Der Krieg in Gaza ist wahrscheinlich eine der bedrückendsten Erscheinungen von Hass, Macht, Propaganda, der Nicht-Geltung der Universalität der Menschenrechte, dem Messen mit zweierlei Maß in einem Intensitätsgrad, bei dem mir nur das Wort ‘surreal’ einfällt. Er geschieht vor dem Hintergrund der freilich ungeheuerlichen Verbrechen der Hamas vom 7. Oktober. Das kann jedoch nicht verdecken, dass es sich bei diesem Krieg und der Art, wie er geführt wird, wie die Zurschaustellung der Dystopie, auf der unsere Weltordnung aktuell gebaut ist, handelt. Die deutsche Bundesregierung macht sich mit ihrer diplomatischen, rechtlichen und militärischen Unterstützung der israelischen Regierung in erheblicher Weise mitschuldig (moralisch alle Male, inwiefern auch justiziabel, das wird hoffentlich die weitere Zukunft zeigen). Von offensichtlich realitätsjenseitigen Aussagen des Bundeskanzlers, Israels Militär würde sich an das Völkerrecht halten, über erhebliche Waffenexporte an das Land, das gerade einen Krieg führt, bei dem der Internationale Gerichtshof ein >>plausibles Risiko<< für einen Schaden an den Rechten der Palästinenser feststellt, die aus der Genozidkonvention resultieren – eine vornehme Formulierung für eine Monstrosität -, bis hin zu jüngsten rechtlichen Interventionen der Bundesregierung, die die Entscheidung über die beantragten Haftbefehle des Internationen Strafgerichtshofs gegen israelische Regierungsverantwortliche erheblich verzögern dürften.
Wer das Handeln der israelischen Regierung und ihrer Armee jedoch zur Kenntnis nimmt, weiß – auch ohne die diversen Urteile, Gutachten und Einschätzungen der höchsten Gerichte dieser Welt -, dass >>der Westen<< hier durch seine Rückendeckung noch einmal eine seiner entlarvendsten Machtdemonstrationen vor den Augen der Weltöffentlichkeit aufführt. Doch aus welchen Motiven heraus und unter welchen Einflüssen?
Immense historische Schuld, ebenso wie die offenbar arg missverstandene Lehre aus den ungeheuerlichen Verbrechen des Holocausts spielen auf deutscher Seite sicherlich eine ganz erhebliche – und tragische – Rolle. Bruno Maçães hat sich in einem lesenswerten Aufsatz mit den psychologischen Seiten der westlichen Fehlidentifikation in dem seit Jahrzehnten andauernden ‘Konflikt’ auseinandergesetzt.
Einer der ganz großen Namen in Bezug auf diesen Konflikt, wenn es um Aufklärung im tiefgründigen Sinne geht, ist freilich der israelische Historiker Ilan Pappe. In seinem neuesten Buch hat er sich mit den politischen Lobbyorganisationen auseinandergesetzt, die die Aufrechterhaltung des nicht Aufrechterhaltbaren betreiben. Er berichtet über Einflussgruppen in Großbritannien und den USA, ihren historischen Wandel, ebenso wie die teils überraschenden Wurzeln zionistischer Ideen. Ich empfehle daher wärmstens ein Interview zum Buch, das Ilan Pappe jüngst im britischen Format >>Novara Media<< gegeben hat (leider ohne deutsche Untertitel):
“The Israel Lobby Is Real. This Is How It Works | Aaron Bastani meets Ilan Pappé” (YouTube-Kanal von Novara Media, 16.6.2024)