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Mahnung ehemaliger US-Geheimdienstangehöriger an Angela Merkel

Telepolis hat einen offenen Brief ehemaliger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter US-amerikanischer Geheimdienste veröffentlicht, in dem diese sich an Kanzlerin Merkel wenden, um sie in Bezug auf die Behauptungen aus NATO-Kreisen, dass Russland eine Invasion in der Ukraine durchführe, zur Skepsis aufzufordern. Hier der Text, dessen englisches Original am 31.8. herausgegeben wurde:

“Offener Brief an Angela Merkel” (Coleen Rowley auf Telepolis)

Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner verweisen darauf, wie wenig aussagekräftig die von der NATO herausgegebenen Satellitenbilder zur Stützung des Invasionsvorwurfs ihrer Einschätzung gemäß sind. Zudem erinnern sie daran, wie Informationsquellen auch im Fall des Irak-Kriegs (Stichwort: Massenvernichtungswaffen) verzerrt und politisch instrumentalisiert wurden:

“An eben jenem Tag warnten wir Präsident Bush, dass unsere ehemaligen Analysten-Kollegen >>zunehmend verstört über die Politisierung der Nachrichtendienste<< waren, und wir sagten ihm geradeheraus, dass >>Powels Präsentation nicht annähernd einen Grund bietet<<, der einen Krieg rechtfertigen würde. Wir mahnten Mr. Bush, >>die Diskussion…über den Kreis jener Berater hinaus zu erweitern, die klar einen Krieg anstreben, für den wir keinen überzeugenden Grund sehen und dessen unbeabsichtigte Konsequenzen vermutlich katastrophal sein würden<<.”

“Offener Brief an Angela Merkel” (Coleen Rowley auf Telepolis)

Der offene Brief kommt auch auf jene Interessen zu sprechen, die die Ukraine in der NATO aufnehmen wollen und dabei rücksichtslos gegenüber russischen Bedenken sind, das Militärbündnis bis an die russische Grenze zu erweitern, wobei auf ein WikiLeaks Dokument von 2008 verwiesen wird.

Wie der offene Brief deutlich werden lässt, besteht viel Anlass zur Skepsis gegenüber solchen Behauptungen, die die Ukraine-Krise bis hin zum Krieg gegen Russland ausdehnen könnten. Auch wir erinnern noch einmal daran, wie bedenkenlos mit Falschinformationen und Verzerrungen gearbeitet wird, wenn es darum geht, die öffentliche Meinung in eine bestimmte Richtung zu drängen, und wie problemlos dies gerade in außenpolitischen Angelegenheiten gelingt. Daher verweisen wir noch einmal auf die Vorgänge zur Rechtfertigung des damaligen Irak-Kriegs. Nachforschungen, die von der George Washington University verföffentlicht wurden, machen die gezielte Täuschung basierend auf mittlerweile zugänglichen US- und britischen Regierungsdokumenten deutlich. Die beteiligten Forscher sprechen hier von einer “transatlantic propaganda cooperation”. Wir wiederholen hier noch einmal den übersetzten Auszug, den wir letzten Sonntag eingestellt hatten:

“Fast ein Jahr vor der Invasion im Irak 2003 arbeitete die britische Regierung unter Ministerpräsident Tony Blair eng zusammen mit der Regierung von George W. Bush, um ein weit krasseres Bild der Bedrohung durch Saddam Hussein und seine Massenvernichtungswaffen (WMD) zu produzieren, als dies durch Geheimdienstinformationen zu der Zeit gerechtfertigt gewesen wäre, laut britischen und amerikanischen Regierungsdokumenten […]
Die Dokumente zeigen außerdem […]
– Die US- und die britische Regierung waren vom März 2002 an – dem Beginn dieses Vorgangs – darauf bedacht, Konsistenz in ihren Behauptungen über irakische Waffen zu erzielen, häufig auf Kosten der Genauigkeit. Im Frühling 2002 begannen die beiden Länder damit, parallel die White Paper über irakische Massenvernichtungswaffen anzufertigen, die sie in jenem Herbst veröffentlichten. Mindestens zwei Entwürfe der jeweiligen White Paper tauschten beide Seiten miteinander aus, um Pulver für “Gegner der Aktion” zu vermeiden. […]
– Den Beamten, die das White Paper oder “Dossier” im September 2002 neu verfassten, wurde aufgetragen, sicherzustellen, dass es die Aussagen im US-Dokument >>ergänzt<< anstatt ihnen zu widersprechen. […]
– […] Das US-Papier wurde von einem seiner Autoren beschrieben als angedacht dazu >>den Umstand eines Gangs mit der amerikanischen Öffentlichkeit in den Krieg zu stärken<<”

(John Prados & Christopher Ames – The Iraq War Part III: Shaping the Debate, The National Security Archive, 4.10.2010, Übers. Maskenfall)

Möge Frau Merkel also die MahnerInnen im offenen Brief ernst nehmen, wenn es darum geht, aus der Geschichte zu lernen, um Eskalationen in der Gegenwart zu verhindern.

Jascha Jaworski

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