Es braucht keinen großen theoretischen Unterbau, um die Verbindungen zwischen Ökonomie, Imperialismus und Krieg zu erkennen. Diese sind vielfältig und werden bedauerlicherweise der anti-demokratischen Haltung und dem Einheitsdenken im politischen, ökomischen, militärischen und medialen Establishment überlassen, das sich in den letzten Jahrzehnten des unipolaren Triumphalismus durch zunehmende Größenideen und Machbarkeitsphantasien bei gleichzeitigem Denken in Alternativlosigkeiten auszeichnet.
In “Die >>Verantwortung<<, die sie meinen, die >>Macht<<, die sie wollen” waren wir auf das 2013 erschienene Strategiepapier zur Formierung des Elitenkonsenses eingegangen, das Deutschland wieder zum Global Player auch bei der Anwendung militärischer Gewalt zur Durchsetzung ökonomischer Interessen machen soll. Von Rohstoffquellen und Handelswegen ist hier im Rahmen eines “erweiterten Sicherheitsbegriffs” die Rede, der die kriegsunwillige deutsche Bevölkerung an Bomben, Raketen und Panzer ganz im Clausewitz’schen Sinne als “bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln” gewöhnen soll. In dieser Denkwelt ist es logische Konsequenz der Globalisierung, dass man mit Maschinengewehren und Kanonenbooten auf den Weltmeeren unterwegs ist, um die heimischen Supermarktregale mit Bananen zu füllen. Und diese Denkwelt fokussiert wie besessen auf weitere Globalisierung (“der Gleichgültigkeit”, Franziskus) und sichert sie hierzu mit verheerenden Freihandelsdiktaten ab, um hinterher so zu tun, als würde es sich bei den geschaffenen Tatsachen und ihren Konsequenzen in Hinblick auf zerfallende Länder, Terror und Kriminalität um Naturgegebenheiten handeln:
„Die Globalisierung hat jedoch die Privatisierung und Individualisierung der Gewalt – etwa in Form von Terrorismus und organisierter Kriminalität – beschleunigt. Sie hat zudem ein breites Spektrum grenzüberschreitender Risikofaktoren hinzugefügt, die oft gehäuft auftreten, sich gegenseitig verstärken, und gegen die staatliche Hoheitsgewalt nur wenig auszurichten vermag: Klimawandel, demografische Entwicklung, unkontrollierte Migration, Ressourcen- und Nahrungsmittelknappheit, Pandemien, schwache und versagende Staaten. Damit ist neben der Gefahrenabwehr das Risikomanagement zum neuen Paradigma der Sicherheitspolitik geworden.“
Der ausufernde Sicherheitsbegriff, der in Hinblick auf militärische Gewalt an die Stelle der Verteidigung einen willkürlichen Risikoklumpen gesetzt hat, ist jedoch bereits zur neuen Realität geworden. Nun geht es nur noch um systematische Desensibilisierung der deutschen Bevölkerung, damit sich endgültig ein Friedensbegriff in den Köpfen verankert, der von der anstrengenden Idee des positiven Friedens (Anwesenheit von Gerechtigkeit, Abwesenheit struktureller Gewalt) bereinigt ist und die Möglichkeit militärischer Gewalt ganz im Orwell’schen Sinne als Bedeutungsbestandteil des Friedens anerkennt.
Frau von der Leyen, die aktuell ihre Wunschliste im Wert von vielen zusätzlichen Millarden Euro für Kriegsmaterial und -personal erfüllt bekommt (während zeitgleich für ein Bundesteilhabegesetz, das für Menschen mit Behinderung die Einkommensausgrenzung beenden würde, die Mittel offenbar fehlen), gehört zu den jüngsten Belegen dafür, was man sich im deutschen außenpolitischen Establishment noch alles vorgenommen hat, und was sicherlich zum Aktienanstieg in der Rüstungsbranche, nicht jedoch zur Reduktion des weltweiten Terrors führen wird, wie die letzten eineinhalb Jahrzehnte westlicher Interventionspolitik auf eindrucksvolle Weise belegt haben.
Es ist nicht davon auszugehen, dass hier aus dem abgeschotteten Berliner Politbetrieb heraus ein Umdenken stattfinden wird. DIE LINKE ist eingepreist, Medien und Spitzengrüne gehören größtenteils zu den eifrigsten Kämpfern, die um das nationale Stammesfeuer tanzen und sich ihrer “neuen Verantwortung” bei der Mobilisierung der “glückssüchtigen Gesellschaft” (Gauck) erfreuen. Wer den verteidigungspolitischen Sprecher der SPD, Rainer Arnold, bei “Unter den Linden” zur Kenntnis genommen hat, konnte nur hoffen, dass seine über weite Passagen comic-artige Version der außenpolitischen Analyse vielleicht noch ab und an von einem beratenden General ergänzt wird, der sich ein Interesse an der beobachtbaren Welt erhalten hat.
Gibt es Lichtblicke?
Vielleicht kann es Mut machen, dass die Bevölkerung hierzulande immer noch “glückssüchtig” und friedensorientiert im alten Sinne zu sein scheint, trotz aller Dauerbeschallung, Gräuelpropaganda und Selbsterhöhungsangebote (“Wir sind die Guten”). Vielleicht müssen die Möglichkeiten der Erkenntnisresistenz der Eliten bei der Wahl ihrer Verhaltensweisen gegenüber der Welt der “Globalisierungsverlierer”, “Störer” und “Herausforderer” auch erst noch weiter überdehnt werden, bevor es zu wahlwirksamen Gegenreaktionen aus der Bevölkerung heraus kommt und die eine oder andere Partei noch einmal darüber nachdenkt, ob sie nicht mehr Pluralität in ihren Spitzen zulassen will. Ein wenig Hoffnung darf man auch darauf verwenden, dass sich mittlerweile auch unverdächtige, jedoch anerkannte Stimmen bei der Außenpolitik des “anything goes” zu Wort melden, wie dies etwa beim jüngsten Einsatz deutschen Militärs in Syrien der Fall ist.
Wichtig ist jedoch weiterhin, dass alle, die ein Interesse an einer anderen Welt als jener haben, wie sie Teil des Elitenkonsenses der “neuen Macht” (mit dem geopolitischen Unterbau in Sicherheitskostümierung) ist, eine gesellschaftliche Debatte von unten aus anschieben. Diese könnte konkret etwa danach fragen,
- ob der Parlamentsvorbehalt bei Auslandseinsätzen wirklich abgeschafft – pardon, die “Parlamentsbeteiligung fortentwickelt” – werden soll oder hierdurch nicht eher eine Exekutive mit Gewalten ausgestattet wird, die eben weniger statt mehr Verantwortung bedingen (zu einer jüngeren Anhörung von Sachverständigen im Gesetzesverfahren, die recht negativ hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz ausfällt, siehe z.B. hier)
- ob die Rechtfertigung des Syrien-Einsatzes mit ihren “vier hinkenden Beinen” ein weiteres Signal dafür sein soll, dass man bestehendes Recht auch einfach mal ignorieren muss, wenn man Global Player sein will (siehe dazu etwa eine sehr prägnante Analyse von Bernd Zöllner (attac Kiel): “Rechtmäßigkeit des Bundeswehreinsatzes in Syrien”, April 2016)
- ob die Aufrüstung von verbündeten Diktaturen, die ihre Bevölkerungen brutal unterdrücken, während sie als “Stabilitätsanker” und “Partner” gegen den Terrorismus gelten, nicht vielleicht doch eher Hoffnungslosigkeit, Frustration und Gewalt hervorruft, was dann wiederum viele Millionen Menschen auf die Flucht treibt, die etwas gegen ihre sichere Aussicht auf ein schlechtes Leben unternehmen wollen (siehe dazu eine kleine IMI-Studie, die auf diesen Zusammenhang eingeht: “Nach dem Ende der Geschichte – Geopolitik, Migration und die Krise der Demokratie”, April 2016)
- ob in Anbetracht der Erderwärmung und der von der Europäischen Union erwarteten vielen Millionen Klimaflüchtlinge aus der Katastrophe der – v.a. aufgrund fossiler Energiegewinnung – schmelzenden Arktis, tatsächlich eine Gelegenheit immenser fossiler Energiegewinnung gemacht werden soll im Wettrennen um Öl und Erdgas1 (siehe dazu auch ein SWP-Papier (vor der Ukraine-Krise!): “Tauwetter am Nordpol: Kalter Krieg um Rohstoffe? – Die Arktis im Zeichen des Klimawandels”, Mai 2008)
Ich wiederhole mich: APO, wo bleibst Du?
- man beachte die propagandistische Ökologierhetorik im Regierungspapier [↩]
Siehe auch hierzu:
http://www.faz.net/aktuell/politik/deutsche-sicherheitspolitik-wann-raffen-wir-uns-endlich-auf-14239930.html#/elections
Herr Poulet scheint ein Falke von vorgestern zu sein. Sogar die Amerikaner benutzen für ihre Kriegseinsätze vermehrt Söldnerarmeen a la Blackwater/ Academi weil sich geduldiges Fleisch immer weniger für die dummdreisten Kriegseinsätze rekrutieren lässt.
Nach streng neoliberaler Lesart würde ein Homo Oeconomicus nie und nimmer in den Krieg ziehen. Es ist schon amüsant zu sehen wie paradox das Verhalten unserer hochintelligenten Eliten ist. Kein Geld für KiTas, Infrastruktur, Gesundheit und Bildung aber für Panzerarmeen? Ein kaputtgespartes Europa soll fähig sein internationale Kriegseinsätze zu stemmen? Und wer soll danach die Flüchtlinge aufnehmen? Deutschland?