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Griechenland: Weiter geht’s mit Ausverkauf oder raus aus dem Euro

Das europäische Krisenregime wütet nun schon seit Jahren in zahlreichen EU-Mitgliedsstaaten und hat besonders in Südeuropa über Austeritätsauflagen und “Strukturreformen” die Massenarbeitslosigkeit explodieren und viele junge Menschen zur “verlorenen Generation” werden lassen. (Zur Erinnerung siehe erneut: “Die >>silent revolution<< in Zeiten der Eurokrise”). Am schlimmsten traf es dabei Griechenland, das nun seit Jahren unter vollständigem Troika-Diktat steht. Es ist nicht übertrieben von dem Land und seinen Menschen als Schuldenkolonie zu sprechen. Die Regierung dort ist nur noch Exekutor der “Eurogroup” in Sachen antidemokratischer (erinnere die Rache in Anbetracht des Referendums gegen die Kürzungsauflagen, sowie die damalige EZB-Erpressung) und dabei zugleich weitgehend ruinöser Reformvorgaben. Dieses Kapitel Europas wird eines fernen, vom neoliberalen Dogma befreiten Tages als der Anfang vom Ende der EU in die Geschichtsbücher eingehen. Noch aber sind wir live dabei, wie es geschrieben wird, und aktuell heißt es für die erpresste griechische Regierung wieder: gehorchen (= Schrecken ohne Ende) oder raus aus dem Euro (= Ende mit Schrecken). Die jüngste “innovative” Reform (Schäuble-Perspektive), die das Land auf Erfolgskurs und in die wirtschaftliche Prosperität führen soll, lautet dabei: Wasserprivatisierung.

Siehe: “Parlament beschließt Privatisierung von Wasser und Gas” (SpiegelOnline, 27.9.) Weiterlesen

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Böckler Impuls: “Im Würgegriff der schwarzen Null”

Es ist immer wieder bemerkenswert, wie sehr doch Glaube und sehr schlecht begründete Überzeugungen an die Stelle von rationalen Argumenten und Beobachtungswerten treten können in einem Kontext, der gerade letzteres als seine Methode propagiert. Die Interessen müssen offenbar nur groß genug und die verbreiteten Bilder eingängig sein, um jahrzehntelang damit durchzukommen.

Es lohnt sich immer wieder, sich die populärsten Lehrsätze vor Augen zu führen, die aus den Ideen-Fabriken der Angebotstheorie in Politik und Gesellschaft hineingeflossen sind, um sich dort zur Wahrheit zu verhärten, zum Keine-Alternative-denkbar oder eben zum alltagsunsichtbaren Rahmen, der jedoch in massiver Weise über die Dinge im Großen und somit eben auch den Alltag selbst entscheidet (es besteht Abwärtskausalität). Weiterlesen

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Makroskop: “Frames: Das Versäumnis der Progressiven”

In einem kürzlichen Artikel habe ich mich mit Frames und Metaphern auseinandergesetzt, indem ich u.a. ein paar Erkenntnisse des Kognitionswissenschaftlers George Lakoff wiedergebe und dabei an einige jener Frames erinnere, die die Wirtschaftspolitik in Europa fest im Griff haben und dringend nötige Alternativen verhindern. Der Text ist nun auf Makroskop frei zugänglich:

“Frames: Das Versäumnis der Progressiven” (Makroskop, 26.8.2016)

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Die Agenda 2010 und der eigentliche Ort notwendiger Reformen

Dieser Beitrag wurde auf Makroskop im Juli erstveröffentlicht und ist hier nun frei zugänglich.

Die Agenda 2010 und die Hartz-Reformen, die weiterhin als Erfolgsmodell ausgegeben werden, sind das Resultat einer langjährigen Umdeutung der ökonomischen Wirklichkeit. Die ökonomischen und ideologischen Konsequenzen wirken mittlerweile folgenschwer auf ganz Europa. Eine Wende braucht es vornehmlich in den Köpfen.

Wohl nichts steht hierzulande so sehr für den Umbau, v.a. Abbau von Sozialstaatlichkeit, wie die Agenda 2010 und ihr Herzstück, die Hartz-Reform. Auch wurden mittlerweile zahlreiche Bücher und Schriften verfasst, die sich mit der Agenda-Politik kritisch, d.h. unter dem Fokus machtpolitischer Interessenlagen, der Vorherrschaft neoliberaler Ideen und in Hinblick auf die gesellschaftlichen Auswirkungen dieser Politik, auseinandersetzen. Dennoch hat sich – auch dank massenmedialer Flankierung – in einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung das propagierte Bild der zwar „schmerzhaften“, jedoch „notwendigen Reformen“, die das Land auf seinen vermeintlichen „Erfolgskurs“ besonders in Sachen Beschäftigung geführt haben, bislang offenbar durchgesetzt. Weiterlesen

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Bernie Sanders zu Brexit und globalem Wirtschaftsmodell

Bernie Sanders hat sich in der New York Times zu Wort gemeldet und nimmt das Brexit-Ergebnis zum Anlass, um noch einmal daran zu erinnern, was die tieferen Ursachen für die zerfallenden Gesellschaftssysteme unserer Zeit sind. Robert Zion hat den Beitrag auf seinem Blog übersetzt:

“Lassen sie mich sehr deutlich werden. Die globale Wirtschaft funktioniert nicht für die Mehrheit der Menschen in unserem Land und in dieser Welt. Dies ist ein Wirtschaftsmodell, erfunden von einer Wirtschaftselite für eine Wirtschaftselite. Was wir brauchen, ist tatsächliche Veränderung.”

(Bernie Sanders, “Die Demokraten müssen aufwachen”, Übers. robert-zion.de)

Originalartikel:

“Bernie Sanders: Democrats Need to Wake Up” (28.6.2016)

In welcher Zeit wir leben, kann man im Grunde auf einen Blick anhand der Einkommensanteile1 aus der World Income Data Base ablesen… Weiterlesen

  1. Verteilungsschätzungen basierend auf Steuerdaten und volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung. []
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“Die Anstalt” vom 24.5.2016

“Als ihr dies zu bedenken gegeben wurde, gestand Malmström ein, dass ein Handelsabkommen niemals zuvor einen solch leidenschaftlichen und umfassenden Widerstand erfahren hat. Dennoch, als ich die Handelskommissarin dazu befragte, wie sie ihre anhaltende Unterstützung für die Abmachung in Anbetracht solch eines massiven öffentlichen Widerstands fortsetzen könne, kam ihre Antwort eiskalt: >>Ich nehme mein Mandat nicht von den europäischen Bürgern entgegen.<<”1

(I didn’t think TTIP could get any scarier, but then I spoke to the EU official in charge of it, The Independent, 12.10.2015)

Die tausenden Seiten Vertragstext, wie sie sich unter dem Kürzel TTIP seit nunmehr mehreren Jahren ankündigen (und natürlich auch von uns aufgegriffen wurden, u.a. hier und hier), verdichten den neoliberalen Zeitgeist zu einer umfassenden Zusatzansammlung von rechtswirksamen Herrschaftsansprüchen, bei denen “die Märkte” als abstrakter Mechanismus gegen Demokratie und Gestaltungsmöglichkeit des Gemeinwesens noch einmal vertieft und völkerrechtlich nahezu unumkehrbar in ihrer gesellschaftsdiktierenden Stellung gemacht werden, als es ohnehin schon u.a. durch das europäische Vertragswerk der beobachtbar folgenschwere Fall ist (Stichworte: Maastricht, Lissabon, Fiskalpakt…). Begründungen für die überwältigend abgelehnte Unternehmung gibt es mittlerweile keine annähernd glaubwürdigen mehr hierzulande, dennoch macht man weiter. Wohl auch, um den nötigen Windschatten für den Trostpreis zu erzeugen.
“Die Anstalt” berichtet, erinnert und klärt auf. Einmal mehr wird Satire zur Realität, wo Realität zur Satire wird:

“>>Die Anstalt<< vom 24.5.2016”

  1. Übers. Maskenfall, Original: “When put to her, Malmström acknowledged that a trade deal has never inspired such passionate and widespread opposition. Yet when I asked the trade commissioner how she could continue her persistent promotion of the deal in the face of such massive public opposition, her response came back icy cold: >>I do not take my mandate from the European people.<<“ []
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Kleiner Hinweis auf “Makroskop” als Gegenmittel zum radikalen Mainstream

Wohl nirgendwo ist die Diskrepanz zwischen Wissen und Relevanz so groß, wie in gesamtwirtschaftlichen Angelegenheiten. Ganz zufällig ist es sicher nicht, dass “Makroökonomie” als Interpretations- und Analyseebene für die allermeisten Menschen überhaupt nicht existent zu sein scheint, obwohl es uns doch alle betrifft, und die Entscheidungen der Etablierten wohl nirgendwo so hanebüchen und schlecht begründet sind.

Den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wurden im letzten Jahrzehnt hierzulande mehr als eine Million Millionen Euro (1 Billion) ‘Lohnzurückhaltung’ auferlegt, begründet wahlweise mit ‘internationalem Wettbewerb’ oder dem Ziel der Senkung von Arbeitslosigkeit. Nicht nur wurden Privatisierungsprogramme gehypet und werden es in der einen oder anderen Variante ungebrochen, sondern eine tragende Säule des Sozialstaats wurde schlicht durch eine Krücke ausgetauscht, bei der Ebenezer Scrooge Berater gewesen sein muss, und dies, indem man etwa auf ‘notwendige und schmerzhafte Reformen’ und die ‘überbordende Staatsverschuldung’ verwies. Die Rentenniveaukürzung, die heute mit der Aussicht auf Altersarmut für die Mehrheit der Rentnerinnen und Rentner einhergeht, wurde mit dem ‘demographischen Wandel’ begründet, die Unterwerfung der öffentlichen Finanzen unter das ‘Diktat der Märkte’ konnte man damals mit Verweis auf das Ungeheuer der ‘Inflation’ ohne Widerstand durchsetzen… Weiterlesen

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Eine Reform, die sich als Anleitung zur Auflösung einer Gesellschaft lesen lässt

Wir hatten kürzlich auf die Online-Plattform “Sanktionsfrei” hingewiesen. Die Initiative, die Dank Verlängerung immer noch per Crowdfunding unterstützt werden kann, will Menschen zur Seite stehen, denen das Existenzminimum unter Hartz IV wegsanktioniert wird. Hierdurch wird hoffentlich auch eine zunehmend kritische Öffentlichkeit auf den Würdebruch aufmerksam, der hierzulande tagtäglich staatlich ausgeübt wird. Meinem Eindruck nach wissen immer noch zu wenig Menschen darüber Bescheid, wie geradezu selbstverständlich Menschen in diesem Sanktionsregime ihre Lebensgrundlage entzogen wird, um Zwang auszuüben und die besonders Benachteiligten, die über keine sonstigen Mittel verfügen, gefügig zu machen. Weiterlesen

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Der Triumph der gescheiterten Ideen geht weiter – doch Widerspruch nimmt zu

Wenn die bestehenden Mechanismen des Politmanagements auf höchster Ebene ein Betriebssystem wären, bräuchte es in Anbetracht der zunehmenden Systemausfälle und sich wiederholenden Fehlermeldungen wohl dringend ein neues. Stattdessen begnügt man sich jedoch damit, die Fehlermeldungen unermüdlich wegzudrücken und der Nutzerin mitzuteilen, dass beim nächsten Klick schon alles besser wird. Einmal noch Militär ausschicken, einmal noch Geheimdienste und Überwachungsorgane mit zusätzlichen Rechten ausstatten, dann läuft es schon wieder rund.

Andere Fehlermeldungen versucht man mittlerweile dadurch in den Griff zu bekommen, dass man zweifelhafte Software von windigen Anbietern kauft. Da fließen Milliarden einem autoritären Erdogan zu, dessen Herrschaftsstil nur noch das Mittel von Gewalt und Unterdrückung kennt, und dies nur, damit der europäischen “Wertegemeinschaft” das nötige Umfeld für einen Menschenrechtsbruch in der Flüchtlingsfrage geschaffen werden kann. Einen Bruch, der jedoch gleichzeitig das Protestpotential möglichst innerhalb kalkulierbarer Bahnen belässt. Weiterlesen

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Ein paar Anmerkungen zum Zeitgeist, der brechen muss

Heiner Flassbeck berichtet über das jüngste Treffen der G20 Finanzminister, die zwar in Teilen vorhandene Erkenntnis, dass ein weiter wie bisher nicht tragfähig ist, jedoch ebenso die befundresistenten Dogmatiker aus der deutscher gewordenen EU:

“Liest man heute das Kommuniqué, das die G 20 Finanzminister (richtiger: ihre Staatssekretäre) zustande gebracht haben (hier), dann weiß man zwar, dass es wieder Streit um die richtige Ausrichtung der Wirtschaftspolitik gegeben hat, man erkennt aber auch, dass die Europäer an ihrem Irrsinnsweg festhalten und niemand sie daran hindern kann.
Das durfte der normale Bürger in Deutschland aber nicht einmal erfahren, weswegen die FAZ schon vor dem eigentlichen Treffen schrieb (hier), dass Deutschland (Schäuble) die anderen Länder vor neuen Schulden warnt und auch der IWF sowie die chinesischen Gastgeber das für richtig hielten. Das ist zwar absolut falsch, aber das macht ja nichts, wenn es nur der größeren Sache dient, nämlich den Staat und die Linken, die ihn fördern wollen, kleinzuhalten. Man lese einmal, was die New York Times oder die Financial Times dazu schreiben, da fragt man sich dann, ob die über verschiedene Tagungen berichten.”

(Die G 20 Finanzminister streiten in Shanghai und Europa zerbricht an der Flüchtlingsfrage – Wer jetzt nicht handelt, handelt nimmermehr, Flassbeck-economics, 29.2.2015)

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