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Polizei verfuhr rechtswidrig mit unserem Hamburger Bus zu den Blockupyprotesten

Am Donnerstag hatte ich mich mit meinen Attac-Mitstreiter_innen, sowie Menschen von linksjugend[‘solid] und Weiteren mit einem Bus aus Hamburg auf den Weg nach Frankfurt gemacht, um an den Blockupy Protesten teilzunehmen. Da wir kurz vor Frankfurt hörten, dass fünf Busse, die aus Berlin anreisten, beim Autobahnkreuz Gambach herausgegriffen und festgehalten wurden, entschlossen wir uns dazu, über Landstraßen weiterzufahren, um unnötige Verzögerungen zu vermeiden. Bei Friedberg standen an einer Verzweigung der Straße plötzlich mehrere Polizeifahrzeuge (ca. 7), die eine Kolonne um unseren Bus herum bildeten und dazu aufforderten, ihnen zu folgen. Obwohl die Straßenverhältnisse es hergegeben hätten, dass die Polizei uns direkt vor Ort kontrolliert, zwangen sie uns, ca. 2 km in die Sackgasse eines verlassenen Gewerbegebiets – Donnerstag war Feiertag in Hessen – von Friedberg. Ein Dienstfahrzeug blockierte dann die hintere Tür unseres Busses, während die anderen den Bus umzingelten. In schwerer Ausrüstung und bewaffnet stellten sich auch die Polizeibeamten um den Bus. Es kam die Ansage, die Vordertür zu öffnen, so dass Beamte den Bus betreten konnten, wir wurden dabei aufgefordert, sitzen zu bleiben. Die Beamten stellten sich den Gang entlang, um uns zu beobachten und uns einzeln jeweils zeitversetzt aus dem Bus zu beordern. Dort warteten jeweils zwei Beamte, die jede/jeden von uns fortführten, um dann eine Körperabtastung vorzunehmen. Ich wurde dabei aufgefordert, meine Hände am Baumarktgitter zu platzieren, während die Abtastung vorgenommen wurde. Beim Kontrollieren der Hosentaschen wurde mir dabei jeweils eine Hand von einem der Beamten auf den Rücken gedreht, während meine andere Hand durch den anderen Beamten am Zaun gehalten wurde. Dies geschah zwar unter Ankündigung und ohne Gewalt, doch erlebte ich es natürlich als Situation des Zwangs. Auf meine Frage an einen der Beamten, ob er sich vorstellen könne, was für ein Gefühl es sei, als friedlicher Demonstrant zu einer genehmigten Demo zu fahren, um einer derartigen Behandlung unterzogen zu werden, antwortete mir dieser, dass er dies zwar könne, unser Bus sich jedoch mit seinem Ausweichen auf die Landstraße verdächtig gemacht hätte.

Nach der Abtastung wurde mein Rucksack durchsucht, erst dann wurden meine Personalien überprüft. Alle von uns, die diesem Prozedere ausgesetzt wurden, hatten schließlich in einer Sammelstelle zu verweilen, deren eine Seite aus einem Gitter des Baumarktes, die andere aus Polizeiautos bestand. Beamte bewachten den Ausgang. Toiletten gab es keine, wer ein derartiges Bedürfnis nicht mehr unterdrücken konnte, wurde von einem Beamten (bzw. einer Beamtin) zu einem Gebüsch begleitet. Ca. eineinhalb Stunden lang wurde diese Situation aufrecht erhalten, noch über den Zeitpunkt hinaus, zu dem bereits alle von uns durchsucht und überprüft wurden. Dann wurden die Gepäckklappen des Busses geöffnet und zunächst abgewartet. Auf Nachfrage hin wurde uns mitgeteilt, dass noch nicht darüber entschieden sei, ob unser Gepäck durchsucht würde. Dies war die Zeit, als der von uns kontaktierte Anwalt eintraf. Da er der Polizei offenbar verdeutlichen konnte, was sie alles nicht hätte tun dürfen, unterließ die Einsatzleitung es schließlich, den Bus weiter durchsuchen zu lassen und berief sich ihr Vorgehen rechtfertigend darauf, versehentlich auf Grundlage eines nicht mehr gültigen Paragraphen gehandelt zu haben. Wir durften schließlich wieder im Bus Platz nehmen und die Polizeikolonne mit ihren ca. 50 Beamt_innen und mittlerweile mehr als 7 Fahrzeugen zog ab. Die gesamte Aktion dauerte ca. 2 Stunden lang.

Ein Blick in das HSOG, welches das in Hessen gültige Polizeirecht beschreibt, offenbart, dass die Polizei uns nicht hätte durchsuchen dürfen, da dies nur aufgrund „konkreter Tatsachen“ oder eines „die freie Willensbildung ausschließenden Zustand[s]“ erlaubt ist. Auch die weiteren Tatbestände haben nicht bestanden, u.a. da eine Identitätsfeststellung aufgrund unserer Ausweispapiere problemlos möglich war, die Polizei diese jedoch, wie oben erwähnt, erst nach der Durchsuchung vornahm. Wie uns der Antwalt mitteilte, hätte sie uns ebenso nicht an einen entlegenen Ort zwingen dürfen, um die Kontrolle durchzuführen. Besonders empörend ist, dass wir alle in der oben erwähnten provisorisch errichteten Personensammelstelle festgehalten wurden, obwohl zu dem Zeitpunkt aufgrund unserer Identitätsfeststellung bereits bekannt war, dass keine Gefahr von uns ausgeht. Dies hatte die Polizei ja auch bereits aufgrund ihrer rechtswidrigen Abtastung, sowie Durchsuchung unseres Handgepäcks feststellen können. Es wurden also mehrere Zwangsmaßnahmen ohne die geringste Notwendigkeit verhängt. Was die Speicherung unserer Daten betrifft, so verkündete ein Beamter auf Nachfrage hin, dass selbige für den Zeitraum der Aktionstage in Frankfurt gespeichert werden würden, um bei einer evtl. späteren Ergreifung einer Person darauf zurückgreifen zu können. Inwiefern dies rechtmäßig ist, wäre noch in Erfahrung zu bringen.

Das Erlebnis zeigt einmal wieder, wie leichtfertig die Polizei mit ihrem Gewaltmonopol umgeht. Besonders als Nicht-Jurist befindet man sich dabei in einer Situation, in der man der Willkür einzelner Beamter ausgeliefert ist. In unserem Bus waren mehrere Personen, die sich bereits im Rentenalter befanden, einige davon hatten noch keinerlei Demoerfahrung. Für viele war die Kontrolle auf einem verlassenen Gelände mit einer extrem überzogenen Übermacht an Polizei und rechtswidrigen Zwangsmaßnahmen überaus bedrückend. Durch derartige Ereignisse werden Menschen, die ihre Grundrechte auf Versammlung und Meinungsäußerung wahrnehmen wollen, in eine Situation gebracht, in der sie sich wie ein Verbrecher fühlen müssen und von Polizeipräsenz, unter Generalverdacht gestellt, direkt bedroht werden. Hiergegen gilt es sich aufzulehnen, besonders wenn man sich vor Augen hält, wo die eigentlichen Verbrechen in dieser Welt verübt werden. Während die Deutsche Bank mit ihren unmenschlichen und blutigen Geschäften zeitweise von einem noch größeren Polizeiaufgebot gesichert wurde, als dies bei der EZB der Fall war, werden Aktivist_innen, die auf Systemverbrechen aufmerksam machen wollen, kriminalisiert. Wir werden Klage einreichen!

(Was die offene Repression und Außerkraftsetzung der Demokratie seitens der Polizeileitung bei der Demo am Samstag betrifft, siehe z.B. hier).

Jascha Jaworski

4 Kommentare

  1. Das ganze zu planen , Polizei, Psychologie
    hat Monate gekostet. Ich bin fest davon überzeugt
    dass die CDU nicht nur Korrupt sondern auch Verfassungsfeindlich ist. Der Fall Mollat zeigt
    die Struktur einer Verschwörung. Die CDU ist
    hoffnunglos den Geschäftsbanken ausgeliefert.
    Ich denke das diese Polizisten erst in 40 bis 50 Jahren begreifen das ihr ihre Rechte verteidigt.

  2. @Jascha: Bleibt es von Eurer Seite eigentlich bei der bloßen Feststellung einer rechtswidrigen Handlung, oder hakt Ihr da noch nach? Abgesehen davon, dass sich die Polizisten offenbar bereitwillig als Büttel der herrschenden Klasse haben instrumentalisieren lassen, ist es doch erschreckend zu sehen, dass sie nicht einmal die Grundlagen kannten, auf deren Basis sie meinten einschreiten zu müssen. Es klingt ja fast so, als hätte man nicht ausgebildete „Ordnungshüter“ eingesetzt, sondern eher bei der nächsten Hafenkneipe ein paar rauflustige Matrosen kurz vor dem Einsatz rekrutiert. Vielleicht sollte man wenigstens anregen, bei der Ausbildung ein paar Stunden Schlagstocktraining gegen die Schulung rechtlicher Grundlagen einzutauschen… Spaß beiseite: Habt Ihr vor, weiter juristisch gegen diese willkürliche Behandlung vorzugehen?

  3. @Dr.G…äh ich meine Stupor: Ja, wir werden uns beraten lassen, um dann zu klagen. Die Mischung seitens der Polizeikräfte aus Hierarchie, Gehorsam, Waffenbesitz, Demokratiedesinteresse, schwachem juristischen Wissensunterbau und der Abneigung gegenüber “Linken” (man erinnere sich an manch notierte Festnahmebegründung 2012: “Antikapitalismus”), kommt einfach nicht so gut und sollte auf die eine oder andere Weise mit Widerstand konfrontiert werden.

  4. @Jascha: Vielen Dank für die Antwort, obwohl das ja, wie nach nochmaliger Lektüre erfahren, tatsächlich schon im Text stand (letzter Satz: „Wir werden Klage einreichen“ – da war ich wohl etwas zu unachtsam….). Aber wie aussichtsreich sind denn solche Klagen eigentlich? Nach den Vorfällen während der letztjährigen Blockupy-Aktion war es ja offenbar vereinzelt zu Entschädigungszahlungen zu Gunsten von unrechtmäßig in Gewahrsam genommenen Demonstrationsteilnehmern gekommen [http://www.fr-online.de/frankfurt/blockupy-frankfurt-die-polizei-zahlt-fuer-blockupy,1472798,21638150.html]. Hatte es darüber hinaus vielleicht auch weitere, vielleicht sogar „personelle“ Konsequenzen gegeben? Ich könnte mir vorstellen, dass solche Zahlungen sonst durchaus bewusst (auch zukünftig) in Kauf genommen werden, statt abschreckend zu wirken, weil für interessierte Kreise die Kosten-Nutzen-Rechnung sicher aufgeht, wenn man zu solchen Schnäppchenpreisen die Ausweitung von Kritik erfolgreich unterdrücken kann.

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