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Reallohnverluste von 1% im 1. Quartal 2014

Vor kurzem erreichten auch uns die Jubelmeldungen von einem Zuwachs der deutschen Reallöhne  um 1,3% im Vergleich zum Vorjahresquartal (1. Quartal 2013 bis 1. Quartal 2014), in der Pressemitteilung des statistischen Bundesamts wurde allerdings nicht ersichtlich, dass sich hierbei die Angaben auf den durchschnittlichen Bruttomonatsverdienst1 beziehen (durch die in der Mitteilung abgebildete 2. Tabelle der Bruttostundenverdienste in den einzelnen Bundesländern von 2013 entsteht zudem sogar leicht der Eindruck, es handle sich insgesamt um Stundenverdienste). Die durchschnittlichen Bruttostundenlöhne sind im gleichem Zeitraum tatsächlich um 0,7%2 gesunken! Diese Entwicklung ist vor allem – anders als der Eindruck, den die Erwähnung des 1. Quartals 2014 beim Leser bewirken kann – auf ein schlechtes 1. Quartal 2014 zurückzuführen: Während der reale Monatslohn im Vergleich zum Vorquartal (12/2013 – 3/2014) nur um 0,3% anstieg, ging der reale Stundenlohn um 1%3 zurück. Damit hat sich im 1.Quartal von 2014 die Schere zwischen Produktivität und Stundenlöhnen wieder ein Stück geöffnet.

Wie ein Flassbeck-Economics Leser zu Recht monierte, fehlte in der entsprechenden tagesschau.de-Meldung ein Hinweis darauf, dass der Zuwachs des durchschnittlichen Monatslohns durch die Zuwächse bei leitenden Arbeitnehmer_innen und Fachkräften getrieben wird, un- und angelernte  profitieren nominal im Vergleich zum Vorjahresquartal so wenig wie lange nicht4.

Weitere interessante Informationen zur Lohnentwicklung in Deutschland und Europa gibt es im Positionspapier “Löhne bleiben abgehängt” von Michael Schlecht (MdB, Wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE).

  1. Vierteljährliche Verdiensterhebung der Bruttomonatsverdienste inkl. Sonderzahlung []
  2. laut Vierteljahresergebnis der volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung [VGR] und Entwicklung der Verbraucherpreise []
  3. laut saison- und kalenderbereinigtem Vierteljahresergebnis der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung [VGR] und Entwicklung der saison- und kalenderbereinigtem Verbraucherpreise []
  4. ohne geringfügig Beschäftigte, siehe Vierteljährliche Verdiensterhebung auf Seite 30 []
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Fortsetzung zum ZAPP-Beitrag vom 14. Mai – Daniel Bröckerhoff bezieht Stellung

Am 19. Mai hatte ich Kritik an einem Beitrag der Sendung ZAPP vom 14.5. geübt, in der Daniel Bröckerhoff einen Beitrag aus der Sendung “Die Anstalt” aufgriff, in dem diese auf die Mitgliedschaft u.a. führender Redakteure deutscher Leitmedien (FAZ, SZ, Die Zeit, Die Welt) einging. Meinem Eindruck nach war der ZAPP-Beitrag auf relativ plumpe Weise darauf ausgelegt, eine kritische Auseinandersetzung mit dem bedeutsamen Thema in eine bestimmte Richtung zu lenken. Wer sich noch einmal informieren möchte, sei auf meinen Artikel verwiesen:

“ZAPP-Video bemüht sich im jugendlichen Style um Deutungshoheit in Sachen Alpha-Journalismus”

Da Herr Bröckerhoff meinen Artikel kommentierte (leider zunächst von mir unbemerkt, da der Spam-Filter ansprang, wofür ich mich entschuldige!) und da er uns außerdem auf seine Stellungnahme zur Kritik an seinem Beitrag hinwies, wollen wir seiner Position natürlich Raum verschaffen.

Hier erst einmal der Kommentar, den er bei uns bereits am 19.5. hinterließ, der jedoch leider zunächst im Spam-Filter gelandet war:

“Hallo Herr Jaworski,

ich hatte schon eine längere Antwort formuliert, aber dann ist mein Browser samt Text leider abgestürzt. Hier nochmal eine Kurzfassung: Danke, für die Auseinandersetzung mit meine Beitrag, die Form war tatsächlich “bemüht”, denn ich habe mir Mühe gegeben, etwas anderes auszuprobieren. Da der Film als subjektiver Kommentar angelegt ist, ist es ganz klar, dass er Interpretationsmuster liefert, an objektiven Journalismus glaube ich sowieso nicht. Zapp-Filme sind außerdem oft sehr haltungs- und meinungsstark, das ist Ihnen vielleicht schon einmal aufgefallen, wenn Sie die Sendung regelmäßig schauen.

Wir haben außerdem mit Herrn Krüger schon vor einiger Zeit ein längeres Interview geführt, er kommt in diesem Beitrag zu Wort: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/zapp/zapp7203.html

Ich hab gerade mit ihm nochmals über meinen Beitrag telefoniert und werde darüber und über all die anderen Fragen, die an mich erfreulichweise gerichtet wurden nochmals einen längere Artikel im Zapp-Blog schreiben. Ich lasse Ihnen gerne hier den Link zukommen.

Beste Grüße, Daniel Bröckerhoff”

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Wenn die Parteien im Europa-Wahlkampf „Chancen“ schaffen wollen…

Ein Gastartikel von Jan Peter Althoff.

Derzeit sind die Straßen und Plätze wieder voll mit Wahlplakaten, diesmal zur Europawahl. Wie üblich sind die inhaltlichen Aussagen bescheiden. CDU, SPD und FDP versprechen dort unter anderem „Chancen“ – auf den ersten Blick ein wohlklingender, vermeintlich nichtssagender Begriff wie viele andere auch. Und doch ein Begriff, bei dem ein zweiter Blick lohnt.
Insgesamt sind es neun Wahlplakate, in denen die Parteien behaupten, den Menschen in Europa „Chancen“ zu verschaffen. Ich verzichte aus Urheberrechtsgründen auf bildliche Darstellungen an dieser Stelle, durch entsprechende Google-Recherchen und auf den Webseiten von CDU, SPD und FDP lassen sich die Plakate aber schnell finden. Weiterlesen

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ZAPP-Video bemüht sich im jugendlichen Style um Deutungshoheit in Sachen Alpha-Journalismus

Jetzt, da der Umstand, dass die Chefredakteure deutscher Leitmedien, sowie zahlreiche weitere Journalisten Mitglieder in transatlantischen Netzwerken sind, die öffentliche Wahrnehmung immer stärker erreicht, und dieses Thema auch bereits kritisch in der ZDF-Satiresendung “Die Anstalt” aufgegriffen wurde, scheint man sich in den Medien zu bemühen, schnell die Deutungshoheit über diese hochproblematische Tatsache zu erringen. Die NDR-Sendung ZAPP hat das Thema in einem Kurzvideo aufgegriffen:

“Transatlantik – Journalisten unter Bündnisverdacht”

Im Unterschied zu den Kollegen von “Die Anstalt” mochte ZAPP es jedoch nicht dabei belassen, die Verbindungen zwischen Journalismus und transatlantischen Think Tanks einfach aufzuzeigen, um das Publikum eigenständig darüber nachdenken zu lassen. Das jugendlich aufgemotzte Video von ZAPP, das sichtbar darum bemüht ist, die Thematik in einem hippen Style ans Publikum zu bringen, lässt seinen Sprecher, Daniel Bröckerhoff, im Kapuzenpulli noch eine Interpretationsrichtung mit auf den Weg geben, indem Auszüge aus einem Interview mit Herrn Kornelius (SZ) gezeigt werden, in dem dieser einräumt, dass “die Transparenzfrage” “zentral” sei. Weiterlesen

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Maskenfall begrüßt neuen Mitstreiter

Wir begrüßen einen neuen Autor in unseren Reihen, der Maskenfall fortan u.a. mit ökonomischen Artikeln anreichern wird, die es den Leser*innen ermöglichen sollen, sich ein eigenständiges Bild von ökonomischen Entwicklungen zu machen, anstatt den empirisch unangemessenen bis propagandistischen Slogans und Sinnfragmenten aus weiten Teilen von Politik, Wirtschaft und Medien ausgeliefert zu sein.
Jochen Schölermann, geboren 1986, studierte zunächst zwei Jahre lang VWL und gelangte dabei zu einem „erschreckenden Bild vom Zustand der Volkswirtschaftslehre“. Seitdem unternahm er umfangreiche eigene Recherchen und Überlegungen zu ökonomischen Themen und kam dabei zu der eindeutigen Auffassung, dass eine am Gemeinwohl ausgerichtete Wirtschaftspolitik möglich ist. Er wendet sich klar gegen die Agenda 2010 und möchte mit seinen Darstellungen einen Beitrag dazu leisten, dass alternative Wirtschaftspolitik wieder mehr Gehör in der Öffentlichkeit findet.
Wir freuen uns über seine Mitarbeit!

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Mindestlohn: Weder armutsfest noch impulsgebend für die Lohnentwicklungen

Selbst fortschrittliche Ökonomen wie Hickel und Hirschel feiern den Mindestlohn quasi als Ende des neoliberalen Zeitalters in Deutschland, dabei ist das Ergebnis in Hinblick auf über 15 Jahre Lohnzurückhaltung makroökonomisch betrachtet eine Bankrotterklärung. Eine eher willkürlich gewählte Mindestlohnhöhe von 8,50 Euro, die sich nicht aus Eigenschaften der aktuellen Einkommensverteilung (Anteil am mittleren/durchschnittlichen Lohn) herleitet oder zumindest automatisch um die jeweilige Inflationsrate anwächst. Die Gewerkschaften hätten die geschärfte öffentliche Aufmerksamkeit zum Thema nutzen können, um über Festlegungskonzepte für den Mindestlohn den Menschen die Notwendigkeit steigender Löhne zu verdeutlichen und Druck auf die Parteien auszuüben, den Mindestlohn regelmäßig automatisch anzupassen1, anstatt sich für jede Steigerung in einen Verhandlungsmarathon innerhalb einer Kommission begeben zu müssen. Das dauerhafte Festhalten an 8,50€2 des DGB seit Mai 2010 wirkt inkonsequent und letztlich verblödend auf die Bevölkerung, da dieser zur Einführung (1.1.2015) nur noch 7,50€3 Wert haben wird. Und bei der ersten Gelegenheit zu seiner Anpassung (1.1.2018) real nur noch bei 7,28€4 liegen wird. Bei rapide abfallender Tarifbindung, die 2012 bei 58%5 – 1995 waren es noch 76%6 – angekommen ist, wären Impulse von unten auf die Lohnentwicklung ungemein wichtig.

Aber auch bei der Bekämpfung von Armutslöhnen hat man sich mit der Mindestlohnhöhe häufig nicht einmal an das Niveau eines Hartz-IV-Aufstockers heran gewagt, betrachtet man einen Single mit Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von mind. 345€ (betrifft 41,1% aller Wohnungen in Deutschland) und maximalem Zuverdienst. Ganz davon abgesehen, dass Deutschland mit der gewählten geringen Mindestlohnhöhe immer noch gegen die Europäische Sozialcharta verstößt, wird also die staatliche Belohnung für die Anbieter eines Niedriglohnjobs nicht unterbunden. Weiterlesen

  1. Auch DIE LINKE hat es nicht geschafft ihre entsprechende längerfristige Forderung, Mindestlohn = 60% des durchschnittlichen Bruttolohns, aus dem Wahlprogramm in die Öffentlichkeit zu bringen []
  2. als geringster Kompromiss der unterschiedlichen Gewerkschaften []
  3. Annahme: Verteuerung der Verbraucherpreise +1% für 2014 []
  4. Annahme: Verteuerung der Verbraucherpreise um jeweils +1% für 2014-2017 []
  5. Quelle: WSI-Tarifarchiv []
  6. Quelle: ICTWSS Database []
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100 Jahre Institut für Weltwirtschaft – Teil 3: Die schlechten Jahre (Gastbeitrag)

Dr. Thomas Herrmann  (Historiker und Soziologe, sowie Mitglied von attac Kiel) stellt im dritten Teil seines Essays zur Geschichte des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (Teil 1 und 2 siehe hier und hier) die ersten Nachkriegsjahre dar, in denen trotz materieller Not damals noch gesellschaftlich sinnvolle, empiriebasierte Forschungsarbeit vom Institut an den Tag gelegt wurde. Thomas Herrmann gab der Phase die Überschrift “Die schlechten Jahre”.

Der Gegensatz zu Marktwirtschaft, den man jetzt ins Auge fassen muß, ist nicht Planwirtschaft und nicht Staatstätigkeit, sondern Subsistenzwirtschaft. Eine solche Wirtschaft läuft ohne nennenswerte monetäre Vermittlung ab. Ihr fehlt vor allem das durch Preise ermöglichte Beobachten des Beobachtens.

(Niklas Luhmann)

Im Mai 1945 sind die Gebäude des Instituts für Weltwirtschaft weitgehend zerstört, Archiv und Bibliothek aber beinahe vollständig erhalten. Nur das abgeschlossene Archiv des ersten Weltkrieges mit einer Million Zeitungsartikeln verbrennt restlos in der Folge eines Bombenangriffs am 26. August 1944 im Keller des Kollegienhauses und einige hundert Gutachten aus den Jahren nach 1941 verschwinden spurlos. Weiterlesen

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100 Jahre Institut für Weltwirtschaft – Teil 2: Die grauenhaften Jahre (Gastbeitrag)

Dr. Thomas Herrmann  (Historiker und Soziologe, sowie Mitglied von attac Kiel) stellt in einem Essay als Gastautor die Geschichte des Instituts für Weltwirtschaft Kiel dar, das in diesem Jahr auf sein hundertjähriges Bestehen zurückblicken kann. Der Essay, der hier in vier Teilen erscheinen wird, verdeutlicht an der historischen Aufstellung, sowie dem erstaunlichen Wandel des Instituts über die Jahrzehnte hinweg zugleich die gesellschaftliche Zeitenwende. Den hier aufgeführten zweiten Teil (Teil 1 siehe hier), der auf die Entwicklungen während der Nazidiktatur eingeht, fasst Thomas Herrmann unter der Überschrift “Die grauenhaften Jahre” zusammen.

Auf diese gesellschaftliche Wahrheit vom Zusammenbruch der europäischen Klassengesellschaft antworteten die Nazis mit der Lüge von der Volksgemeinschaft, welche auf der Mittäterschaft bei Verbrechen basiert und von einer Gangsterbürokratie beherrscht wird. … Und als Antwort auf den Niedergang des Nationalstaates kam die berühmte Lüge von der Neuordnung Europs, die die Völker zu Rassen erniedrigte und deren Ausrottung vorbereitete.
(Hannah Arendt)

Der Aufstieg der NSDAP beginnt Mitte der zwanziger Jahre an den Hochschulen. Der Nationalsozialistische Deutsche Studentenbund beherrscht bereits im Juni 1930 die Mehrheit im Kieler Studentenausschuss. Danach beginnt die Terrorisierung der republikanischen Wissenschaftler an der Hochschule. Weiterlesen

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100 Jahre Institut für Weltwirtschaft – Teil 1: Die fabelhaften Jahre (Gastbeitrag)

Dr. Thomas Herrmann  (Historiker und Soziologe, sowie Mitglied von attac Kiel) stellt in einem Essay als Gastautor die Geschichte des Instituts für Weltwirtschaft Kiel dar, das in diesem Jahr auf sein hundertjähriges Bestehen zurückblicken kann. Der Essay, der hier in vier Teilen erscheinen wird, verdeutlicht an der historischen Aufstellung, sowie dem erstaunlichen Wandel des Instituts über die Jahrzehnte hinweg zugleich die gesellschaftliche Zeitenwende. Den hier aufgeführten ersten Teil, der sich mit der Gründungsphase auseinandersetzt, fasst Thomas Herrmann unter der Überschrift “Die fabelhaften Jahre” zusammen.

Es gibt keine wissenschaftliche Methode, mittels welcher es möglich wäre, allgemein gültige Direktiven für die Wirtschaftspolitik aufzustellen.”
(Bernhard Harms)

Bernhard Harms, der Gründer des Institutes, wird 1876 in Ostfriesland (Preußen) in eine Kaufmannsfamilie hineingeboren. Nach einer Buchbinderlehre übernimmt er die Redaktion für das „Journal für Buchbinderei“ und studiert gleichzeitig Staatswissenschaften und Volkswirtschaftslehre. Zunächst geht Harms nach Leipzig und hilft beim Aufbau der „Leipziger Finken“, einer damals modernen Studentenorganisation jenseits der schlagenden Verbindungen. 1901 wird er in Tübingen zu Fragen der Geschichte der Buchbinderei im 19. Jahrhundert promoviert und habilitiert sich 1903 mit einer Arbeit über die holländischen Arbeitskammern, einer frühen paritätischen Mitbestimmungsinstitution. Weiterlesen

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Machen Sie linke Politik, Herr Giegold!

Sven Giegold hat in der “Zeit” unter dem Titel “Machen Sie linke Politik, Frau Wagenknecht!” Sahra Wagenknechts Haltung zum Euro kritisiert und mit der Haltung von Rechtspopulisten verglichen. Hat sich einer der wenigen Hoffnungsträger der Grünen in die Kampagne der “Zeit” einspannen lassen? Steht der Gegner der Grünen im Europawahlkampf links? Weiterlesen