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Medienkritikkritik: ZAPP nutzt Gunst der Stunde – auch gegen NachDenkSeiten

Das Magazin ZAPP, das zu vielen Dingen durchaus gute und kritische Beiträge bringt, hat sich leider einer sehr groben Methode bedient, mit der die NachDenkSeiten offenbar diffamiert werden sollen. In einem Beitrag über Medienkritiker [1], die aus dem Spektrum rund um AfD, PEGIDA und diversen rechtspopulistischen Plattformen (Compact, KOPP Verlag, PI NEWS etc.) stammen, werden plötzlich wie selbstverständlich auch die NachDenkSeiten aufgezählt. Was haben die NachDenkSeiten mit dem vorgenannten Spektrum, das sich durch Fremdenfeindlichkeit, Anti-Islam-Propaganda und Weiteres auszeichnet, zu tun? Genau, sie kritisieren die Medien. Das war’s dann aber auch.

Die NachDenkSeiten tun es nämlich auf eine ganz andere, u.a. empirisch belastbarere Weise, als das vorgenannte Spektrum. Doch ist dies nicht etwa Anlass dazu, scharf zu trennen, was die unterschiedlichen Arten der Medienkritik anbelangt, sondern vielmehr Gelegenheit, durch eine lockere Assoziation einen ungeliebten Kritiker zu diffamieren, um auf diese Weise einer argumentativen und ernsthaften Auseinandersetzung mit Kritik aus unterschiedlichen Richtungen zu entgehen. Zum Vorgang berichten die NachDenkSeiten selbst:

“Die Diffamierung der NachDenkSeiten geht weiter. Da hilft wohl nur Aufklärung mit Ihrer Unterstützung. Darum bitten wir.” [2] (NDS, 12.11.2015)

Lohnenswert ist es auch, die 6 Min. ZAPP Video anzuschauen, um sich die Stilmittel zu verdeutlichen, siehe hier [1].

In der Sendung kommt ein Wissenschaftler zu Wort, der darauf hinweist, dass “die Medien” als Feindbild betrachtet werden, da sie als Teil einer “Verschwörung” gesehen werden. Das mag zwar bei o.g. Spektrum der Fall sein, wer die NachDenkSeiten jedoch seit Jahren liest, weiß, dass diese eine andere Position vertreten. Hier spielt die Auseinandersetzung mit publizistischer Macht, strukturellen Faktoren (Medienkonzentration, Profitinteressen, Verkaufsdruck) etc. eine große Rolle. Verschwörungen spielen nur insofern eine Rolle, als dass eben publizistische Macht nachgewiesenermaßen genutzt wird, um Partikularinteressen auf intransparente Weise und mit falschen Argumenten und Stimmungsmache zu befördern (so z.B. bei der Rentenreform [3]). Doch das interessiert ZAPP nicht. Kritik ist Kritik, und wenn es falsche Kritik gibt, ist alle Kritik – solange sie grundsätzlicher Art ist – falsch.

Der ZAPP Beitrag bemüht sich sichtlich darum, eine ernsthafte Diskussion um das erschütterte Medienvertrauen, das sich eben nicht allein im Spektrum rund um AfD und PEGIDA finden lässt, unter den Tisch fallen zu lassen. Ein wenig lächerlich ist das schon, wenn damit nun stets gründsätzliche und tiefgreifende Medienkritik beseite gefegt werden soll. Nicht nur hierzulande ist nämlich immer offensichtlicher geworden, dass man “Unabhängigkeit” und “Objektivität” von Leitmedien eben nicht einfach als unhinterfragbare Tatsache betrachten sollte, sondern sich Gedanken darüber machen muss, was diese Begriffe meinen und welche Voraussetzungen für ihre Gültigkeit bestehen müssten.

Hierfür breitet sich das Bewusstsein immer weiter aus: In Großbritannien wettert der Medienmainstream geradezu gegen die neue Parteiführung der Labour Party, viele Menschen halten mit kluger Kritik und der Entlarvung propagandistischer Mittel dagegen. Dort handelt es sich jedoch nicht um AfD, PEGIDA und Islam-Feinde. In den USA haben zahlreiche Studien wiederum an großen Themen empirisch gut belegt, wie Berichterstattung systematisch verzerrt ist und auf leichtfertigste Weise Falschinformationen transportiert, die ganz auf Regierungslinie liegen. Hierbei wurde immer wieder deutlich, dass führende Journalistinnen und Journalisten sogar noch einen obendrauf gesetzt haben, wenn es darum ging, z.B. Kriege zu rechtfertigen (etwas, das sich hierzulande ja geradezu mit den Händen greifbar im Ukraine-Konflikt beobachten ließ, aber ebenso grundsätzlich dann, wenn es um das “westliche Bündnis” und die NATO geht oder eben um “Militärintenventionen”, denen die Bevölkerung mehrheitlich strikt entgegensteht).

Hinter dem Verhalten der Mainstreammedien stehen sicherlich eine Reihe spannender, wechselwirkender Faktoren, die sich zudem auf unterschiedlichen Ebenen ereignen (sozialpsychologisch z.B. Konformität, politökonomisch z.B. Eigentumsstruktur und Profitinteressen), den Phänomenbereich nun jedoch einfach wegzuwischen, ist ein armseliger Versuch, sich der ernsthaften Auseinandersetzung zu entziehen.

Doch der ZAPP Beitrag macht deutlich: Wer scharfe Medienkritik äußert, der geht entweder eben von einer “Verschwörung” aus (= ist verrückt), gehört zu den Rechtspopulisten und/oder hat nicht verstanden, dass es sich eben einfach um mehr oder weniger harmlose Ungenauigkeiten handelt, über die nicht genauer nachgedacht werden muss, und denen man nicht etwa dadurch begegnet, dass man seine Quellen deutlich diversifiziert und der allgemeinen Berichterstattung eben bei bestimmten Themen auch deutlich widerspricht bishin zu Nullvertrauen schenkt. Als Kronzeuge kommt nun im Beitrag von ZAPP noch ein Spiegel Online-Mitarbeiter zu Wort, der noch einmal zusammenfasst, was die auf jeden Fall falsche Version der Realität ist: “dass sie die Leute glauben machen wollen, als würden wir, die großen Medien, einseitig berichten”. So einfach ist das eben.

Zerrdarstellungen durch ZAPP Beiträge, wenn es darum geht, Medienkritik zu entkoffeinieren, sind leider nichts Neues. Ich erinnere an meine damalige Auseinandersetzung mit Daniel Bröckerhoff über seinen Beitrag zur Kritik an der Aktivität von Journalisten in transatlantischen Think Tanks (seinen Videobeitrag siehe z.B. hier [4]):

“ZAPP-Video bemüht sich im jugendlichen Style um Deutungshoheit in Sachen Alpha-Journalismus” [5] (19. Mai 2014)

“Fortsetzung zum ZAPP-Beitrag vom 14. Mai – Daniel Bröckerhoff bezieht Stellung” [6](26. Mai 2014)

Das Beispiel ist lehrreich, da es einerseits den Einsatz von Stilmitteln zur Verengung und Herstellung bestimmter Schlussfolgerungen aufzeigt, und andererseits wiederum mit dem Ergebnis solch eines Vorgangs, Medien vor grundlegender Kritik geradezu abgeschottet werden sollen.

Wer regelmäßig NachDenkSeiten liest, aber auch so manche Artikel von uns zum Thema Medien, Falschinformation und Propaganda zur Kenntnis genommen hat, für den oder die kann das “ob” der systematischen Verzerrung (bis themenweiser massiver Propaganda) von Mainstreammedien keine Frage mehr sein. Spannend ist eher, wie es genauer zu diesen Phänomenen kommt (denn die unterschiedlichen Erklärungsfaktoren kann man hier unterschiedlich stark gewichten). Und spannend wäre auch in Erfahrung zu bringen, wie man sich allgemein vor Propagandisierung schützen kann, ob nun aus dem Mainstream oder auch bestimmten Spektren jenseits des Mainstream. Hier dürfte jedoch Wissen über politische, ökonomische und mediale Zusammenhänge und Phänomene einer der Hauptschutzfaktoren sein, für dessen Institutionalisierung es die gute und aufgeklärte Gesellschaft eben erst bräuchte.

Ich verweise übrigens noch auf ein Beispiel aus dem Deutschlandfunk das aufzeigt, dass auch im Medienmainstream eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Spektrum möglich ist, wenngleich sie auch leider eine seltene Erscheinung bleibt:

“Ungefragte Übereinstimmung mit Brüssel und Berlin” [7] (Brigitte Baetz, Deutschlandfunk, 2.10.2015)

Der Titel des Scripts zum Beitrag verzichtete übrigens auf das “ungefragt” und lautet: “Das TINA-Syndrom – Die Griechenland-Krise in den deutschen Medien”.

Abschließend noch der Verweis auf Beispielstudien aus dem US-Raum zur Funktions- und Manipulationsweise von Leitmedien. Auch sie machen deutlich, dass hier ein enormer gesellschaftlicher Diskussionsbedarf bestünde, wenn allgemeine Aufklärung statt Propaganda (die sich mindestens bei den besonders machtrelevanten Themen (z.B. Krieg, Makroökonomie) beobachten lässt) der oberste Grundsatz der Medien wäre, dem strukturell Rechnung getragen würde:

„Cascading Activation: Contesting the White House’s Frame After 9/11″ [8] (Entman, 2003. Betrachtet wird am Beispiel des Irak-Krieges 2003 die Kopplung der Massenmedien an Regierungseliten, sowie ihre Funktionsweise im Dienste dieser.)

„Framing the War on Terror“ [9] (Reese & Lewis, 2009. Hier wird die verantwortungslose mediale Verbreitung und Anwendung der von der Regierung Bush II konstruierten mächtigen Propagandametapher „War on Terror“ in der Berichterstattung der größten US-Tageszeitung USA Today analysiert.)

Und ein paar Befunde zur Wirkungsabschätzung:

„Misperceptions, the Media, and the Iraq War“ [10] (Kull, Ramsay & Lewis, 2003. Hier wird die Falschinformiertheit der US-Bevölkerung über die herbeigelogenen Massenvernichtungswaffen und al-Qaida-Verbindungen des Irak, sowie die Ausprägung der öffentlichen Meinung zum Irak-Krieg in anderen Ländern in Abhängigkeit der Mediennutzung  betrachtet. Je mehr falsche Überzeugungen, desto stärker war, wie zu erwarten, die Zustimmung zum völkerrechtswidrigen Krieg. Der Sender Fox News nahm eine besonders herausragende Stellung bei der Desinformierung ein.)