfall: “Es gibt kein Ausmaß menschlichen Leids, das an und für sich sozialen Wandel hervorbringen wird. Nur Organisierung kann Dinge verändern.” [ [32]]
  2. Ein von Amnesty aus dem Jahr 2014 belegt zudem, wie es im Zuge der Krisenproteste massenweise zu Grundrechtsverletzungen und brutalen Polizeiübergriffen kam, Zitat: “In Spanien haben die ökonomische Krise, Kürzungsmaßnahmen und Einschnitte grundlegender sozialer Dienste tausende Menschen auf die Straßen gebracht. Trotz des friedlichen Charakters der überwältigenden Mehrheit der Demonstrationen gab es Berichte von exzessivem Gewalteinsatz und Misshandlungen durch Polizeikräfte, einen Anstieg in der Anzahl von Geldstrafen, die verhängt werden wegen der Teilnahme an Protesten, sowie Rechtsmissbrauch durch Kräfte des Gesetzesvollzugs gegen Journalisten, die über die Versammlungen berichten wollten. Die spanischen Behörden haben außerdem ihre Absicht bekundet, weitere Beschränkungen gegen die Veranstaltung von Demonstrationen einzuführen, indem Zusätze zur Gesetzgebung vorgeschlagen werden, die in direkter Weise die Ausübung dieses Rechtes beeinträchtigen.
    Dieser Bericht legt die Bedenken von Amnesty International in Bezug auf die Beschränkungen dar, die der Freiheit der Rede, sowie der friedlichen Versammlung im Kontext der Demonstrationen in Spanien auferlegt werden. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Polizei exzessive Gewalt durch den Missbrauch von Aufstandsbekämpfungsmitteln, sowohl während der Demonstrationen, wie auch während der Ingewahrsamnahme von Protestierenden ausübte. Der Bericht dokumentiert Fälle der Misshandlung von Personen in Polizeigewahrsam und beleuchtet eine Reihe von Bedenken gegenüber den mangelhaften Untersuchungen, die von den Behörden durchgeführt wurden im Zuge der vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen durch Kräfte des Gesetzesvollzugs.”, Übers. Maskenfall, Original siehe Amnesty International, Spain: The Right To Protest Under Threat, [33] April 2014 [ [34]]
  3. siehe z.B. hier [26], Folie 22 [ [35]]
  4. grob: Staat schnallt Gürtel enger, private Haushalte und Unternehmen erwarten aufgrund der “Haushaltsdisziplin” Steuersenkungen in der Zukunft und geben mehr aus, inländisches Wirtschaftswachstum steigt [ [36]]
  5. Staat senkt Ausgaben um einen Euro, Gesamtwirtschaft bricht in der Folge um deutlich weniger als einen Euro ein, so dass man schneller sparen kann, als einem im Wirtschaftskreislauf die Einnahmen verloren gehen [ [37]]
  6. Übers. Maskenfall: “Wir versuchen eine Gesellschaft und Ökonomie des 21. Jahrhunderts mit darwinistischen, konkurrenzbasierten, krude Ideen zu betreiben.” [ [38]]
  7. Übers. Maskenfall, Original: “Europe held onto the top spot with the most new entrants into the ultra-wealthy bracket over 2014.” [ [39]]
  8. Übers. Maskenfall, Original: “Options and guiding principles for a euro area stabilisation function […] Accordingly, and to prevent moral hazard, it should be tightly linked to compliance with the broad EU governance framework […]” [ [40]]
  9. zur Erinnerung: die EU war bislang eine weitgehend geschlossene Ökonomie und erzielte dennoch beständig Exportüberschüsse in Milliardenhöhe, nun jedoch erzielt ihr Eurozonensegment Exportüberschüsse an Waren und Dienstleistungen im Wert von über 300 Mrd. Euro, während zugleich die Armutsquoten steigen und in Griechenland das Gesundheitssystem zusammengebrochen wurde [ [41]]
  10. so etwa besonders in Ost- und Südeuropa, siehe hier [26], ab Folie 18 [ [42]]