Diesen Artikel drucken Diesen Artikel drucken
12

Lokales: Kurzes Statement zum Artikel in den Kieler Nachrichten (KN)

Als Unterstützer der Kieler Occupy Bewegung haben wir uns gestern an der Diskussionsrunde mit Herrn Snower (IfW) und Herrn Bormann (Sparkasse) beteiligt. Natürlich kann ein kurzer Artikel keine realitätsgetreue Abbildung des Gesprächs sein (und will es auch überhaupt nicht). Soweit ich informiert bin, wird bald ein Video der Diskussionsrunde zur Verfügung stehen, das sich Interessierte dann ja anschauen können.

Zwei Bemerkungen will ich jedoch machen:

1. Wir (Maskenfall) stimmen nicht mit den Positionen eines Dennis Snower überein und halten viele für – höflich gesagt – wenig erstrebenswert.

2. Wenn wir Steuererhöhungen fordern, so müsste man hinzufügen “zielgenaue und gerechte”, da sie natürlich nur bei bestimmten Sektoren und Personengruppen hierzulande sozial und volkswirtschaftlich sinnvoll sind.

Zu 1.: Sollte es in der Berichterstattung der KN so wirken, als wären wir gegen Ende der  Diskussionsrunde konvergiert gegen die Position eines Dennis Snower, so ist dem nicht so. Die Snower´schen Vorschläge etwa zu Beschäftigungsgutscheinen (wohl als eine Art Kombilohn, der Arbeit für Unternehmen subventioniert), hält Maskenfall für falsch, da der Unternehmenssektor als Ganzes in den letzten Jahren so gehätschelt wurde, dass er nicht mehr weiß, wohin mit dem Geld (seit einigen Jahren schon spart der Sektor in der Summe, anstatt sich zu verschulden, das ist eine schädliche Entwicklung, siehe hierzu z. B. Flassbeck, S. 475)). Zudem kann unserer Meinung nach mit einer anderen Einkommensverteilung hervorragend Beschäftigung geschaffen werden, da genügend Bedarf ja vorhanden ist, u.a. nach Bildung und Pflege, nur jene Menschen, die es gern abrufen würden, werden nicht in die finanzielle Lage hierzu versetzt. Aber auch insgesamt, vertritt Herr Snower einen wirtschaftlichen Ansatz, der auf Individualisierung setzt und die Verantwortung des Einzelnen, während wir die Ursachen für Armut natürlich im System und seinen Machtverhältnissen sehen. Wir wollen jeden/jede dazu ermuntern, einmal darüber nachzudenken, weshalb 1% der Bevölkerung hierzulande so viel besitzt wie die unteren 90% und sich immer wieder die Frage zu stellen: “Wer erhält was und aus welchen Gründen?”, statt sich von einer gesellschaftlichen Analyse ablenken zu lassen, die nur von Anreizen redet und die – wie in der Diskussion geschehen – behauptet, Kritik an den Reichtumsverhältnissen hätte etwas mit Neid zu tun. Das ist platteste Demagogie.

Zu 2.: Wenn wir für “signifikante Steuererhöhungen” eintreten, dann natürlich auf Seiten jener, die überprivilegiert sind und wurden in dieser Gesellschaft. Besonders im letzten Jahrzehnt hat es auch durch Steuergesetze enorme Umverteilungen von unten nach oben gegeben. Auch sind zumindest meiner Meinung nach treffsichere, jedoch starke Steuererhöhungen nur der Anfang, sie dienen nur der Linderung akuter Not und der Verhinderung eines Kollapses des Wirtschaftssystems. In der längeren Perspektive braucht es hingegen wesentlich mehr Dinge, die dazu beitragen, dass Menschen für sich selbst arbeiten und nicht für den Profit anderer, dazu beitragen, dass Demokratie mit Geist gefüllt wird und sich nicht in einem blinden motorischen Akt alle vier Jahre erschöpft, dazu beitragen, dass sich Europa nicht gegen den globalen Süden abschottet und Flüchtlinge ertrinken lässt oder zuschaut, wie eine Milliarde Menschen weltweit hungern…

Jascha Jaworski

12 Kommentare

  1. oh! das war das am Sonntag oder?
    Und wie war’s?
    -ja ja ich vermisse schon Deutschland und versuche also mich zu informieren, was dort passiert ist/ passiert XD
    Oh, und das Ratschlag war…heute? oder morgen?? hmm heute glaube ich. Wie war’s? Was habt ihr denn gemacht?
    L.G
    Mary Renaudin

  2. Das Mitleid war wohl zu groß ;) Ja stimmt, etwas unaufmerksam von uns, war aber keine Absicht.

  3. Hallo,
    ich habe Euer Video gesehen und finde Euch Klasse. Ihr erinnert mich an meine Stimmung damals bei der großen Demonstration am 4.November 1989 in Ostberlin. Nach über 20 Jahren Existenzangst und Kampf ums Überleben spüre ich erstmals (nach meiner Berentung) so etwas wie Befreiung, aber gleichzeitig auch Ohnmacht. Leider sind viele meiner Altersgenossen traumatisiert und haben sich längst in ihre Schneckenhäuser zurückgezogen, wenn sie denn jemals draußen waren.
    Ihr macht Mut!
    Snower und Borman sind ganz sicher keine ernsthaften und konstruktiven Gesprächspartner sondern nur Beschwichtiger, geprägt von der Angst, ihre sich dynamisch entwickelnden Besitzstände zu verlieren. Zumindest Snower spürt, dass man etwas tun muß, weil es sonst nicht mehr lange gut geht, aber er wirkt eher weltfern und hilflos.
    Eure Präsenz und Aktion ist das einzig Richtige, d. h. Demokratie in Aktion.
    Die bürgerliche Demokratie ist längst zu einem demagogischen Lobbyistenclub verkommen und wird immer mehr durch die Finanzmärkte bestimmt, ein schleichender Putsch.
    Es gibt keine höhere Gewalt, die das aufhalten könnte außer uns.

  4. Lieber Ingo,

    danke für die positive Rückmeldung, das wiederum macht uns Mut. Ich gebe Dir vollkommen Recht, was die Beschwichtigerrolle von Bormann und Snower in der Diskussionsrunde betrifft. Der Neoliberalismus verändert zu Weilen offenbar seine Taktik bei jenen Kritikern, die er nicht mit den üblichen Vorwürfen zum Thema Neid und Gleichmacherei diskreditieren kann, um stattdessen Dialogbereitschaft zu simulieren oder mit pastoralen Worten in Umarmungen zu ersticken. Umso wichtiger, dass man sich hier nicht einlullen lässt, sondern immer wieder auf die Elend hervorbringenden Verhältnisse verweist. Wir sollten uns also alle gegenseitig darin bestärken, gegen den “schleichenden Putsch” vorzugehen, die Mehrheit ist ja auch eigentlich auf unserer Seite, möchte ich behaupten. Insofern liegt hinter den Schleiern der Irreführungen und Sozialneidmythen Hoffnung, dass sich das gesellschaftliche Bewusstsein ändern kann.

    Solidarische Grüße,
    Jascha

  5. Die Herren Snower und Bormann zeigen in der Diskussionsrunde, dass sie Ideologen sind, deren Denkstrukturen sie daran hindern, die Argumente ihrer Gesprächspartner überhaupt zu verstehen. Eigentlich ist das keine neue Erfahrung.
    Mit freundlichen Grüßen
    Werner Runde

  6. Ich danke euch ganz herzlich für dieses Video. Denn es zeigt mir, dass noch mehr Menschen sich KONSTRUKTIV Sorgen machen und sich nicht nur beklagen. Dass jemand wie Albrecht Müller dieses Know-How hat ist ja klar, aber ihr seid einfach nur normale Leute wie ich. Also: Grossartig!

    Mir sind zwei Dinge aufgefallen: Erstens ist der Chef(?) der Sparkasse Förde ganz schön schnell eingenordet worden, beziehungsweise hat den Mund gehalten. Der Snower hingegen hat euch einen Vorschlag gemacht, den ihr dem nächsten dieser Art aber so richtig um die Ohren hauen könnt: Dieser runde Tisch verschiedener Gesellschaftsgruppen. Das ist ein fürchterliches Laber- und Verzögerungsinstrument, das wahrscheinlich so fruchtbar sein wird wie das Kyoto-Protokoll. Also lassen wir uns in sowas nicht reinziehen.
    Ein anderer Punkt, der hier nicht angesprochen wurde, war das Sponsoring durch Firmen in den Bereichen, in denen der magersüchtige Staat keine Kraft mehr für Investitionen hat, z.B. Bildung.
    Diese Idee wurde letztens bei Illner oder Phoenix angesprochen. ES KANN NICHT SEIN, DASS DIE ALLGEMEINHEIT DAS,WAS SIE ERARBEITET HAT, ALS ALMOSEN IN DANKBARER VERBEUGUNGSHALTUNG VON EINEM GRINSENDEN FETTSACK ENTGEGENZUNEHMEN HAT!

  7. Die Herren Snower und Bormannn sind nicht nur Ideologen, sie sind auch dumm. Leider begegne ich dieser “besonderen Spezies” nicht nur in den einschlägigen Medien, wie die abendlichen Quasselbuden auch Talkshows genannt oder der Deutsche Bundestag, sondern auch immer häufiger in meinem Alltag, ganz besonders im Berufsleben. Ich arbeite unterhalb der Managementebene und befinde mich räumlich auf derselben Etage in einer sogenannten Stabsabteilung. Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich in den letzten Jahren den Satz gesagt habe: “Das, was Sie da gerade sagen, beleidigt meine Intelligenz”. Es erschrickt mich immer häufiger zu merken, dass eine bestimmte beschränkte Denk- und Sprechweise in den Etagen der Entscheider in Wirtschaft und Politik dominiert. Und ich frage mich schon seit längerem, wie konnte das passieren?

    Ich habe mir die Occupy-Bewegung bis jetzt vom Straßenrand angeschaut – sprichwörtlich gemeint aber auch geistig. Aber ich muss sagen, die Art der Redebeiträge in dieser Diskusionsrunde, ganz besonders die von Ihnen beiden, hat mich ein ganz großes Stück näher herangezogen.

    Ich möchte einen Teil aus einem Blogeintrag hier einfügen, den ich heute morgen gelesen habe. Er stammt von der Homepage von Klaus Baum “Notizen aus der Unterwelt”:

    Zitatanfang:
    “Kurzes Zwischenstatement meiner bisherigen Schilderung:

    Das Problem der Gesellschaft ist nicht, dass es Menschen gibt, die geistig bescheiden sind, sondern dass sie mit ihrer Begrenztheit andere dominieren, ihnen ihre Grenzen aufdrücken – oder dass sie in ihrer geistigen Beschränktheit unansprechbar sind, dass man sie nicht erreicht, weil sie nur dasjenige aufnehmen, was ihnen entspricht, aber nie das, was über ihren Horizont hinausweist.

    Das heißt, sie vermitteln einem das Gefühl der Wertlosigkeit: Was sie nicht verstehen, existiert nicht. Und wenn man etwas verkörpert, dass sie nicht verstehen, existiert man nicht.”
    Zitatende.

    Diese Sätze bringen das in herragender Weise auf den Punkt, was ich beim Anschauen der Diskussionsrunde gedacht und gefühlt habe.

    Man fühlt sich manchmal sehr alleine. Sie tun etwas dagegen! Und dafür Vielen Dank.

  8. Moin
    Immer wieder taucht das Argument des 100 Meter Laufes auf, den jeder gewinnen will. So auch in Kiel. In der Runde mit Snower und Bormann benutzte der Bormann ebenfalls diesen Spruch. Und leider widersprach dieser abstrusen These niemand. Die gesamte arbeitende Bevölkerung als Sprinter zu bezeichnen. Und auch noch mit absoluten Siegeswillen ausgestattet!! Wäre es so, keiner würde für ein “Taschengeld” arbeiten gehen. Es ist doch eher der Marathon oder das Olympische Motto, “Dabei sein ist alles” welches als Slogan genannt werden muss!

    Gruss

    schwerti

  9. @Cäcilia
    ich stimme Ihnen zu, dass wir von beschränkten Menschen in oberen Etagen regiert werden. Sowohl im politischen, als auch im wirtschaftlichen. Aber meiner Meinung nach ist das einerseits systemimmanent, andererseits aber auch natürlich. Denn wer aufsteigen will, der muss nach oben schauen, und nicht nach unten.
    Jedoch bin ich der Überzeugung, dass es nicht wenige “da oben” gibt, die genau wissen, was sie tun. Ich halte von dem, was ich an nonverbaler Gestik gesehen habe, den Bormann für einen, der in das System hineingewachsen ist und auch so agiert. Er kennt es nicht anders.
    Snower hingegen weiß genau, was er tut. Er arbeitet mit dem IWF in vielen Ländern und muss einfach sehen, was alles vor sich geht. Von ihm kam auch dieser seltsame Vorschlag des runden Tisches aller Gruppen. Als ob wir eine offene Entscheidung gleichberechtigter Entscheidungsträger hätten…
    Ich denke da auch an das von Schramm gern verbreitete WarrenBuffet-Zitat.

Schreibe einen Kommentar zu Werner Runde Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.