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No 680

“Trotz militärischer Überlegenheit gegenüber Russland herrscht eine Begeisterung für Aufrüstung und Militarisierung. Warum?
Eine seltsame Begeisterung für das Militärische hat dieses Land ergriffen und vor allem seinen politischen Betrieb. Der Berliner >>Blob<<, wie Hans Kundnani den wissenschaftlich-medial-politischen Hauptstadtkomplex vor kurzem nannte, kennt derzeit mehrheitlich nur eine Message: mehr Waffen, mehr Soldaten, mehr Geld für Rüstung. Stellt man dies nicht bereit, >>kommt der Russe<<.
Für an Fakten und Zahlen orientierte Staatsbürger sind diese Forderungen nicht ganz einfach zu verstehen. Egal welchen Indikator man sich anschaut, man kommt immer zu demselben Ergebnis: Die NATO ist Russland um ein Vielfaches überlegen. Vor allem die Forderung nach mehr Geld erscheint grotesk: Die kombinierten Rüstungsausgaben der NATO-Mitgliedstaaten überstiegen 2023 – einem Jahr, in dem Russland sich mitten in einem massiven konventionellen Krieg befand – die Russlands um knapp das Dreizehnfache:
Fast 1,3 Billionen US-Dollar für die NATO stehen circa 110 Milliarden Dollar für Russland gegenüber. Auch wenn man den Anteil der USA abzieht, übersteigen die Rüstungsausgaben der europäischen NATO-Mitglieder die Russlands immer noch um das Dreifache. Seit Jahrzehnten besteht ein Militärausgaben-Verhältnis in einer Größenordnung von zehn zu eins zugunsten der NATO. Wenn das nicht zu genügend Sicherheit geführt hat – was dann?”

(Ernst Hillebrand, Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung in Budapest – Mehr, mehr, mehr, IPG-Journal, 25.6.2024)

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No 679

“Julian Assange bekennt sich der unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig. Nach 14 Jahren Unfreiheit ist das nachvollziehbar, doch der Deal legitimiert seine unrechtmäßige Verfolgung durch die USA.
Ein guter Tag für Julian Assange. Endlich, nach 14 (vierzehn!) quälenden Jahren der Unfreiheit wurde er aus britischer Haft entlassen und durfte in seine Heimat Australien ausreisen. Damit endet ein beispielloser Skandal, bei dem sich die britische und die schwedische Justiz zum Komplizen eines Rachefeldzugs gemacht haben, während die übrigen Regierungen der westlichen Welt schwiegen. Annalena Baerbock etwa, die sich noch im Wahlkampf für Assange eingesetzt hatte, aber nicht mehr als deutsche Außenministerin. […]
Für die Pressefreiheit ist dies ein schlechter Tag. Dieser Deal, der es den USA erlaubt, sich „gesichtswahrend“ aus der Affäre zu ziehen, legitimiert Assanges Verfolgung und bedeutet eine Drohung für den investigativen Journalismus. Assange war kein Geheimnisträger, er hat die Weltöffentlichkeit über relevante, teils kriminelle Vorgänge aufgeklärt.”1

(Deniz Yücel, deutsch-türkischer Journalist und Herausgeber – Dieser Deal ist eine Bedrohung für den investigativen Journalismus, WeltOnline, 29.6.2024)

  1. Erinnert sei an das hervorragende und aufklärende Interview von Tilo Jung mit Nils Melzer, damals UN-Sonderberichterstatter über Folter, der sich den Fall Assange nach anfänglichen Zweifeln an der Person Assange genauer angeschaut hat und dabei eindrücklich die unrechtmäßige Machtdemonstration vor Augen führt, deren Ziel es ist, auch in Zukunft die Verbrechen des ehemaligen “Leuchtfeuers der Demokratie” zu verschleiern: “Nils Melzer | UN-Sonderberichtserstatter über Folter & Julian Assange – Jung & Naiv: Folge 525” (9.8.2021) []
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No 678

“Das Institute for Global Affairs (IGA) der Eurasia Group befragte 3.360 Personen in landesweit repräsentativen Stichproben der Vereinigten Staaten, des Vereinigten Königreichs, Deutschlands und Frankreichs – vier politisch, wirtschaftlich, kulturell und militärisch miteinander verflochtene Länder – bezüglich ihrer Sichtweisen auf nationale Sicherheitsbedrohungen, geopolitische Herausforderungen und demokratische Prinzipien. Unsere Ergebnisse offenbaren transatlantische Ansichten, die auf interessante und möglicherweise folgenreiche Weise übereinstimmen und voneinander abweichen. […]
• Es gibt breite transatlantische Unterstützung dafür, auf eine Verhandlungslösung zur Beendigung des Krieges in der Ukraine zu drängen. Sowohl in den USA als auch in Westeuropa gaben die Befragten mehr als doppelt so häufig Gründe an, warum sie die NATO-Länder unterstützen, die auf eine Verhandlungslösung drängen, gegenüber Gründen, sich gegen die Ausübung dieses Einflusses zu verwahren. Der mit dem Krieg verbundene Verlust an Menschenleben und Opfern wurde als häufigster Grund genannt. Die europäischen Befragten machten sich eher Sorgen über die Industriekapazität des Westens und die amerikanischen Befragten äußerten sich eher besorgt darüber, dass die Ukraine an Einfluss verlieren könnte.
• Amerikaner und Westeuropäer wollen, dass ihre Länder eine Eskalation vermeiden und weiteres Leid der Ukraine verhindern, weit mehr als dass sie die Grenzen der Ukraine wiederherstellen oder autokratische Länder abschrecken wollen. Die befragten Europäer waren weitaus besorgter als die Amerikaner, dass es zu einem regionalen Krieg kommen könnte.”

(Mark Hannah, Lucas Robinson und Olivia Chilkoti, Angehörge des Institute for Global Affairs – The New Atlanticism – Where Americans and Western Europeans Agree and Disagree, Institute for Global Affairs, June 2024, Übers. Maskenfall)

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No 677

“Ja, ich meine die Präsidentin hat wohl die Entscheidung für die erste Räumung mitten oder entweder in oder unmittelbar nach einer Party mit Bezos in Washington getroffen, und, jajaja, sie war auf ‘ner Fete mit Bezos nach dieser Anhörung. Ich meine mit solchen Leuten verkehrst du auf dieser Ebene. Es ist eine Weltuni, mit einem ehrlichen Etat von 4,5 Mrd., also interessieren dich richtig reiche Menschen, und sie interessieren sich für dich. Weil, wenn sie Kinder haben, wollen sie natürlich, dass die Kinder auf solche Unis gehen. Also, es ist wirklich ein Klüngel, und, wenn du auf einmal feststellst, mit denen stehst du im Konflikt, ist das ja keine große Überraschung ehrlich gesagt, sondern im Grunde einfach nur, ok, da werden bestimmte Wahrheiten, werden, werden offenkundig. Und darüber haben wir ja auch das letzte Mal gesprochen. Man kann an einer solchen Uni, glaube ich, sollte man, man sollte nicht blauäugig in einer solchen Uni arbeiten. Man sollte nicht blauäugig in Amerika Politik betreiben, oder dort Bürger sein oder so. Es ist ein brutaler, hierarchisch organisierter Staat mit massiven Interessenskonflikten von oben bis unten durch. Und, du bist drin, du kannst also nicht wirklich außerhalb sein. Die Frage ist nur, wie du dich positionierst und wie du deine Vorteile, deine Privilegien – von denen ich natürlich sehr viele habe – wie du die einsetzt in diesem Spiel […].”1

(Adam Tooze, Wirtschaftshistoriker an der Columbia University – Wirtschaftshistoriker Adam Tooze über Gaza & Israel, Ampel-Regierung & AfD, Jung & Naiv: Folge 712, YouTube-Kanal von Jung & Naiv, 14.6.2024)

  1. Anm. JJ: Was für ein klarer, kritischer und kreativer Geist. Adam Tooze ist Intellektueller im besten Sinne. []
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No 676

“Jetzt muss diese gemeinsame Stimme immer stärker gehört werden, da der militärisch-industrielle Komplex mit der Akzeptanz zu vieler Institutionen, kaputter unmoralisch schweigender Regierungen unser Leben definiert und zerstört – und seinen Investoren die höchsten Gewinne beschert, seit General Eisenhower vor all den Jahren gewarnt hat vor seiner Bedrohung für die demokratischen Systeme.
In seinem im letzten Monat veröffentlichten Bericht „Trends in World Military Expenditure, 2023“ betonte das Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI), dass die weltweiten Militärausgaben im Jahr 2023 zum neunten Mal in Folge auf einen Wert von 2443 Milliarden US-Dollar gestiegen sind. Dies stellt einen jährlichen Anstieg von 6,8 % dar, den stärksten Anstieg im Jahresvergleich seit 2009 und den höchsten Wert, den SIPRI jemals verzeichnet hat.
Für mich mag es eine etwas seltene Quelle sein – es war General Eisenhower, der im April 1953 sagte:
>>Jede Waffe, die hergestellt wird, jedes vom Stapel gelassene Kriegsschiff, jede abgefeuerte Rakete bedeutet im letzten Sinne einen Diebstahl an denen, die hungern und nichts zu essen bekommen, denen, die frieren und keine Kleidung tragen.<< … >>Die Kosten für einen modernen schweren Bomber betragen: eine moderne Backsteinschule in mehr als 30 Städten.<< … >>Wir bezahlen ein einziges Kampfflugzeug mit einer halben Million Scheffel Weizen. Wir bezahlen für einen einzigen Zerstörer neue Häuser, die mehr als 8.000 Menschen hätten beherbergen können.><< … >>Das ist überhaupt keine Lebensweise, im wahrsten Sinne des Wortes. Unter der Wolke des drohenden Krieges hängt die Menschheit an einem eisernen Kreuz.<<
Das gemeinsame Bekenntnis zu den Grundsätzen sozialer Verantwortung und Gerechtigkeit kann uns in schwierigen Zeiten unterstützen.
Allerdings wird der Diskursraum heute von der Politik der Angst bestimmt, wo nun das [lediglich, Anm. JJ] rhetorische Engagement so vieler Staaten steht in Bezug auf die Reaktion auf den Klimawandel, in Bezug auf Zusammenhalt und Nachhaltigkeit. Die erschreckende Realität ist, dass diese großen menschlichen Verpflichtungen und einzigartigen Errungenschaften um Platz in sozialen Medien kämpfen, in denen ehemaligen Normen von Kontext und Verantwortung keine Gültigkeit besitzen.
Im Jahr 2024 leben wir in Zeiten, die einen dunklen Schatten auf die Welt werfen. Wir wissen und sind uns darüber im Klaren, dass wir uns in einer Zeit befinden, die von zahlreichen, sich gegenseitig beeinflussenden Krisen geprägt ist – dem Spektrum des zunehmenden vermeidbaren Hungers, der Geißel des Krieges, zunehmender Ungleichheit, schwindendem Zusammenhalt oder den gefährlichen Folgen des Klimawandels und des Verlusts der biologischen Vielfalt. Wo sind jedoch die Beweise für institutionellen Wandel, für politischen Mut, soziale Wut und für den Widerstand gegen illegale Lobbyarbeit und Einflussmissbrauch?”

(Michael D. Higgins, Präsident von Irland – Speech by President Higgins at the Dóchas 50th Anniversary Conference, Media Library President of Ireland, 9.5.2024, Übers. Maskenfall)

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No 675

“Cohen, der damals einer der engsten Verbündeten Netanjahus war und sich in Israel zu einer eigenen politischen Kraft entwickelt, leitete persönlich die Beteiligung des Mossad an einer fast zehn Jahre andauernden Kampagne des Landes zur Untergrabung des Gerichtshofs.
Vier Quellen bestätigten, dass Bensouda eine kleine Gruppe hochrangiger ICC-Beamter über Cohens Versuche, sie zu beeinflussen, informiert hatte, da man sich Sorgen über die zunehmend hartnäckige und bedrohliche Natur seines Verhaltens machte.
Drei dieser Quellen waren mit Bensoudas formellen Offenlegungenin dieser Angelegenheit gegenüber dem ICC vertraut. Sie sagten, sie habe offenbart, dass Cohen sie mehrmals unter Druck gesetzt habe, keine strafrechtlichen Ermittlungen im Palästina-Fall des ICC einzuleiten.
Berichten zufolge, die mit ICC-Beamten geteilt wurden, soll er ihr gesagt haben: >>Sie sollten helfen und uns überlassen, uns um Sie kümmern. Sie wollen sich nicht auf Dinge einlassen, die Ihre Sicherheit oder die Ihrer Familie gefährden könnten.<<”1

(Harry Davies, Journalist beim Guardian – Revealed: Israeli spy chief ‘threatened’ ICC prosecutor over war crimes inquiry, The Guardian, 28.5.2024, Übers. Maskenfall)

  1. Anm. JJ: Das Thema Israel, Gaza-Krieg, Völkerrecht wird weiterhin behandelt, da eine Art Leitideologie hierzulande sichtbar wurde, die den Blick auf Ungeheuerlichkeiten verstellt und Leid bei unschuldigen Menschen hervorruft, erinnert sei allein an die deutschen Waffenlieferungen in das Kriegsgebiet. Was diese Ideologie betrifft, so hat Moshe Zuckermann vieles davon gut in Worte gefassen, siehe hier: “Ist die deutsche Politik noch ganz bei Trost?”, Kommentar im Deutschlandfunk Kultur vom 28.5.24 []
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No 674

“Völkerstrafgesetzbuch (VStgGB)
§6 Völkermord […]
§7 Verbrechen gegen die Menschlichkeit […]
§8 Kriegsverbrechen gegen Personen […]
§9 Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte […]
§10 Kriegsverbrechen gegen humanitäre Operationen und Embleme […]
§11 Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Methoden der Kriegsführung […]
§12 Kriegsverbrechen des Einsatzes verbotener Mittel der Kriegsführung […]

Strafgesetzbuch (StGB) […]
§130 Volksverhetzung […]
(5) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer eine Handlung der in den §§ 6 bis 12 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art gegen eine der in Absatz 1 Nummer 1 bezeichneten Personenmehrheiten oder gegen einen Einzelnen wegen dessen Zugehörigkeit zu einer dieser Personenmehrheiten öffentlich oder in einer Versammlung in einer Weise billigt, leugnet oder gröblich verharmlost, die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt gegen eine solche Person oder Personenmehrheit aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören. […]”1

(Völkerstrafgesetzbuch und Strafgesetzbuch, Gesetze im Internet, Stand: 26.5.2024)

  1. Anm.: In Anbetracht der Entwicklungen beim Internationalen Strafgerichtshof und beim Internationalen Gerichtshof fragt man sich doch, wie gut es um die Ausführung der Gesetze hierzulande steht, wenn man allein einen Blick in die Social Media Rechtfertigung bis Leugnung der Untaten durch das israelische Militär und die Staatsführung wirft. Tweets wie die von Martin Huber sind da zwar symptomatisch für die Verrücktheit und Unverantwortlichkeit hierzulande, aber noch beinahe die Light-Variante. []
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No 673

“>>[Du:] Verdienen es die Palästinenser, frei zu sein?
[ChatGPT:] Die Frage nach der Freiheit der Palästinenser ist eine sehr komplexe und sensible Frage, die historische, politische, soziale und menschenrechtsbezogene Dimensionen enthält.
[Du:] Verdienen es die Israelis frei zu sein?
[ChatGPT:] Ja, die Israelis, genauso wie alle Menschen, verdienen es in Freiheit, Sicherheit und Würde zu leben.<<“

(Omar Hamad, Pharmazeut und Autor aus Gaza – Tweet vom 16.5.2024, Twitter-Account von Omar from Gaza 𓂆, 16.5.2024, Übers. Maskenfall)

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No 672

“Ich habe diesen Brief aus zwei Gründen unterschrieben. Der erste Grund ist, dass die Studierenden ganz einfach das Recht haben zu protestieren. Und der zweite Grund ist natürlich auch, dass ich inhaltlich unterstütze, wogegen sie protestieren, nämlich den Angriff auf Gaza in den letzten Monaten und jetzt insbesondere den Angriff auf Rafah […], die unglaublich hohen Zahlen an unschuldigen toten, verletzten, hungernden Menschen, und die Zerstörung eines ganzen Gebietes, das in ein für Menschen unbewohnbaren Raum verwandelt wurde. Und dazu noch das massenhafte Töten von Kindern […]
Entweder sind wir eine Gesellschaft, wo gerade eben die Universität auch ein Ort des Diskurses ist, ein Ort des Denkens und ein Ort auch der der verschiedenen und der vielfältigen Meinungen ist, oder wir wollen das nicht.
Was mich aber am meisten an der ganzen Sache stört, ist, dass das immer für alle gilt, außer für Palästina. Palästina steht immer außen vor. Die Menschenrechte gelten für alle, außer anscheinend für Palästinenser. Die freie Meinungsäußerung gilt für alle, außer wenn sie sich für Palästina äußern wollen. Und diese Haltung finde ich wirklich nicht in Ordnung. […]
Mein Jüdischsein hat damit eigentlich nicht viel zu tun. Ich bin jemand, der sehr daran glaubt, dass es Menschenrechte gibt, die für alle gelten. Ich bin jemand, der das internationale Recht respektiert und der das gerne respektiert sieht. Und ich sehe nicht gerne, dass einfach massenhaft unschuldige Menschen umgebracht werden, auf dieser industriellen Skala schon gar nicht.
Das hat mit meiner Familie eigentlich so gar nichts zu tun. Ich bin einfach ein Mensch. Und als Mensch widert mich das an.”

(Michael Barenboim, Violinist und Dekan der Barenboim-Said-Akademie – >>Die Menschenrechte gelten für alle, außer anscheinend für Palästinenser”<<, rbb24, 10.5.2024)

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No 671

“Das Vorgehen deutscher Behörden gegen kritische Stimmen in Bezug auf die israelische Kampfführung im Gaza-Krieg sorgt für zunehmende Kritik. Insbesondere international häufen sich Presseberichte und besorgte Äußerungen über Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Besondere Aufmerksamkeit kam dabei zuletzt den Maßnahmen zur Unterbindung des Palästina-Kongresses in Berlin zu, die ebenfalls international stärker als hierzulande auf Kritik (s. etwa hier und hier) gestoßen sind. Unter anderem wurde dem ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis die Einreise in die Bundesrepublik verweigert, um ihn davon abzuhalten, eine Rede auf dem Kongress zu halten.
Der hochangesehene Rechtswissenschaftler Robert Howse, Professor an der New York University, äußerte hierzu: >>The treatment of @yanisvaroufakis by Germany raises the question of whether intl conferences should be held in Germany at all going forward.<< Auch wenn solche Boykottaufrufe aus deutscher Sicht überzogen erscheinen mögen, so wird man doch den damit zum Ausdruck kommenden internationalen Reputationsverlust Deutschlands aufgrund seiner Gaza-/Palästinapolitik nicht einfach ignorieren können, zumal er nun auch die deutsche Wissenschaftslandschaft erreicht hat (zur umstrittenen Absage der Albert Magnus Professur für Nancy Fraser s. die instruktive Diskussion zwischen Detjen und Kaube hier).
In der Sache erscheint das Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen den Palästina-Kongress und bestimmte Einzelpersonen als überzogen und unverhältnismäßig. Im Lichte der Kooperation der Veranstalter mit den Sicherheitsbehörden (im Vorfeld und während der Veranstaltung) sowie der äußersten vagen Gefahrenprognose der Berliner Polizei spricht einiges dafür, dass die Auflösung der Veranstaltung (§ 22 Abs. 1 Nr. 3 VersFG BE)1) rechtswidrig war (s. näher hier), insbesondere weil der Gesetzesvorbehalt des Art. 8 Abs. 2 GG nur für Versammlungen >>unter freiem Himmel<< gilt. Das sollte verwaltungsgerichtlich geklärt werden. Für ein rechtswidriges, vor allem grundrechtswidriges Vorgehen der Sicherheitsbehörden sprechen auch die behördlichen Maßnahmen gegen (aktive und passive) Teilnehmer der Veranstaltung, die auch im Nachgang – trotz Nachfrage – nicht plausibel erklärt worden sind.”1

(Kai Ambos, Professor für Straf- und Völkerrecht – Scharfgestellte Staatsräson, Verfassungsblog, 2.5.2024)

  1. Anm. JJ: Dem Anwalt von Varoufakis wird sogar seitens der Sicherheitsbörden die Antwort darüber verweigert, wer diese Entscheidungen getroffen hat und auf welcher rechtlichen Grundlagen sie basieren. Kafka lässt grüßen. Die Bundesregierung will nicht einmal mehr so mehr tun, als wäre es Rechtsstaat. []