- Ende Oktober 2009 korrigiert die neue griechische Regierung unter Papandreou das vorraussichtliche Haushaltsdefizit auf 12,5% des BIPs. Da Euroländer schulden nur über den Finanzmarkt aufnehmen dürfen und nicht - wie andernorts üblich - direkt bei ihrer Zentralbank (EZB), stieg der Zinsatz für (langjährige) Staatsanleihen ab diesem Zeitpunkt auch aufgrund von zunehmenden Wetten auf einen griechischen Zahlungsausfall und Herabstufungen der Ratings für griechische Staatsanleihen durch Ratinagenturen (Verdoppelung des Ausgangswert bis 5/2010, Verdreifachung bis 12/2010 und Versechsfachung bis 1/2012).
Unter dem damaligen Präsidenten Trichet unterließ es die EZB zudem, klare Bekenntnisse gegen Spekulationen mit Staatsanleihen zu tätigen. Im Gegensatz zu dem späteren Nachfolger Draghi ("Werden innerhalb des Mandats alles Erforderliche tun, um Euro zu erhalten." - OMT-Programm 9/2012). Das von Trichet aufgelegte Ankaufprogramm (SMP) für Staatsanleihen (Sekundärmarkt), das sowohl in seinem Finanzvolumen, als auch zeitlich begrenzt war, vergrößerte möglicherweise Unsicherheiten sogar, da der griechische Zinssatz in der Hochphase des Programms auf astronomische 25,9% stieg, während der deutsche Zinssatz auf 1,8% fiel.
Durch letzteren "Sichere Hafen"-Effekt sparte Deutschland von 2009-2015 übrigens 80 Mrd. Euro an Zinszahlungen ein. - In erster Linie wegen der hohen Zinsen (und nicht wegen des – zwar tatsächlich hohen – jedoch im Vergleich mit anderen Ländern nicht exorbitant hohen Altschuldenstand) war Griechenland von sinnvollen Finanzierungsmöglichkeiten abgeschnitten und die Realisierung günstigerer Kreditbedingungen wurde notwendig. Dies wurde durch das Weiterleiten von Krediten anderer Euroländer (später vom EFSF) und über den IWF erreicht, die mit wirtschaftlich destruktiven Auflagen verbunden wurden. Eine Konstellation die öffentlichen Kreditgebern das Ausfallrisiko zuweist und zugleich Zinszahlungen für die Finanzindustrie realisiert.
Die Grafik entlarvt die Begründung der "Hilfskredite" zur Finanzierung des griechischen Staates schließlich als Mythos, weil diese Kredite überwiegend zum Austausch von Altschulden und Zinszahlungen verwendet wurden und damit der griechischen Bevölkerung gar nicht "helfen" konnten. Es handelt sich hier also mehrheitlich um einen sogenannten "bail-out" privater Gläubiger durch öffentliche Kreditgeber. - Die Grafik zeigt die Konsequenzen des "bail-out"-Effekts der "Hilfskredite". Die bestehenden privaten Kredite wurden im Verlauf der Krise weitgehend in öffentliche verwandelt: Die griechischen Staatsschulden wurden weitgehend sozialisiert, das Kreditausfallrisiko wird nun überwiegend von den Euroländern getragen.
Diese Entwicklung lässt sich beispielhaft an der Entwicklung des Finanzvolumens von griechischen Staatsanleihen, das deutsche Banken während der Krise hielten, illustrieren: So wies die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ / engl. BIS) im August 2010 für deutsche Banken ein Volumen von 26,3 Mrd. Euro aus, im Dezember 2014 lag das Volumen nur noch bei 219 Mio. Euro. - Die Grafik zeigt die Konsequenzen der Kürzungsauflagen für die "Hilfskredite" (in diesem Kontext missverständlich als "Sparprogramme" bezeichnet, da kein schuldenreduzierender Sparerfolg erzielt wurde) auf die Wirtschaftsleistung und die Arbeitsplatzsituation Griechenlands. Es ist zu erkennen, dass durch die Weltfinanzkrise die Wirtschaftsleistung zwar einbrach (während die Arbeitslosigkeit um 4 Prozentpunkte anstieg), es aber erst nach den Kürzungen (im Umfang von 23% des griechischen Haushalts) und den massiven Lohnsenkungen (-32% der Nettohaushaltseinkommen) zum bedeutendsten Einbruch der Wirtschaftsleistung und zur Verdopplung (!) der Arbeitslosigkeit kam.
Dieser massive Wirtschaftseinbruch verschlechterte wiederum die Rückzahlungsfähigkeit der griechischen Schulden erheblich. - Es wird ersichtlich, dass es sich bei der griechischen Krise nicht mehr um eine herkömmliche Wirtschaftskrise handelt, sondern um eine tiefgreifende Wirtschaftsdepression, die mit den Verwerfungen der sogenannten Great Depression in den USA vergleichbar ist. Auch bei der Great Depression stürzte man sich durch "Sparen" von einer Finanzkrise in eine Wirtschaftsdepression, die man erst durch die politische Aufgabe des "Spardogmas" und starker Investitionstätigkeit verlassen konnte. Die griechische Wirtschaft verharrt im Tal ihrer Wirtschaftsleistung und wird wegen des von der EZB ausgelösten Bankruns (Verweigerung ausreichender Notliquidität für griechische Banken), sowie der rezessiven Reformelemente der erzwungenen Vereinbarung noch weiter abfallen.
Angaben des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) zeigen zudem, dass sich Griechenland ohne Ausgabenkürzung nicht in eine Wirtschaftsdepression begeben hätte, sondern in eine länger dauernde Stagnationsphase, ohne, dass die Staatschuldenquote dabei höher wäre als sie heute tatsächlich ist.
Aufgrund der historischen Erfahrungen mit sogenannten "Sparprogrammen" ist davon auszugehen, dass einzelne (europäische) politische Entscheidungsträger und Elitenangehörige absichtlich darauf hinwirkten diese Krise auszulösen, da man sich erhoffte, sowohl von Privatisierungen zu profitieren, als auch von der Bevölkerung abgelehnte Reformen durchzusetzen.
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