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SPD, Medien und Arbeitgeber – alle Rechte fallen schnell, wenn der BDA es will

Es ist einmal wieder soweit, das falsche Bewusstsein wird gestiftet, um den Herren der Kapitalakkumulation keine Sorgenfalten aufkommen zu lassen. In der letzten Zeit hat sich mit den Streiks der in der GDL organisierten Beschäftigten sowie der Piloten gezeigt, wie der „Faktor Arbeit“ eben nicht lediglich in neoliberaler Manier als Tummelfeld der Kostenminimierung betrachtet werden sollte. Ohne ihn, bzw. all jene Menschen, die ihn hervorbringen, geht nämlich nicht mehr viel, auch in diesem Land. Das jedoch beunruhigt die Herren der Kapitalakkumulation gewaltig und so wird es wieder einmal Zeit, dass sie ihre als Arbeiterin getarnte langjährige Interessensvertreterin, die SPD, diesmal in der Verkörperung der Arbeitsministerin Nahles, zur Hilfe auffordern.

Was gilt es zu verhindern?

Dass die Hintergrundmechanik der kapitalgeeichten „Sozialpartnerschaft“ aus ihrem verlässlichen, Lohnquoten senkenden Ungleichgewicht gerät. Zur Erinnerung siehe hier.

Welches Mittel soll dazu gewählt werden?

Ein Angriff auf die Tarifautonomie, zunächst von hinten durch die Brust ins Auge. Doch so indirekt ist der Angriff alle Male nicht, dazu Pascal Beucker zum geplanten Gesetz von Frau Nahles:

“Allerdings wären die Folgen des Gesetzes für die GDL noch viel weitgehender: Sie müsste auch um ihren Tarifvertrag für die Lokführer fürchten. Zwar organisiert die GDL die überwiegende Mehrzahl dieser Berufsgruppe, weshalb sie zurzeit hier auch das federführende Verhandlungsmandat hat; doch das würde ihr nichts nützen, falls die EVG auf die Idee käme, für ihre paar Lokführer unabhängig einen Tarifvertrag abzuschließen. Denn rechtlich entscheidend wäre auch hier die Mehrheit im Betrieb, nicht in der einzelnen Berufsgruppe. Der EVG-Vertrag wäre der allein anwendbare. […] Insofern stellt das Tarifeinheitsgesetz de facto einen massiven Eingriff in das Streikrecht dar – obwohl die Arbeitsministerin genau das Gegenteil behauptet.“

(„Kleingewerkschaften kommen an die Kette“, taz vom 30.10.)

Welche Erzählungen werden platziert, um der Öffentlichkeit den eigentlichen Zweck des Unterfangens zu verschleiern?

Schauen wir dazu in die Mainstreammedien, sie sind schließlich das Sprechorgan ihrer Eigentümer, der Kapitalbesitzer:

„Die Streiks der Lokführer und Piloten haben nicht nur die Kunden genervt, nun schafft auch die Regierung Fakten: Ein Gesetz soll dem Machtstreben von kleinen Berufsgewerkschaften wie der GDL Grenzen setzen.“

(Untertitel aus: „Ein Gesetz gegen streikende Lokführer“, FAZ, 28.10.2014)

Wie falsch die Begründung in Sachen „Kunden genervt“ ist, macht u.a. dieser Artikel deutlich.

Aber lassen wir weiter die Medien des Kapitals zu Wort kommen:

„Lokführer und Lufthansa-Piloten bremsen Deutschlands Wirtschaft aus: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles will die Macht von Mini-Gewerkschaften wie GDL und Pilotengewerkschaft eindämmen. Das Streikrecht bleibe unangetastet – doch die Zerfledderung der Tariflandschaft soll verhindert werden.“

(Untertitel aus: „Nahles will Macht der Lokführer und Piloten eindämmen“, manager magazin online, 28.10.2014)

Die Verhinderung einer „Zerfledderung der Tariflandschaft“ ist natürlich die Betäubungspille, die in Richtung der großen Gewerkschaften ausgeteilt wird, damit diese dem Putsch gegen die kleineren Organisationen der Kolleginnen und Kollegen stillschweigend zuschauen. Wie dümmelig und scheuklappenbehaftet man sein müsste, um solch eine Absicht für bare Münze zu nehmen, macht u.a. Werner Rügemer deutlich im Artikel „Die Stunde der Heuchler“:

„Jährlich brechen Konzerne die Tarifeinheit und schließen Hunderte Tarifverträge mit Scheingewerkschaften ab. Aber kämpferische wie die GDL sollen zerstört werden.“

(Untertitel aus: „Die Stunde der Heuchler“, junge Welt, 21.10.2014)

Detlef Hensche hatte bereits im Januar einen ausführlichen Artikel dazu verfasst, wie der Wunsch der Arbeitgeber zur Einschränkung des Streikrechts endlich seinen Übertrag in den schwarz-roten Koalitionsvertrag gefunden hat. Er räumt in seinem Artikel nicht nur mit falschen Argumenten der Arbeitgeber und ihrer Regierungspartner auf, sondern erinnert die DGB-Gewerkschaften, die zeitweise den BDA-Wünschen zugeneigt waren, daran, welche Gefahren hier auf dem Vormarsch sind:

„Ist in Zeiten der Krise die Klassenbalance gestört, halten sich die Sachwalter und Profiteure marktradikalen Umbaus nicht mit der Gewährleistung verfassungsrechtlicher Gebote auf, wenn es gilt, die Folgen ihrer Krise bei den Arbeitnehmern abzuladen. Aktuell wurden zum Beispiel in Griechenland auf Geheiß der Troika in kurzer Frist wesentliche Elemente der Tarifautonomie wie die überbetriebliche Verbindlichkeit, das Günstigkeitsprinzip und die Unabdingbarkeit von Tarifnormen abgeräumt. Wenn Gewerkschaften da in einem immer noch prosperierenden Land schon aus nichtigem Anlass eine gesetzliche Streikbeschränkung dulden, offenbart dies ein schwer nachvollziehbares Maß an Grundrechtsvergessenheit und lässt für die Standfestigkeit in existenziellen Herausforderungen nichts Gutes erwarten.“

(Detlef Hensche, „Schwarz-rotes Streikverbot“, Blätter für deutsche und internationale Politik, Januar 2014)

Die Gemeinschaftserzählungen, die von den Reichen und Mächtigen dieses Landes gestiftet werden, sind also nicht nur falsch, sie sind auch gefährlich. Doch, was wird mit jenen gemacht, die sich ihnen nicht unterordnen wollen, weil sie zu den direkt Betroffenen gehören?

Sie werden kurzerhand als in Geiselhaft eines „bösen Herrschers“ befindlich erklärt, der in Gestalt des GDL-Bundesvorsitzenden Weselsky „nur sein Ego befriedigen“ will. Hierzu bieten die Kapitalmedien natürlich allzu gern Raum für einzelne „Opfer“, deren Meinung dann zur angemessenen Repräsentativität verholfen wird. „Angemessen“ meint hier freilich nicht, dass sie den Anteil der Meinung in der Organisation widerspiegeln, sondern den Anteil an Vermögen, den jene, denen die Meinung gut in dem Kram passt, auf sich vereinen. Zur Medienpropaganda in diesem Fall siehe:

„GDL-Streik: Wer sind Volker Siewke und die >>Initiative für mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in der GDL<< – und was ist dran am >>offenbar wachsenden Widerstand gegen Weselsky<<? (Wirtschaft und Gesellschaft vom 26.10.)

Man darf sich wieder einmal hoffend betätigen, dass die Öffentlichkeit aus ihrer bewusstseinsgefälschten Rolle als Dauerkunde herausfindet. Viel zentraler ist die Rolle als Arbeitnehmer. Man darf hoffen, dass die großen Gewerkschaften aus dem von den Arbeitgebern produzierten Nebel herausfinden. Ein Gesetz zur Tarifeinheit auf Bestellung des BDA ist nichts Fortschrittliches. Und man darf hoffen, dass die SPD aus ihrem Image als Partei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer herausfindet. Von den Kriegskrediten bis zu den Hartz-Gesetzen ist dies nämlich überfällig, damit endlich die Parlamentsstühle von den Arbeitgebervertretern in Blaumanntarnung entlastet werden.

Und speziell der GDL darf man die Daumen drücken, dass sie solidarisch bleibt und noch mehr Solidarität auch von außen erfährt. Wie verdient sich die Gewerkschaft um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nämlich gemacht hat, zeigte zuletzt Jens Berger in einem Artikel auf, siehe:

„Bahnstreik – Ich bin ein GDL-Versteher!“

Ich auch!

Jascha Jaworski

4 Kommentare

  1. Mal wieder ein wundervoll und klar auf den Punkt bringender Artikel.
    Herr Jaworski, ich liebe Ihre schreibende Art, die “Maske fallen zu lassen” . Weiter so, und bitte, niemals aufgeben!!!!!

  2. Ausgerechnet wieder die SPD

    Die Macht der großen Einheitsgewerkschaften wurde mit den Schröderschen Arbeitsmarktreformen durch die massenhafte Legalisierung von prekären Arbeitsverhältnissen und Scheinwerkverträgen dramatisch reduziert. Gleichzeitig werden die Chefs dieser Gewerkschaften durch lukrative Aufsichtsratsposten „eingebunden“. Daher ist es auch kein Wunder, dass die Arbeitnehmer seither keinen angemessenen Anteil am erwirtschafteten Nationaleinkommen mehr für sich erstreiten konnten. Dies wird mittlerweile sogar vom Co-Vorsitzenden der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, und dem Chef der Telekom, Timotheus Höttges, als Problem thematisiert. Nur die kleinen Spartengewerkschaften mit ihren hochspezialisierten Mitgliedern in Schlüsselfunktionen können den Arbeitgebern bei Tarifverhandlungen heute noch auf Augenhöhe gegenübertreten. Mit einem Gesetz zur Tarifeinheit in den Betrieben soll nun deren Streikmacht auch noch gebrochen werden. Federführend ist dabei ausgerechnet wieder die SPD mit Arbeitsministerin Nahles. Für dieses Ziel ist man sogar bereit, das im Grundgesetz verankerte Recht auf Vereinigungsfreiheit zu missachten. Prof. Peter Zeller, München
    Es gibt doch noch aufrechte Menschen!

  3. Für mich gehört die Bahn (wie der öffentliche Nahverkehr) zur Daseinsvorsorge. Nicht ohne Grund wird da – wie in Krankenhäusern und Notfallzentralen – auch an Sonn- und Feiertagen gearbeitet. Soll dort auch das uneingeschränkte Streikrecht gelten?

    Der Jubel von links über das Druckpotential (um das E-Wort zu vermeiden) von Spartengewerkschaften ist mir daher unverständlich: In England waren es erst die Elektriker, dann die Plumber und so weiter und am Ende stand dann Scargill and Thatcher. Und dort ging es “nur” gegen die Arbeitgeber, nicht gegen Jobber und Schüler/Studenten und ihre Möglichkeit, zur Arbeit und zur Schule/Uni zu kommen.

    in der guten alten BRD (die selbst für Sarah Wagenknecht inzwischen als Referenz dient) galt das Prinzip der Tarifeinheit. Übrigens von den Briten hier eingeführt und damals als vorbildlich angesehen.

    • Ist relativ einfach Streikenden die Schuld für einen Streik zu geben: der Streikausführende ist sozusagen der Troublemaker (seine eigene Ursache), der mich direkt an etwas hindert, seine Handlungen sind also nicht Folge einer Kausalkette von verkehrs- und wirtschaftspolitischen Entscheidungen, sowie betriebswirtschaftlichen Erwägungen der Bahn. Du forderst zurecht ein den öffentlichen Schienenverkehr als Daseinsvorsorge zu betrachten, aber genau dies wurde mit der Bahnprivatisierung (vorher gab es dort auch kein Streikrecht!) eben verhindert und die Beschäftigten wurde einem (für die Daseinsvorsorge immer) künstlichen Wettbewerb ausgesetzt, bei dem es einfach dann nur noch das Ventil Streik gibt. Die strukturellen Bedingungen wurden also von anderen erzeugt! Wie sollen sie also sonst auf ihre Bezahlung einwirken? Der Vergleich Beförderung mit lebensnotwenidger Behandlung ist zudem reichlich übertrieben und die Behauptung hier würde absichtlich gegen Jobber gestreikt – quasi um diese bewusst zu quälen – ist abwegig!
      Warum sollten die Lokführter und anderes Bahnpersonal von der selben Gewerkschaft vertreten werden, wenn sie in unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern arbeiten (dafür ist der Begriff Tarifeinheit gar nicht anwendbar), warum sollten sie sich also einer schwächeren (was ja schon zu beklagen ist) Gewerkschaft anschließen, wenn etwas allgemeinverbindliches für Lokführer rauskommt. Wo die Tarifeinheit massiv jeden Tag gebrochen wird, ist Leiharbeit, das kümmert Nahles weniger… Auch durch den Rückgang der Allgemeinverbindlichkeit ist die Tarifeinheit gefährdet.
      England hat traditionell ein dezentraleres Tarifsystem, was die makroökonomisch erforderlichen Tarifverhandlungen erschwert, ist also nicht vergleichbar.
      Tarifeinheit könnte, wenn sie gewünscht wäre, leicht ausgebaut werden und die Bedingungen für Lokführer könnten bei einem vernünftig ausgestatteten öffentlichlichen Bahnbetrieb verbessert werden!

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