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EU-Plan geht in Phase 2 und 3: Mit Kriegsschiffen Flucht”ursachen” einfach wegschießen

Wie tagesschau.de berichtet, will die Bundesregierung “sich im Rahmen der EU-Mission EUNAVFOR MED mit zwei Kriegsschiffen an der militärischen Jagd auf Schleuser im Mittelmeer beteiligen”.

Damit starten die Phasen 2 und 3 der Militäroperation “EUNAVFOR Med” über die PRO ASYL bereits im Mai anhand eines internen EU-Papiers berichtet hatte:

“Zunächst soll mit militärischer Aufklärung begonnen werden – mit Hilfe von Drohnen, Satelliten und geheimdienstlichen Erkenntnissen sollen die Strukturen der Schleusernetzwerke identifiziert werden. In einem zweiten Schritt sollen Boote auf Hochsee beschlagnahmt werden. In einer dritten Phase sollen Boote auch zerstört werden – sowohl auf Hoher See als auch vor der Abfahrt der Boote an Land.”

(PRO ASYL, EUNAVFOR Med: EU beschließt Militäraktion gegen Flüchtlingsboote, Mai 2015)

Nicht nur, dass das Bemühen erkennbar ist, die Aufmerksamkeit und Empörung der Öffentlichkeit auf “die Schlepper” zu lenken, die ja letztlich eine Nachfrage bedienen, die aufgrund der real vorhandenen Not der Menschen besteht, obwohl dies doch ein Resultat der Verweigerung der EU ist, reguläre Fluchtwege zu ermöglichen, damit möglichst viele Menschen ohne Lebensgefahr überhaupt eine Chance erhalten von ihren grundlegenden Rechten Gebrauch zu machen. Nun wird diese von der EU herbeigeführte Situation samt ihrer verdrehten Deutung auch noch ausgenutzt, um Kriegsschiffe gegen Schlauchboote und Holzbarken auszuschicken. Hierbei müssen, wie das damalige interne EU-Dokument darlegte, auch “Kollateralschäden” (an Flüchtlingen) in Kauf genommen werden (Zitat: “Non-compliant boarding operations against smugglers in the presence of migrants has a high risk of collateral damage including the loss of life”).

Was wir erleben, ist nicht nur, wie auf zynische Art und Weise einem Menschheitsproblem begegnet wird, das maßgeblich von EU-Staaten mithervorgebracht wurde (Kriege gegen Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen, Förderung von Terror-Kämpfern u.a. in Syrien, zerstörerische Handelspolitik etc. etc.), sondern, wie nun auch noch das Mittelmeer zu einer Art Hinterhof deklariert wird, auf dem Kriegsschiffe kreuzen, um gegen unbewaffnete Menschen mit Kanonen vorzugehen. Man darf vermuten, dass die erhöhte Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen, die sich zumindest im öffentlichen Auftreten von einigen Regierungsverantwortlichen beobachten lässt, auch sehr stark strategisch motiviert ist, indem man einfach demonstrieren will, dass man “Verantwortung übernimmt”. Diese soll sich dann aber auch in militärische Kategorien übersetzen, und eben von der Öffentlichkeit geduldet werden. Ich erinnere noch einmal an das Papier “Neue Macht Neue Verantwortung”, in dem das Militär nicht nur zur Territorialverteidigung (wir wissen’s, ein alter Hut, wo kämen wir dahin), sondern – mit zivilen Mitteln verschmelzend – gegenüber einem abstrakten “Risiko”klumpen eingesetzt werden soll, der eben von “Ressourcenknappheit”, über “Terrorismus” bis hin zu “Flüchtlingsströmen” reicht.

Bekanntlich werden viele Dinge ja nicht in ihrem Zusammenhang gesehen (eine zurückhaltende Formulierung in Anbetracht der Verhältnisse). Dadurch sollen nicht nur praktikable Lösungen als “unseriös” dargestellt werden (z.B. keine Kriegspolitik mehr, keine Waffenlieferungen, keine Gelder an Terror-Kämpfer als “nützliche Idioten”, stattdessen faire Handelspolitik, Schuldenerlass für die ärmsten Länder etc.), sondern es soll geradewegs aus der Not eine (misanthrophe) Tugend gemacht werden, um so etwa auf dem Rücken von Flüchtlingselend eine gesamteuropäische Geopolitik mit knallharten Methoden umzusetzen. Hierbei soll längerfristig im auserkorenen Rohstoff- und Arbeitskräfteverfügungsraum einerseits Abschottungspolitik betrieben werden, andererseits soll seinem selbst ernannten Machtzentrum (EU) ermöglicht werden, durch ökonomischen Zugriff und Militärbasen “Strategische Autonomie” zu “materialisieren”, wie es die ehemalige EU-Außenbeauftragte Ashton etwa 2013 schrieb:

„Das neue Augenmerk der Vereinigten Staaten für die asiatisch-pazifische Region ist eine logische Konsequenz der geostrategischen Entwicklungen. Es bedeutet auch, dass Europa mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit und die seiner Nachbarschaft übernehmen muss. […] Die Union muss in der Lage sein als Sicherheitsgarant – mit Partnern so möglich, autonom wenn nötig – in seiner Nachbarschaft entschieden zu handeln, dies schließt direkte Interventionen ein. Strategische Autonomie muss sich zuerst in der Nachbarschaft der Europäischen Union materialisieren.“

(Catherine Ashton, Preparing the December 2013 European Council on Security and Defence, Final Report, 15.10.2013, S. 2)

Wie solch eine “Nachbarschaft” dann später gestaltet sein könnte, beschreiben Vordenker, die wiederum für EU-ThinkTanks wie den EUISS tätig sind. Hierzu verweise ich auf einen Text von Jürgen Wagner, der sich intensiv mit dem EU-Geostrategen James Rogers und der angedachten “Grand Area” auseinandergesetzt hat.

Das sind Realitäten, die einfach Stück für Stück herbeigeführt werden, wenn man nicht aufpasst. Und so lebt man dann in einer Wohlstandshochburg (freilich einer mit Elendsquartieren und herbeigeführten humanitären Krisen im Innern), die zwar irgendwann – hoffentlich – konsequent und durchweg menschlich mit Flüchtlingen umgeht, wenn sie hier sind, andererseits jedoch alles dafür tut, dass diese gar nicht erst das Mittelmeer erreichen und von Diktatoren in Lager gesperrt werden, dort wo man sie nicht sieht, während man weiterhin imperiale Kriege zur Sicherung jener Ressourcen führt, die nach Elitensicht primär zum Wohle der “Globalisierungsverlierer” eingesetzt doch nur Verschwendung wären.

Es wäre schön, wenn eine über das Internet vernetzte und an Menschrenrechten orientierte Öffentlichkeit vielen Mitmenschen nicht weiterhin eine Sehfeldverengung aufpropagandisieren lassen würde, indem sie unermüdlich darauf aufmerksam macht, dass es keine großen Theorien braucht, um den Zusammenhang von Flucht, Krieg, Waffenexporten, Diktatorenpaktiererei, ökonomischer Ausbeutung und Machtausübung als diskussions- und handlungsnotwendig zu erkennen. Vortragsveranstaltungen, Flyer, selbstproduzierte Videos etc. Und endlich, bitte endlich eine Abwahl der Hauptverantwortlichen! (Zumindest jener, die abwählbar sind. Nicht jede(r) ist schließlich Großaktionär und kann somit durchgreifen auf die anti-demokratisch gestaltete Sphäre der Profitinteressenvertreter.)

Abschließend noch einmal unser damaliger Artikel zum Zynismus an den EU-Außengrenzen und darüber hinaus:

“EU Flüchtlingspolitik: >>Schutz der Reichen dieser Welt vor den Spannungen und Problemen der Armen<<“ (Mai 2015)

Jascha Jaworski

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