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No 436

“Jahrelang haben die Karlsruher Richter ihre Entscheidung über den Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Gotha, das die Sanktionen für grundgesetzwidrig hält, hinausgezögert und das Thema mit spitzen Fingern angefasst. Einer der Gründe dürfte sein, dass Hartz IV, vom damals dafür mitverantwortlichen Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) seinerzeit als >>Mutter aller Reformen<< bezeichnet, mit den Sanktionen steht und fällt. Denn nur weil sie eine Drohkulisse, ein Druckmittel und ein Disziplinierungsinstrument bilden, entfaltet Hartz IV seine brisante Wirkung.
[…] Insbesondere die hohe Zahl der Kinder, die unverschuldet Nachteile in Kauf nehmen müssen, weil ihre Arbeitslosengeld II beziehenden Eltern sanktioniert werden, schien die Richter in den roten Roben zu beeindrucken. Es könnte sie veranlassen, der bisherigen Sanktionspraxis einen Riegel vorzuschieben oder der Willkür vieler Jobcenter engere Grenzen zu setzen.
Würde das höchste deutsche Gericht die Sanktionen für verfassungswidrig erklären, fiele das während der vergangenen Jahre durch nicht weniger als zehn Änderungsgesetze des Sozialgesetzbuches II >>nachgebesserte<< Hartz-IV-System wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Eine weitgehend repressionsfreie Grundsicherung für Arbeitsuchende entspricht weder den Überzeugungen der gesellschaftlichen Eliten, noch wäre sie mit den Vorstellungen der Regierungsparteien kompatibel.
[…] Falls die Sanktionen – politische Achillesferse des Arbeitsmarktregimes – in Karlsruhe hingegen bestätigt werden, erleidet der Kampf gegen Hartz IV einen herben Rückschlag. Juristisch lässt sich das Problem ohnehin kaum lösen, weshalb das Engagement für eine politische Totalrevision von Hartz IV unverzichtbar bleibt.”

(Christoph Butterwegge, Armutsforscher – Steht Hartz 4 vor dem Aus?, Gastbeitrag in der Frankfurter Rundschau, 1.11.2019)1

  1. Auch empfehlenswert zum Thema, ein Artikel der Frankfurter Rundschau über Helena Steinhaus und die Initiative Sanktionsfrei, auf die wir schon damals verwiesen hatten. Wie auch immer das Verfassungsgericht am Dienstag entscheiden mag, es sei daran erinnert, dass der Ausschuss zum UN-Sozialpakt jedenfalls bereits mehrfach festgestellt hat, dass die Sanktionspraxis gegen die sozialen Grundrechte im UN-Sozialpakt verstößt. Siehe unseren Verweis dazu. []

Jascha Jaworski

Ein Kommentar

  1. PRESSE-MITTEILUNG
    zugleich
    Information für interessierte Einzelpersonen, Initiativen, Parteien, etc.

    Hartz IV-Urteil: Ohrfeigen-Performance durch Ex-Fallmanager vor dem Bundesverfassungsgericht geplant

    Der Ex-Fallmanager im jobcenter und kritische Hartz IV-Aktivist Burkhard Tomm-Bub, M.A. wird die Urteilsverkündung in Sachen

    „Sanktionen im SGB II“

    als Zuhörer aufmerksam verfolgen.

    Diese findet am Dienstag, 5. November 2019, ab 10.00 Uhr durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Schlossbezirk 3, 76131 Karlsruhe, statt.

    Zugleich ist von 9:00 bis 14:00 ein Info- und Proteststand vor dem Gebäude genehmigt. Diese Aktion steht unter dem Motto:

    „Jedes Prozent Sanktion ist ein Schlag ins Gesicht des Grundgesetzes!
    Hartz IV – die ethische Katastrophe!“.

    Entsprechende Flyer und Broschüren liegen dort als Beleg bereit.
    Eine entsprechende „Ohrfeigen-Performance“ wurde außerdem vorbereitet und beginnt am Infostand ca. 30 Minuten nach dem Ende der Urteilsverkündung.
    Der Insider steht ab sofort für Kommentare und nach der Urteilsverkündung auch für eine erste Bewertung bereit.

    Freigegebene (CCO) Fotobeigaben im Anhang als Link.
    Mehr / andere Formate gern auf Anfrage.

    Kontakt:
    Burkhard Tomm-Bub, M. A.
    67063 Ludwigshafen
    ogma1@t-online.de
    buktom.bloch@gmail.com

    ANHANG
    Link:
    https://kopfmahlen.blogspot.com/2019/10/hartz-iv-alg-ii-sgb-ii-sanktionen.html

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