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General droht im Falle ernsthafter Demokratie in UK mit “Meuterei”

Passend zum Zitat zum Sonntag [1] reiche ich eine Meldung aus UK nach, um zu fragen, ob es sich schlicht um Propaganda oder eben die engen Grenzen dessen handelt, was über lange Zeit stolz und selbsterhöhend als Demokratie verkündet wurde. Ein General der britischen Streitkräfte hat der Sunday Times gegenüber geäußert [2], dass unter dem Szenario einer Regierung unter Jeremy Corbyn, die sich einer Erneuerung des U-Boot-gestützten Atomraketenprogramms verweigern oder einen Austritt aus der NATO anstreben würde, oder Entscheidungen träfe bezüglich “irgendwelcher Pläne”, die Streitkräfte “zu entmannen oder zu verkleinern”, Generäle in “direkter und öffentlicher Art und Weise” den Regierungschef in diesen Fragen “in die Schranken weisen” würden. Der General, der sich anonym äußerte, sprach davon, dass die Armee dies “nicht dulden” würde und der Generalstab es einem Prime Minister “nicht erlauben würde”, die “Sicherheit des Landes zu gefährden”. Zudem glaube er, dass Personen sich “gleich welcher Methoden”, ob “ehrlicher oder unehrlicher” bedienen würden, um dies zu verhindern. Hierbei sprach er von einer “Meuterei”. Wer die begleitenden Äußerungen zur Kenntnis nimmt, darf es wohl mit Putsch übersetzen.

Ob es sich nun um Propaganda handelt oder um die Wiedergabe der tatsächlichen Einstellungsausprägungen in der Armeeführung (man darf vermuten beides), hier wird sehr schön deutlich, wie allein das Nachdenken über gesellschaftliche Fragen durch Angsterzeugung verhindert werden soll. Jeremy Corbyn versucht ja zunächst nichts anderes, als den Menschen in UK wieder eine öffentliche Debatte über grundlegende Sachverhalte zu ermöglichen. Also das zu beseitigen, was seit vielen Jahren zur “Politikverdrossenheit” und Wahlabstinenz führt. Und genau hierfür hat er hunderttausende begeisterter UnterstützerInnen gewonnen, mit deren Hilfe er zum Chef der Labour Party gewählt wurde, ebenfalls in einem Akt demokratischer Willensbildung. Er will nun Fragen, die zuvor abgeschottet in den Machtetagen einfach festgelegt und über die Massenmedien als gesellschaftliche Gewissheit verbreitet wurden, wieder von der Bevölkerung debattieren und entscheiden lassen. Warum muss UK in der NATO sein, wenn Österreich es nicht ist? Warum muss UK Massenvernichtungswaffen haben, wenn auch Länder wie Italien oder Deutschland sich ohne diese keiner Bedrohung der “nationalen Sicherheit” gegenübersehen? Warum dürfen Militärausgaben nicht gekürzt werden, wenn stattdessen bei den Ärmsten der Armen, bei Gesundheit und Bildung gekürzt wird? Naja, die Hochzeit von Fadenscheinigkeit und Augenscheinlichkeit in der Führungsetage kennt man ja.

Die Hintergründe der Angstverbreitung sind ebenso wenig schleierhaft, man sollte jedoch die Momente, da sich ein Riss im hermetischen Machtsystem auftut, nutzen, um anderen Menschen zu belegen, in was für einem engen Korsett der Demokratie sie sich eigentlich befinden, und was für verheerende Konsequenzen dies hat, wenn die Welt dabei nur immer ungleicher, rassistischer, extremistischer und kriegerischer wird, wohlgemerkt gemacht wird. Würden die ParlamentarierInnen in UK es ernst meinen mit der Demokratie, würden sie nun eine Untersuchung dazu fordern, welcher General derartige antidemokratische Drohungen anonym verbreitet hat. Stattdessen dürfen wir jedoch mitansehen, wie selbst im Schattenkabinett von Corbyn einige der Nominierten ihre oppositionelle Haltung zum neuen Labour Chef über die Massenmedien verkünden lassen, um zu signalisieren, dass “ihre” Labour Party sich auch unter der ausdrücklichen Forderung der Mehrheit der Mitglieder nach mehr demokratischem Entscheidungsspielraum am liebsten keinen inch weit vom Elitenkonsens entfernen würde. Demokratie geht anders.

Dazu:

“‘We won’t stand for it’: Army top brass warn there will be a MUTINY if Jeremy Corbyn becomes Prime Minister” [2] (DailyMail, 20.9.2015)

“British Army ‘could stage mutiny under Corbyn’, says senior serving general” [3] (The Independent, 20.9.2015)