Die Zeit schafft es doch neben aller INSM-Hörigkeit hin und wieder einen guten Artikel zu schreiben: Zwei Reporter als Obdachlose verkleidet im Reichenviertel. Hilft ihnen jemand? Eher nicht:
Mit Sack und Pack treten wir ein. Im Foyer hilft ein Page den Gästen aus ihren Mänteln. Überall Kellner, mit jedem Schritt auf spiegelndem Marmor um Würde bemüht. In einer Vitrine ein Füller von Faber-Castell für 3200 Euro. Klingen von Gläsern. Freudiges Gemurmel. Viel Haut. Viel Anmut. Viel Schwarz. Viel Weiß. Und dazwischen plötzlich wir, die poor, direkt vorm Weihnachtsbaum. Gesichtsmuskeln, auf zig Empfängen auf Contenance trainiert, geraten außer Kontrolle. Getuschel. Gezischel. Endlich einmal trennt uns keine Tür, kein Zaun, keine Windschutzscheibe von den Studienobjekten! Wir suchen nach bekannten Gesichtern, nach den Koppers, Ackermanns und Blessings. Aber dazu bleibt keine Gelegenheit, nach dreißig Sekunden ist der Manager on Duty da, ein junger Mann mit alter Guttenberg-Frisur und tadellosen Türstehermanieren. Mit der Showtreppen-Eleganz eines Entertainers schiebt er uns durch ein schweigendes Spalier ins Freie.
»Das ist wirklich unpassend heute«, sagt er mit hochgezogenen Augenbrauen. »Wir haben hier nämlich eine Wohltätigkeitsveranstaltung.«
Aber lest selbst.