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Agnes Török: “Worthless” – ein Gedicht zum zeitgenössischen Klassenkampf

Die Künstlerin Agnes Török trägt in einem 3 Minuten Video in Gedichtform Erfahrungen als “young, queer, unemployed, female immigrant student” im Großbritannien der Nach-Thatcher-Ära vor. Dank des neoliberalen Siegeszuges wollte diese Ära nicht nur nicht enden, sondern verschärfte sich noch einmal besonders unter der adligen Millionärsregierung von Cameron und wurde, wie bekannt, früh zum allgemeinen Exportschlager. Die Erfahrungen, die in Töröks Gedicht beschrieben werden, geben die Lebensverhältnisse von immer mehr Menschen in den reichen Industriestaaten wieder, denen zusätzlich zu miesen und ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen auch noch unverschämte Erzählungen durch die Systemverfechter aufgetischt werden. (Das Video ist auf englisch, nach Starten kann in der Leiste unter “CC” der englische Untertitel aktiviert werden, Untertitel in anderen Sprachen sollen noch nachfolgen, bis dahin haben wir hier eine eigene Übersetzung erstellt):

(Quelle: Agnes Török auf YouTube, www.youtube.com/watch?v=kiaxHUFAWew)

Deutschland, die vermeintliche “Insel der Glückseligen” stellt natürlich nur eine andere Variante des Modells Individualisierung, Prekarisierung & Entrechtung dar, indem als Meister in Sachen Lohndruck und Sozialversicherungsabbau nicht über Deindustriealisierung und ein Finanzblasenmodell, sondern über das ausländische Nachfrage abziehende Exportmodell eine Machtposition in der EU/Eurozone errungen wurde, die das Land – besser gesagt: seine rotierenden Regierungsparteien als Funktionselitenschicht in der “Power Structure” – sich angeeignet hat, um nun auch noch die formalen demokratischen Strukturen in EU-Europa außer Kraft zu setzen und zugleich die innere Kampfansage (erinnere Agenda 2010) in eine äußere gegen die abhängig Beschäftigten, Rentnerinnen und Renter, sowie Sozialgeld Beziehenden in der gesamten EU zu kehren.

In Anbetracht explodierender Reichtumsberge bei den relativ Wenigen wird dann schlicht von der “Zukunftsfähigkeit” Europas gesprochen. Hans-Jürgen Krysmanski stellte bereits 2007 – noch vor der akuten Finanzmarktkrise, den Vermögensrettungen und dem späteren drakonischen und konsequenzenreichen Austeritätskurs (siehe erneut die “silent revolution”) – fest:

“There are new structures of power and decision-making evolving that have little to do with democracy. Neoliberal ideology is sweeping away a whole system of governance that the bourgeois-capitalist society of yesteryear had established. Status and class privileges established within the ‘old’ system are turning into mere instruments for the accumulation of money. Corruption has become systemic. All this is a historically new type of regime.”

(Hans-Jürgen Krysmanski, Who will own the EU – the Superrich or the People of Europe?, RLS policy paper 3/2007)

Krysmanskis Analysen sind sehr empfehlenswert, da sie eine Vorstellung dazu vermitteln, in welchen Netzwerken und Strukturen Macht organisiert ist, die Ideologien institutionalisiert, und sich in reale Politik übersetzt, trotz der Skurrilität und des sagenhaften Scheiterns des immer wieder Gleichen. Es fehlen wohl schlicht die Massenorganisationen, die gescheite Gedanken zu Erfahrungen, die viele teilen können, in konkrete Ziele und Widerstand übersetzen, der die Regierungen dann zumindest am weiteren Durchmarsch hindern würde. Doch der nächste wirtschaftliche Einbruch in der EU dürfte nicht fern sein, hierbei darf man natürlich die Diskurse nicht der erzählerischen Fähigkeit und argumentativen Flexibilität der neoliberalen Prediger und Sozialstaatsfeinde überlassen, daher also auf Agnes Török und andere Engagierte verweisen, Erfahrungen und Analysen teilen und sich mit anderen organisieren!

Jascha Jaworski

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