Geht es um Venezuela, entdeckt die Bundesregierung ihre Liebe zur Demokratie, aufgrund derer sie die (völkerrechtlich sehr zweifelhafte) Anerkennung eines Guaidó als selbsternannten Interimspräsidenten erwägt.
Damit keine Verwirrung bei den Bürgerinnen und Bürgern aufkommt, wann eine mit Demokratie und Menschenrecht begründete offensive und handlungsunterlegte Forderung nach Neuordnung der Verhältnisse in fremden Ländern quasi regierungsseitig zertifiziert ist und wann nicht, sollte die Bundesregierung vielleicht ab und an die goldene Faustregel außenpolitisch instrumentalisierter Moral verkünden:
“Wenn eine fremde Regierung nicht zu unserem geopolitischen Team gehört, führe Demokratie und Menschenrecht an, um diese zu stürzen oder sie stürzen zu lassen. Wenn sie geopolitisch nützlich ist, aktiviere die Begriffe >>Partner<< und >>Stabilität<< bei gleichzeitiger Deaktivation der Begriffe >>Demokratie<< und >>Menschenrecht<<. Übersende ihr zur Bekräftigung hochwertige Kriegsschiffe und Panzer eigener Produktion.”
Zitat Bundeskanzlerin Merkel beim Besuch des Diktators – pardon, Präsidenten – al-Sisi im Oktober 2018:
“Ägypten wird im kommenden Jahr noch einmal wichtig für die Partnerschaft sein, weil Ägypten demnächst den Vorsitz der Afrikanischen Union übernehmen wird. Insofern ist Ägypten ein wichtiger Partner, auch im Bereich der Migration. Wir haben hier darüber gesprochen, dass Ägypten seine Seegrenze exzellent absichert, sodass es, von Ägypten ausgehend, de facto keine Migration nach Europa gibt, obwohl in Ägypten sehr viele Flüchtlinge leben. Das ist hoher Anerkennung wert. In dem Zusammenhang unterstützen wir natürlich alle Anstrengungen Ägyptens im Blick auf wirtschaftliche Reformen. Wir unterstützen Ägypten auch mit einem ungebundenen Finanzkredit in Höhe von 500 Millionen Euro, dessen zweite Tranche wir jetzt in den Blick nehmen und deshalb darüber auch weiter im Gespräch sind.
Alles in allem waren es intensive Gespräche. Danke, dass Sie hier sind, Herr Präsident, und auf weiter gute Zusammenarbeit!”(Bundeskanzlerin Merkel, Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem ägyptischen Präsidenten Abdelfattah Al-Sisi, Oktober 2018)
Zur Lage in Ägypten verweisen wir auf einen unbedingt empfehlenswerten Hörbeitrag (7 Min.) von Martin Durm im Deutschlandfunk:
“Die eiserne Faust des Generals” (Deutschlandfunk, 25.1.2019)
Zitat aus dem Beitrag:
“Die schiere Masse der Gefangenen stellt den Staatssicherheitsapparat vor ein Unterbringungsproblem. In den Jahren unter Sisi wurden nach Informationen von Amnesty International 19 neue Gefängnisse in Ägypten gebaut, zwei davon können angeblich insgesamt 30.000 Häftlinge fassen.
>>Zu uns kommen neben all den Folteropfern inzwischen auch viele junge Leute, die nicht mal mehr über die Gewalt in den Gefängnissen klagen<<, sagt Aida sei al-Dawla vom sogenannten Nadeem-Center.
Das Zentrum für Folteropfer wurde vor zwei Jahren vom Staat dichtgemacht, aber seine Mitarbeiter betreuen noch immer traumatisierte Ex-Häftlinge in Kairo. […]”