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Aktuelle Kriegsrhetorik: Von Verantwortung, Bananen und Profiten

Paul Schreyer geht in einem Telepolis-Artikel auf den geistigen Nährboden des vehementen Kriegsmarketings ein, das besonders in letzter Zeit von zentralen deutschen Führungsfiguren betrieben wird. Wie Herr Schreyer aufzeigt, dürfte als Blaupause der Großmachtphantasien v.a. von Gauck und Steinmeier, die ihre Kernbotschaft in den üblichen Verantwortungssprech hüllen, das ThinkTank-Papier “Neue Macht. Neue Verantwortung” gedient haben, in dem die Länder dieser Welt in Freund und Feind, wichtig und unwichtig eingeteilt werden und die Forderung erhoben wird, dass in Anbetracht einer schwächelnden Supermacht USA nun vermehrt deutsche Soldaten in den Krieg geschickt werden sollen, für den “Zugriff auf Rohstoffe”1 und die Sicherung wirtschaftlicher Partikularinteressen. (Siehe Paul Schreyer: “Wir sind die Guten”)

Es ist ja eine alte Gewissheit von links, dass Kriegseinsätze stets darauf hinauslaufen, dass Menschen ihr Leben für jene Interessen lassen, mit denen sie eigentlich nichts zu tun haben, nämlich jener Figuren, die sie in diese Kriege schicken, indem mit patriotischen Verblendungskategorien2 Eliteninteressen als die Interessen der “Allgemeinheit” verkauft werden. Man muss nicht einmal Marxist sein, um diesen Sachverhalt zu erkennen, schließlich ist die wirtschaftliche Aufstellung – mit der ja Kriegseinsätze von den genannten Vertretern begründet werden – im Neoliberalismus sehr eindeutig geworden. Das Gerede vom Wohlstands- und Stabilitätserhalt klingt in Anbetracht der Verhältnisse doch wie Hohn und sollte gelesen werden als die Erfüllung der Interessen großer Kapitalfraktionen, die überwältigend von den Entwicklungen profitiert haben, während die übrige Bevölkerung, sowie die Bevölkerungen in vielen anderen Ländern (vom wirtschaftlich strangulierten Südeuropa bis zu den geplünderten Entwicklungsländern) an die Wand gedrängt werden. Die verrohten Verhältnisse sind abzulesen etwa daran, dass 1% der Bevölkerung hierzulande so viel wie die “unteren” 90% besitzt, dass die Armuts”risiko”quote mittlerweile bei 16% liegt, dass im letzten Jahrzehnt ein gesamtwirtschaftliches Lohndumping von mehr als einer Billion Euro betrieben wurde, dass die Schaffung eines der größten Niedriglohnsektoren in Europa mit Stolz verkündet wurde oder eben die massivste Sozialdemontage seit Gründung der Bundesrepublik erfolgte. Dies alles natürlich, während die Gewinne explodierten.

Auch wenn sich bislang noch ein Großteil der deutschen Bevölkerung gegenüber den militärischen Expansionsideen im Dienste des großen Profits verweigert, sollten friedensbewegte Menschen sich aktiv einbringen, um ihre Mitmenschen darauf aufmerksam zu machen, wohin die Reise mit Deutschland nun erneut rasant gehen soll und wessen Interessen da auf Kosten vieler Leben weltweit umgesetzt werden sollen. Mit der Aussetzung der Wehrpflicht sollte die Sensibilität der Bevölkerung gegenüber Kriegseinsätzen gesenkt werden. Die PR-Offensiven der Bundeswehr werden zugleich gesteigert, um die benötigten Zeit- und Berufssoldaten für die gewünschte Interventionsarmee anzuwerben. In Zeiten von Massenarbeitslosigkeit und prekärer Beschäftigung soll offenbar durch Karriereversprechen im Militär die Gefahr für Leib und Leben schön geredet werden. Zur PR-Offensive der Bundeswehr führt ein PROKLA Artikel von Euskirchen und Singe (2011) etwa auf, dass 2009 180 öffentliche Gelöbnisse stattfanden, 12 große Zapfenstreiche, 115000 Jugendliche von Jugendoffizieren, sowie weitere 281000 von Wehrdienstberatern in der Schule aufgesucht wurden und 3266 LehrerInnen “Fortbiltungen” seitens der Bundeswehr erhielten. 2008 schaltete die Bundeswehr Werbeanzeigen in 170 Schülerzeitungen, sowie in den Jugendmagazinen SPIESSER und BRAVO, druckte 250000 Exemplare ihrer Zeitschrift “infopost” (Zielgruppe 14-21 Jahre, siehe auch “Deine Jugendseite treff.bundeswehr.de”). Zudem geht aus dem Artikel hervor, wie die Bundeswehr nicht nur durch nationalen Pathos in den Köpfen, sondern ebenso durch Institutionen wie die “Zivil-Militärische Zusammenarbeit im Inland (ZMZ-I)” mehr und mehr im zivilen Alltag verankert wird.

Auch, was den Zweck der Kriegseinsätze betrifft, wird zu Weilen bereits erstaunlich zynisch mit PR-Material experimentiert. Wir hatten das Video bereits vor einiger Zeit verlinkt:

Bananen für die Mittelschicht, Lebensgefahr für die SoldatInnen und ihre Kombattanten oder eben “Kollateralschäden”, saftige Profite für die Konzerne und lukrative Pöstchen für die altgedienten Wirtschaftsmarionetten. Das offenbar soll “Verantwortung” sein.

 

  1. Formulierung aus der Regierungserklärung von Frau Merkel vom November 2009 []
  2. heutzutage verbunden mit einer verdrehten Verantwortungsrhetorik []

Jascha Jaworski

2 Kommentare

  1. Vor einiger Zeit hatten sie mir gegenüber angedeutet, dass sie sich über feedback zu ihrer Seite, welches ich ihnen hiermit geben möchte, freuen würden. Persönlich kann ich die Idee hinter dieser Seite nur gutheißen. Wenn man sich mit den hier bereits angesprochenen Themen auseinandersetzt, kommt zwangsläufig die Frage auf, warum “die Anderen” das denn nicht auch erkennen. Ich selbst kam interessierte mich erst für Politik und Wirtschaft, seit ich begonnen hatte mit Aktien zu handeln. Schnell werden einem die “dunklen Machenschaften” an den Märkten klar, wenn man versucht zu verstehen, warum sich die Kurse denn so bewegen, wie sie sich bewegen.
    Worauf ich damit hinaus möchte ist, dass es diese eine Initialzündung benötigt, die einem aus dem Matrixartigen Geisteszustand heraus reißt und dazu bringt Dinge wieder zu hinterfragen. Die schnell zu Tage kommenden Lügen und Intrigen sind motivation genug sich tiefergehend mit der Materie zu beschäftigen.
    Mein Auslöser ihnen gerade jetzt zu schreiben war mein Stolpern über ein Video auf Youtube. https://krautreporter.de/jungundnaiv#about
    Und hier kommen wir zum eigentlichen Feedback. Ich weiß weder was ihre Zielgruppe, noch ihr eigentliches Ziel ist, aber um die Bevölkerung zu erreichen muss man Anreize setzen und vor allem auch in ihrer Sprache kommunizieren. Die Kunst ist eben nicht etwas so zu erklären, dass es niemand versteht, sondern es so zu erklären, dass es jeder versteht.
    Und auch wenn er es in einem anderen Zusammenhang meinte, so möchte ich abschöießend Kurt Tucholsky zitieren: “Der Vorteil der Klugheit besteht darin, daß man sich dumm stellen kann. Das Gegenteil ist schon schwieriger.”

    • Hallo Herr Schultz,

      zunächst einmal danke, dass sie ihre Meinung mitteilen! Ich finde es gut, wenn die Leser_innen sich einbringen, so dass die Möglichkeit des Internets genutzt wird, Informationsaustausch keine Einbahnstraße sein zu lassen. Die anfängliche Darstellung, die sie machen, kann ich gut teilen. Bestimmte Ereignisse können als „Initialzündung“ zur Politisierung dienen und wenn man sich erst einmal mit den Dingen auseinandersetzt und hinter die lieblos gebastelten Fassaden schaut, kann man fast nicht anders, als weiterzumachen. Man hat eben die rote Pille geschluckt (um mal im Matrixbild zu bleiben). Wer diesen plötzlichen Wandel vollzieht, und nicht etwa in eine kritisch hinterfragende Haltung von Anfang an hineinsozialisiert wird, indem das Umfeld einem die entsprechenden Möglichkeiten gibt, weiß wohl, wie es sich anfühlt. Zumindest aus eigener Erfahrung bin ich rückblickend fasziniert von der gesellschaftlichen Benutzeroberfläche, die mir durch ein unkritisches Umfeld und die Schule mitgegeben wurden. Chomsky beschreibt einige der Techniken, die dies ermöglichen, speziell die Rolle der vermeintlich pluralen Medien, ja in seinem Buch „Manufacturing Consent“, die NachDenkSeiten hatten erst den Dokumentarfilm dazu verlinkt: http://www.youtube.com/watch?v=3AnB8MuQ6DU

      Ich gehe ja davon aus, dass es in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten zu einer ganzen Reihe an Krisen und Verwerfungsprozessen kommen wird, die hoffentlich immer mehr Menschen dazu veranlassen, die ihnen vorgesetzte Realitätsdeutung – v. a. für die Ereignisse „im Großen“ – zu hinterfragen. Bezogen auf das eigene Nahumfeld scheinen mir Argumente und Gerechtigkeitserwägungen glücklicherweise noch relativ stark ausgeprägt, so dass die Voraussetzungen für eine menschenwürdigere Gesellschaft ja beim Einzelnen vorhanden zu sein scheinen, eben ihren Übertrag allerdings auf gesellschaftliche Zusammenhänge finden müssten. Mir scheint aber auch, dass gerade hier ein Moment der Betäubung liegt: Weil man im Nahumfeld auf Argumente, mehr oder weniger konsequent angewendete Werte und ein relativ hohes Maß an Transparenz stößt, wird vielleicht die Haltung gefördert, dass „die da oben“ schon irgendwie das tun, was einigermaßen „gut“ und „notwendig“ oder eben komplett „alternativlos“ ist. Für mich jedenfalls ist es nachwievor befremdlich, wie machtvergessen und plump im Großen agiert werden kann, ohne dass viele Menschen aufhören, die Rahmenstory zu glauben. Aufmerksamkeitssteuerung und die Ausblendung oder eben Nicht-Vermittlung bestimmter Konzepte zum Verstehen der Zusammenhänge sind hier wohl ganz entscheidend.

      Insofern nehmen wir ihre Kritik entgegen und lesen sie als Aufforderung, stärker darüber nachzudenken, wen wir mit unserem Informationsangebot eigentlich ansprechen wollen. Ich habe mir übrigens das eine oder andere Video von Jung & Naiv auf ihren Verweis hin angeschaut. Das ist sicherlich ein Format, das auch bisher weniger politisch Interessierte anspricht, da es scheinbar kein politisches Wissen voraussetzt. Ich gehe davon aus, dass Tilo Jung sich nicht einfach als „Mitte“ versteht, da seine fingiert naiven Fragen eine kritische Richtung erkennen lassen. Viel Jörges konnte ich mir ja nicht antun (Blutdruck), doch aufgefallen ist mir schon, dass Tilo hier durch seine Fragen pointiert, um bestimmte Botschaften sich herauskristallisieren zu lassen. Insofern ist mein bisheriger Eindruck positiv. Ich hoffe, dass Herr Jung bewirkt, dass die plattesten Vorurteile fallen und möglichst viele Leute, die sich bisher vom politischen Geschehen ausgeschlossen fühlen, beginnen, sich zu interessieren. Hoffentlich schauen einige dann auch auf Maskenfall vorbei, wir machen dann nämlich das Angebot, die Oberflächenpolitik aus einem stärker theoretisch unterlegten Blickwinkel zu betrachten. Sie haben recht, wenn sie sagen: „Die Kunst ist eben nicht etwas so zu erklären, dass es niemand versteht, sondern es so zu erklären, dass es jeder versteht.“ Ich lese dies jedoch so, dass es keine Absage an einen politisch-theoretischen Rahmen ist, innerhalb dessen Ereignisse zu deuten wären. Ich bin nämlich überzeugt, ohne diesen kann es gar kein Verstehen geben. So zu erklären, dass es jeder versteht, begreife ich daher als eine Aufforderung, jeder oder jedem einen motivierenden Einstiegspunkt zu bieten, so dass es eben zur „Initialzündung“ kommt und mehr und mehr das Bedürfnis entsteht, den historisch-gesellschaftlichen Rahmen für sich klar zu kriegen.

      Bislang wenden wir uns wohl eher an jene, die zu einem gewissen Grade schon über diesen Rahmen verfügen. Unsere ersten Flyer waren hier etwa noch anders (z.B. http://www.maskenfall.de/?p=167). Das Angebot, das wir jedoch an alle Leser_innen machen können, besteht darin, dass wir gern Nachfragen beantworten können oder auf andere Quellen verweisen, die vielleicht einen günstigeren Einstiegspunkt ermöglichen.

      So viel bis hierhin. Ich würde mich freuen, wenn sie uns weiterhin kritisch begleiten!

      Lieber Gruß,
      Jascha Jaworski

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